Studi-Mythos: Semesterferien
“Guten Abend, meine Damen und Herren. Guten Morgen, liebe Studenten.” Solche und ähnliche Aussagen schallen jedem Studenten mindestens einmal wöchentlich […]
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“Guten Abend, meine Damen und Herren. Guten Morgen, liebe Studenten.” Solche und ähnliche Aussagen schallen jedem Studenten mindestens einmal wöchentlich um die Ohren. Die Frage ist nur: Was stimmt und was nicht? In dieser neuen losen Reihe werden wir von seitenwaelzer mit den Mythen des Studentenlebens aufräumen.
Zu Anfang ein besonders großer Mythos: die Semesterferien. Die gängige Vorstellung aller, die sich noch nicht an universitärer Bildung versucht haben, lautet wie folgt: “Ferien sind Freizeit. In den Ferien fährt man in den Urlaub, besucht Freunde und wartet darauf, dass die Schule – naja gut, die Uni – wieder anfängt. Hausaufgaben, die über die Ferien aufgegeben werden, sind Folter und zeugen von besonderer Charakterschwäche des Lehrers.”
Dass der Lehrer in den Ferien wahrscheinlich “Hausaufgaben” haben wird, weil noch Arbeiten zu korrigieren und Unterrichtsreihen vorzubereiten sind, wird bei dieser Ansicht genauso außer Acht gelassen, wie die Tatsache, dass Semesterferien beinahe nichts mit Schulferien gemein haben.
Was aber sind Semesterferien? Treffender wird diese zweite Hälfte des Semesters von den „Betroffenen“ als „vorlesungsfreie Zeit“ bezeichnet. Im Sommersemester handelt es sich meist um die Wochen von August bis Anfang Oktober und im Wintersemester um die Zeit von Ende Februar bis Anfang April. Davor finden Vorlesungen, Seminare, Übungen, Kurse und sonstige universitäre Veranstaltungen statt, die regelmäßig besucht werden wollen. In der zweiten Hälfte des Semesters hat man also “keine Uni”, wie mein Vater schon sehr spitzfindig bemerkte. Das heißt aber nicht, dass man wirklich keine Uni hat.
Blockseminare
…, also Veranstaltungen, die an einem ganzen oder sogar mehreren Tagen stattfinden, werden mit Vorliebe in die vorlesungsfreie Zeit gelegt, denn dort stören sie den normalen Uni-Stundenplan nicht. Das heißt für die Studenten, dass sie beispielsweise um neun Uhr am Freitag Morgen zusammen mit 30 anderen ein sonst recht leeres Seminargebäude betreten, um sich dort für zehn Stunden in einem stickigen Raum mehr oder weniger gute Referate der Kommilitonen zu Gemüte zu führen und diese zu diskutieren. Wenn sie damit fertig sind, gehen sie nach Hause. Nur, um am nächsten Morgen zur gleichen Zeit erneut anzutreten und im selben, seit gestern nicht belüfteten Raum weitere zehn Stunden Referate zu hören. Sonntag darf man sich das Ganze dann noch mal geben, natürlich nicht, ohne selbst noch ein Referat zu halten, das recherchiert, vorbereitet, in eine Präsentation gegossen und geübt werden will. Dazu kommt dann eine schriftliche Ausarbeitung oder eine Hausarbeit. Wäre man jetzt ein wirklich vorbildlicher Student und würde das alles bestens recherchieren, vor- und nacharbeiten, wären zumindest die Wochen rund um das Blockseminar mit diesen Arbeiten belegt.
Hausarbeiten
…, also unter anderem die Ausarbeitungen, von denen oben die Rede war. Sie sind noch so ein Phänomen der “Semesterferien”. Mit den Worten: “…da haben Sie ja Zeit, die Hausarbeit hätte ich dann gerne bis Ende des Semesters” halten Dozenten ihre Studierenden auf Trab. Denn, bis die Vorlesungen des neuen Semesters anfangen, einen 20- oder mehr Seiten umfassenden, fundierten wissenschaftlichen Text zu einem passenden Thema zu verfassen, ist nicht zu unterschätzen. Als kluger Student lädt man sich deshalb nicht mehr als zwei dieser Arbeiten auf, da sie für eine gute Note gründlich recherchiert und gut geschrieben werden wollen. Das kann dauern, besonders wenn sich die Literatursuche schwieriger gestaltet, als man denkt – was sie immer tut – oder wenn beim abschließenden Korrekturlesen ein Fehler auftritt, der nicht mit einem Satz zu beheben ist, sondern für den man auch gerne nochmal in die Bibliothek gehen darf – was auch immer der Fall ist.
Klausuren
… sind die Dinge, die einem die Semesterferien richtig verhageln können. Die meisten Klausuren finden am Anfang oder am Ende der vorlesungsfreien Zeit statt. Ersteres hat den Vorteil, dass man schon über die Vorlesungszeit gelernt haben sollte und dann nur noch schnell schreiben müsste – danach hätte man frei. Falls man aber nicht besteht, schreibt man nach. In der vorlesungsfreien Zeit, die damit zur Lernzeit wird. Zu einer Lernzeit, die von zuvor angemeldeten Blockseminaren geschmälert wird. Zu einer Lernzeit, die von der Zeit zum Hausarbeitenschreiben abgeht. Hausarbeiten, die man fristgerecht einreichen muss.
Zweiteres ist noch schlimmer: Man lernt entweder die ganze Zeit für diese Klausur, nur um festzustellen, dass der halbe Aufwand es auch getan hätte und dass viel andere Arbeit liegen geblieben ist. Oder man lernt wenig, oft zu wenig, weil man noch Hausarbeiten zu schreiben und Blockseminare zu belegen hat. Falls man übrigens am Ende der Semesterferien eine Klausur nicht besteht, kommt man in die unangenehme Situation, diese mitten im nächsten Vorlesungszeitraum, zwischen neuen Seminaren, nachschreiben zu dürfen.
Praktika
… werden auch gerne vergessen. Als Studierender ist es oft Pflicht, mehrwöchige Praktika während des Studiums abzuleisten, um nicht als völliger Elfenbeinturmbewohner auf den Arbeitsmarkt zu treten. Das Problem dabei ist, dass solche Praktika normalerweise – sinnvollerweise – in Vollzeit absolviert werden. Während man gerade die aktuellen Veranstaltungen des Semesters besucht, wird man also kein Praktikum machen. Bleiben die “Semesterferien”. Abends nach dem Praktikum darf man dann noch einen schönen Bericht für den betreuenden Dozenten verfassen oder ist mit einer der anderen Tätigkeiten der “Ferien” beschäftigt.
Geld verdienen
…, noch so eine Sache, die von Vielen unterschätzt wird, die bisher nichts mit Studenten am Hut hatten. Während eines Studiums muss man irgendwo schlafen, man muss essen und vielleicht möchte man – allein schon um dem Klischee gerecht zu werden – auch noch ein Bierchen trinken, wenigstens eines. Das kostet unterm Strich: Geld, viel Geld. Jetzt kann man das Glück haben, reiche spendable Eltern sein Eigen nennen zu dürfen, die es sich leisten können und wollen, einem das Studium zu bezahlen. Oder man hat hinreichend arme Eltern, dann kann man BAföG beantragen und hat nach dem Studium Schulden. Wenn man aber weder das eine noch das andere hat, sondern irgendwo dazwischen liegt, darf man für seinen Lebensunterhalt arbeiten. Während der Vorlesungszeit legt man seine Arbeit um den Stundenplan herum und seine Vor- und Nachbereitung um die Arbeit. Und wenn dann noch Zeit ist, trinkt man sein Klischeebier. Während der vorlesungsfreien Zeit wird man mehr arbeiten, um etwas anzusparen und davon im Semester zu zehren, wenn der Stundenplan mal wieder zu sehr mit dem Geldverdienen kollidiert. Einige Kommilitonen arbeiten sogar nur in den Semesterferien, dafür dann Vollzeit und schreiben ihre Hausarbeiten an den Wochenenden und abends. Auch schön…
Wie viel Geld „viel Geld“ ist, haben wir euch hier mal aufgedröselt.
Halten wir also fest: “Semesterferien” haben wenig mit Freizeit gemein. Seltenst hat man wirklich „keine Uni“, vielmehr muss man, wie immer im Studium, verschiedenste Herausforderungen miteinander in Einklang bringen und in sinnvoller Reihenfolge bewältigen. Falls euch also ein Studierender begegnet, der in den Semesterferien Freizeitaktivitäten nachgeht, ist er entweder bestens organisiert und hat sich diese Zeit freigeschaufelt, oder er sollte eigentlich etwas tun und hat – und das ist der Normalfall – frei mit schlechtem Gewissen.
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Michael Cremann
Ist meist dort zu finden wo die laute Musik für andere klingt wie ein Autounfall. Wirbt Geld für den Guten Zweck ein oder gibt Führungen durch Münsters Ruine Nummer eins. Dazu wird noch getanzt und wenn dann noch Zeit ist, Geschichte und Archäologie studiert.
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