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Vergnügliche Betrachtung des Ersti-Seins und seiner Umstände

Ein Rückblick meines ersten Semesters
| Nelly Langelüddecke |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Robin Thier

Man nehme eine Person aus 503.639 Studenten, die im Jahr 2015 ein Studium an einer deutschen Hochschule aufgenommen haben. Lassen wir sie direkt aus der Schule kommen und in eine Studentenstadt ziehen. Zufällig fällt unsere Wahl auf Münster. Was erlebt man als „Ersti“ – laut der Logik höherer Semester eine andere Bezeichnung für „Wesen von einem anderen Planeten“  – im Alltag? Welche Schlüsse zieht man aus seinem neuen Leben als „waschechter“ Student? Aus gegebenem Anlass habe ich mich der Beantwortung dieser Fragen verschrieben.

Ich bin jung, Opfer der deutschen G8-Gymnasialzeit und deswegen gerade 18 Jahre alt, als ich mich zum ersten Mal in meinem Leben an einer Universität immatrikuliere. Die Sozialwissenschaften (Politik und Kommunikation) werden zumindest für die nächsten drei Jahre mein stofflich-inhaltlicher Alltag sein. Selbst gewählt, ohne elterlichen oder andersgearteten Zwang.

Meine Entscheidung, an einen Ort zu ziehen, der nicht in Kirschkern-Spuckweite von meinem Elternhaus nördlich von Frankfurt am Main liegt, habe ich ganz bewusst gefällt. Es war für mich immer klar, dass ein derartiger Einschnitt im Leben mit einem Wechsel des Hauptquartiers einhergehen muss. Münster bot sich für meine Fächer, als Stadt an sich und auf persönliche Empfehlung hin an. Und ich habe es bis heute nicht bereut. Zwar liegen allerlei WG-Castings, alkoholisierte Barzusammenkünfte und eine nächtliche Fahrrad-Flucht vor der Münsteraner Promenadenpolizei hinter mir – aber ich stehe noch. Und bin etwas, das sich „glücklich“ nennt.

Quellen des Glücks

Es gibt nichts, was einen mehr erleichtert, als endlich das tun zu können, was einen interessiert. So ist die weitläufige Meinung, die einen zu Schulzeiten mit Hinblick auf’s „Leben danach“ von allen Seiten ereilt. Bei mir ist das wohl alles, was mit dem Begriff „politisch“ zu tun hat, was die politischen Systeme von Nationen, Demokratieverständnisse und Ideologiekonzepte in der Politik betrifft. Außerdem schreibe ich verhältnismäßig gerne. Also musste etwas her, das beides zu verbinden in der Lage ist.

Umgeben bin ich nun in der Kommunikationswissenschaft von vielen Hipstern, die „was mit Medien“ studieren wollen. Jeder, der vorhat, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, sollte an dieser Stelle meine Warnung ernst nehmen: 85% des Semesters sind weiblich und sehen zum Verwechseln ähnlich – blond – aus. Gut für die verschwindend geringe Anzahl an Kerlen, etwas anstrengend für alle gleichgeschlechtlichen Wesen, die gerne Bier trinken und über dreckige Witze lachen. Ein paar sympathische Exemplare sind allerdings darunter und schließlich studiert man ein Fach auch nicht vorrangig wegen der anderen Studenten.

Politik erfüllt vor allem inhaltlich ganz meine Erwartungen. Ich habe natürlich geradezu bombastisch motiviert zusätzliche Kurse zum Arabischen Frühling in Ägypten und zur Europäischen Union gewählt und bin schlichtweg beeindruckt. Wer hätte geahnt, dass ich mal zu noch nachtschlafender Zeit freiwillig auf einem unbequemen Stuhl hocke und mir etwas über das Institutionengefüge der EU erzählen lasse. Selbst in den seltenen Momenten, in denen man sich in den Oberschenkel zwickt und Musikstücke auf einer imaginären Klaviertastatur spielt, um nicht einzuschlafen, schafft es ein Professor, mit einer lustigen Anekdote für Lacher zu sorgen. Unvergessen die Geschichte über seine ehemalige Kommilitonin, die heute im Zuge der gemeinsamen europäischen Fischereipolitik für die Verteilung von Fangquoten zuständig ist. Spätestens jetzt kann keiner der Studenten im Raum mehr behaupten, er hätte kein neues Berufsziel!
Oder etwa der Professor, der zu Beginn der Abschlussklausur ein Bild von seiner Tochter und sich im Karnevalskostüm (Rotkäppchen und der böse, böse [Prof-]Wolf) an die Wand projiziert. Soll mir noch mal einer sagen, in der Forschung wären sie alle knöchern bis spießig und hätten keinen Spaß…

Das Beste am Studium ist allerdings die Stadt. Auch, wenn ich an meinen universitären Inhalten zweifeln würde, wäre Münster ein Grund, dennoch pro Tag eine Mindestanzahl an Luftsprüngen zu absolvieren (sagen wir, drei). Dass man alles mit dem Rad erreichen kann, nette Cafés und Bars vorfindet und um den Aasee joggen kann, ist ziemlich unschlagbar. Und das alles, obwohl ich hier die schöneren Jahreszeiten Frühling und Sommer noch nicht erleben durfte. Wie herrlich muss es erst sein, wenn man nachmittags in den Kanal hüpfen kann, um Hecht, Zander und Barsch Guten Tag zu sagen.

Quellen des Unglücks

Das führt uns allerdings zu einem weiteren Punkt: dem Wetter! Vielleicht liegt es daran, dass ich weiter im Norden lebe als zuvor. Aber ich merke eindeutig, dass es mir persönlich zu oft nass und matschig ist. Ich liebe die stürmische Nordsee und ihre Schauer, aber Münster scheint ganze Tage lang im Regenloch gefangen zu sein. Es kann gut sein, dass es einem hier mehr auffällt, weil man ausschließlich Rad fährt und einem das Wetter in direkter Konfrontation zu Leibe rückt (Das führt mich zu meinem Geburtstagswunsch, der sich den ersten Platz auf der Geschenkeprioritätenliste erkämpft hat: Eine Regenhose!). Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass man sich damit arrangieren kann. Und jetzt kommt, wie gesagt, ja erst mal die freundlichere Jahreszeit ins Haus. Und wer weiß, vielleicht gehe ich in ein paar Jahren für den Master einfach in die sonnigste Stadt Deutschlands, nach Freiburg. Als Kontrastprogramm sozusagen.

Abgesehen vom Wetter, mit dem ich mich schwertue, habe ich gemerkt, wie anstrengend Selbstverantwortung sein kann. Ich bin weder ein fauler Mensch, noch habe ich wenige Projekte/Hobbies/Aktivitäten, denen ich nachgehe. Manchmal verliert man aber zwischen Kafka-Schmökern, Artikelschreiben, Sport und Ehrenamt leicht den Fokus hinsichtlich des Studiums. Nicht, dass ich es wirklich schleifen lasse. Ich muss nur einfach aufpassen, dass ich mich nicht selbst im Freizeitstress verliere. Dafür ist ein 2-Fach-Bachelor einfach zu fordernd. Das ist in erster Linie etwas, das ich mit mir selbst im direkten Duell austragen muss. Vielleicht sollte ich mir dahin gehend mehr Zeit einräumen, um meine Linie zu finden.

Fazit

In Münster etwas studieren, was einem gefällt: Kann man machen! Und allen, die diese Entscheidung noch treffen oder bereits getroffen haben, lasst Euch gesagt sein: Es schadet nie, ein Fremdmodul in Politik zu wählen. Die Chance, amüsanten Professoren zu begegnen, ist außergewöhnlich hoch.

Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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Nelly Langelüddecke

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5 Antworten zu “Vergnügliche Betrachtung des Ersti-Seins und seiner Umstände”

  1. Kann das verloren gehen im Freizeitstress nur zu gut nachvollziehen. Selbstständigkeit eröffnete einfach so viele Möglichkeiten, dass man gar nicht weiß wohin mit allem ;) ganz viel Glück und Spaß weiterhin Nelly!

  2. Vielen Dank, ihr Lieben, es ist schön, „von außen“ Feedback zu erhalten!
    Und ja, Tony, in der Tat. Das ist wohl ein urmenschliches Phänomen ;-)

  3. Hallo Nelly,

    schöner Erfahrungsbericht! :-)

    Ich habe schon einige hundert Studenten persönlich betreut und finde auch, dass das Interesse am eigenen Studium unglaublich wichtig für den Erfolg und das Glücklichsein ist. Wenn man nur etwas studiert, weil es die Freunde auch tun oder man auf einen späteren Berufswunsch schielt, macht das eher wenig Sinn…

    Zu deinen „Quellen des Unglücks“: Selbstorganisation, Eigenverantwortung und Zeitmanagement sind aus meiner Erfahrung die wichtigsten Eigenschaften, die dich nachhaltig erfolgreich im Studium machen. Das kann man nicht früh genug lernen.

    Viele Grüße
    Tim

  4. Hallo Nelly,

    eine sehr schönen Artikel hast du da geschrieben.

    Als Ersti ist es nicht immer leicht. Man muss sich an einiges gewöhnen.
    So wie es klingt, macht es dir aber trotzdem viel Spaß.

    Weiter so!

    Liebe Grüße

    Richard

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