Abi - und dann? / Studium

Irgendwas mit Medien – Studium an der Filmkunsthochschule

Hast du schon mal darüber nachgedacht "Irgendwas mit Medien" zu studieren, hast aber keine Ahnung, was das bedeuten soll? Dann bist du hier richtig!
| Gastbeitrag |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Verändert nach Donald Tong | Pexels

Du denkst darüber nach „irgendwas mit Medien“ zu machen, kannst dir aber eigentlich noch gar nichts darunter vorstellen? Das macht nichts! Kilian Kuhlendahl gibt dir einen Einblick, was man denn eigentlich mit Medien so machen kann. Das ist nämlich eine ganze Menge:

„Mein Studium war gut. Und ich bekam kaum etwas beigebracht. Es heißt „Mediale Künste“ und man studiert es an der Kunsthochschule für Medien (duh!). Dieser Name ist mega schwammig, aber trotzdem beschreibt er genau, was das Studium ist: „Irgendwas mit Medien“. Du bekommst jedes Semester ein Buch mit allen Seminaren, die an der ganzen Schule angeboten werden, und darfst alles besuchen, was du willst. Die Schule ist zwar mit um die 350 Studierenden ziemlich klein, aber es gibt trotzdem etwa dreimal so viele Seminare, wie du besuchen kannst: Grundlagen der Fotografie, Kameraübung auf 16mm Analogfilm, Creative Writing, Virtual Reality, die filmgeschichtliche Bedeutung des Kameramanns Sven Nykvist, Surveillant Architectures, Like Punk Never Happened, Just Cause You Feel It Doesn’t Mean It’s There…

Diese Seminare hat es alle wirklich gegeben, aber zumindest bei den letzten Dreien habe ich keine Ahnung, was die Leute da eigentlich gemacht haben. Wahrscheinlich hatten sie irgendwas mit Videoinstallationen oder Performancekunst zu tun. Oder Mediengeschichte. Das war nicht meine Richtung – ich habe mich eher auf Film spezialisiert, also Kamera, Drehbuch und Regie, hin und wieder auch Animationsfilm. Es mag also keine verschiedenen Studiengänge geben, aber trotzdem ist jedes einzelne Studium individuell. Zusätzlich zu den Seminaren machst du Projekte, wobei du auf einen geradezu luxuriösen Technikpool zugreifen darfst, zum Beispiel Film- und Tonstudios, Kamera- und Lichtequipment oder Schnitträume. Wenn du statt Film lieber eine Skulptur bauen willst, fragst du die Leute von der Werkstatt und sie helfen dir dabei. Und wenn du die Skulptur anschließend von allen Seiten mit Videos bespielen willst, kaufst du von Mitteln der Schule einen Haufen Beamer, um sie darum herum aufzustellen – wie viel Geld du ausgeben darfst, ist natürlich begrenzt. Aber es ist Einiges.

„Und was wirst du nun damit?“

Wenn du dann, nach Ablauf der Regelstudienzeit, gebeten wirst, für die neuen Studierenden Platz zu machen, hast du mit Sicherheit zehnmal so viel verpasst, wie du gemacht hast. Und du bekommst ein Diplom, das dir sagt, dass du dich jetzt „Diplomierter Künstler“ nennen darfst. Das klingt ziemlich bescheuert, aber wenn du z.B. Kamerafrau geworden bist, rutschst du damit bei Produktionen für die öffentlich-rechtlichen Sender in eine andere Tarifgruppe. Ansonsten kräht kein Hahn danach, denn wer in “den Medien“ (was ist das überhaupt genau?) macht schon genau das, was er oder sie studiert hat? Es wird so viel quereingestiegen, da kann man auch gleich quer studieren. Und Jobs bekommst du nicht wegen einer Note, sondern wegen deines Portfolios.

Es ist nicht so leicht, der Oma zu erklären, was man da gerade tut. Und natürlich ist es einfacher, einen Job zu finden, wenn du sagen kannst: „Ich bin das und das”. Gerade das Handwerkliche kommt ziemlich kurz: Dramaturgieseminare gibt es, aber z.B. den Umgang mit bestimmten Programmen habe ich hauptsächlich von Videotutorials und hilfsbereiten Kommilitonen gelernt. Das meinte ich am Anfang mit „kaum etwas beigebracht“: Du erlebst eine Menge Situationen, in denen du echt viel mitnehmen kannst – Erfahrungen sammeln darüber, was funktioniert und was nicht, Mut, und einfach immer wieder Übung, ohne dass du beim Üben etwas zu verlieren hättest. Aber du solltest dich nicht morgens mit einem Collegeblock ins Seminar setzen und hoffen, dass irgendwer sich hinstellt und Dinge sagt, die du später wissen musst.

Wenn du nicht weißt, was du willst, wirst du vermutlich alle Seminare besuchen, die irgendwie interessant klingen und irgendwann fällt dir dann auf, dass du deine Zeit und Energie überhaupt nicht dafür nutzt, einem Ziel näher zu kommen (der in meinem Semester dafür etablierte Fachbegriff heißt „rumpimmeln“, und der ist möglicherweise sexistisch, aber dann würde ich gerne wissen, gegen wen).

Mehr Informationen zu den Möglichkeiten nach dem Abitur gibt es in unserem E-Book „Abi – und dann?„.

„Wie ist dein Studium denn abgelaufen?“

Ich habe grundständig studiert, das heißt, das Studium geht neun Semester lang, wobei die ersten drei noch „Grundstudium“ sind, in denen man noch nicht die ganze Auswahl von Seminaren besuchen darf und auch noch keine eigenen Projekte macht. Die Alternative wäre ein Aufbaustudium über fünf Semester für Leute, die schon eine Ausbildung hinter sich haben. Nach dem Grundstudium habe ich nochmal fast drei Semester rumgepimmelt – oder, sagen wir mal: „mit offenen Augen die Breite der Angebote erkundet und mich ausprobiert“, aber glücklicherweise gibt es auch Seminare zum Thema „Was zur Hölle will ich eigentlich hier?“.  So habe ich schlussendlich doch noch dazu gefunden, dieses Institut nicht so zu besuchen, wie man eine Schule besucht – auf der Suche nach Stoff, den man in sich hineinschaufeln kann –, sondern wie einen kostenlosen Supermarkt: ich habe mich bedient.

Mein erstes Projekt: ein Spielfilm mit nur einem Drehtag. Ich wollte mal selber schauspielern. Das Ergebnis wurde nicht so toll, aber die Erfahrung war‘s wert. Danach: Auslandsprojekt in Ghana, Dreh von Social Spots für ein Krankenhaus. Sechs Wochen lang sehen dir alle an der Haut an, dass du reich bist; und du kannst nirgendwo alleine hin, weil die Häuser keine Adressen haben und die Taxifahrer erwarten, dass du ihnen den Weg erklärst. Auch eine interessante Erfahrung, aber ganz sicher nicht die beeindruckendste des Studiums. Danach: Ein neues Drehbuch geschrieben, Schauspieler gesucht, Drehorte gesucht, Team klargemacht; bis mich irgendwann die Ausstatterin und die Kamerafrau fragten, ob ich nicht noch mal ein bisschen klarer werden will, wie der Film denn jetzt eigentlich genau werden soll. Also Projektabbruch und nochmal Stoffentwicklung: jetzt wird es ein Animationsfilm, nein, eine Website, nein, eine Graphic Novel! Danach: ein Jahr Arbeit an der Graphic Novel. Und die ist tatsächlich gut geworden.

Dazwischen habe ich auch einmal drei Monate lang die Uni Uni sein lassen und ein Praktikum bei einer Spielfilmproduktion gemacht – wenn du zu keinen Seminaren aufkreuzt, vermisst dich auch keiner. Und einmal erschien mir das Ganze so unaushaltbar unsystematisch und untechnisch, dass ich die ganze Schule schmeißen wollte und mit dem schön gradlinigen Lehrstoff-gefüllten Bachelorstudiengang „Spielfilmregie“ der Filmuni Potsdam geliebäugelt habe.

„War es die richtige Wahl zu bleiben?“

Keine Ahnung. Aber ich habe aus einem Filmprojekt ein Bilderbuch gemacht und danach als Abschlussprojekt ein Hörbuch. Ich hatte das Studium angefangen, weil ich den Traum hatte, ein Filmemacher werden zu wollen – jetzt bin ich Autor geworden; nicht nur für Film, sondern in jedem Medium, das ich kenne. Das war so nur an dieser Schule mit ihrem Sandkastenprinzip möglich.

Jetzt gerade im Moment läuft noch das Abschlussprojekt. Parallel suche ich Jobs als Story Artist, Motion Designer und alles Mögliche – reich wird man damit nicht. Aber das sollte dir sowieso klar sein, wenn du „dumdidum Künste“ studierst. Ich kenne keine andere Schule, auf der man so selbstorganisiert studiert, wie an der KHM. Aber vielleicht gilt dieser Ratschlag für alle Studiengänge, mit denen du später „Irgendwas mit Medien“ machen willst: wisse, was du willst. Du musst deine Projekte selbst auf die Beine stellen – wenn du dir nichts nimmst, bekommst du auch nichts. Aber es gibt eine Menge, was du dir nehmen kannst.“

Ein Gastbeitrag von Kilian Kuhlendahl

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