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Darf man über tote Diktatoren lachen? – Kinoreview The Death of Stalin
In Russland verboten, von manchen Menschen verachtet und von anderen Leuten gefeiert. Was kann die neue Komödie, die in die gleiche Kerbe wie "The Interview haut"? Daniel, unser Mann für speziellen Humor, war für euch im Kino.
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
„Beim Pissen such ich gerne Blickkontakt zu Offizieren, um Ihnen den Tag zu versauen.“
Wer sich nach diesem Zitat schon in seiner persönlichen Komfortzone belästigt fühlt, sollte sich The Death of Stalin definitv nicht ansehen. Die surreale, jedoch frei nach wahren Begebenheiten erzählte Geschichte umfasst eine Unmenge solcher Inhalte: Schwarzer Humor, bösartige Intrigen und faszinierende Dialoge der machtgierigen Speichellecker Stalins machen diesen Film zu einem einzigartigen Streifen. Mancher Zuschauer wird empört den Saal verlassen, ein anderer Mensch köstlich und unkorrekt lachen. Meine Zugehörigkeit liegt dabei klar bei der letzteren Gruppe.
Schon zu Beginn des Films wird die Absurdität der Angst vor Stalin auf die Spitze getrieben. Dieser möchte die Aufnahme eines Konzertes von Radio Moskau. Leider wurde das Konzert nicht aufgezeichnet, aber aus Furcht vor Konsequenzen wird es einfach erneut nachgestellt. Situationen wie diese gibt es noch und nöcher. Selbst die Leiche des toten Staatsoberhaupts wird noch mit panischem Respekt behandelt. Vielleicht wacht er ja wieder auf?! Nein, irgendwann hat es diesen Tyrann letztendlich doch erwischt. Der Kampf um seine Nachfolge beginnt. Es ist herrlich – oder eben schrecklich – anzusehen, wie sich seine engsten Vertrauten gegenseitig betrügen, belügen und mit allen Mitteln bekämpfen. Dabei wahren sie im offenen Diskurs aber stets ihr falsches Lächeln. Wer in Geschichte gut aufgepasst hat, wird bereits wissen, welcher Kandidat am Ende das Rennen macht.
Besetzt ist The Death of Stalin wirklich exzellent. Jeder Schauspieler gibt seiner Figur eine besondere Note, wobei alle Thronanwärter eine Sache eint: Sie sind schlicht und einfach machtgeile Arschgeigen. Doch diesen widerwärtigen, hinterhältigen Halunken beim gegenseitigen Zerfleischen zuzusehen macht richtig Spaß. Exemplarisch sei hier einmal die Beerdigungszeremonie für Stalin dargestellt. Chruschtschow wurde von den Mitgliedern des Komitees gegen seinen Willen zum Beerdigungsminister ernannt, Molotow sollte eigentlich schon tot sein, Geheimdienst-Chef Beria hat heimlich die verhassten Priester eingeladen, Stellvertreter Malenkov agiert sehr befremdlich mit jungen Mädchen und der Sohn Stalins möchte betrunken eine Rede halten, während ihm der Befehlshaber der Armee auf die Nase haut. Klingt skurril? Ist es auch! Allerdings eben auch herrlich lustig. Wie jeder jedem versucht Befehle zu erteilen und am Ende keiner darauf reagiert ist schon schräg.
Dabei beschönigt der Film zu keinem Zeitpunkt die Handlungen irgendeines Hauptakteurs. Todeslisten werden abgearbeitet, Zivilisten unterdrückt oder erschossen, ständig Bedienstete als Zeugen elimiert oder in Lagern misshandelt. Alleine Beria vergeht sich mehrfach an Frauen. Ein wenig Genugtuung ist dem Zuschauer vergönnt, denn nicht alle Aasgeier werden am Ende des Kampfes noch stehen. Dennoch bleibt einem das Lachen manchmal fast im Halse stecken, weswegen hier wirklich spezieller Humor gefragt ist.
Inszeniert ist der Streifen oft wie ein Kammerspiel. Beispielsweise, wenn nach und nach alle Verantwortlichen bei der Leiche Stalins eintreffen und dramatisch überspielt ihre Trauer äußern. Dazu passend blendet der Film ab und an Namen und Rang des eventuellen Nachfolgers ein, natürlich mit extrem lauter russischer Musik unterlegt. Zudem werden zwischendurch verschiedene Paragraphen eingeblendet, deren Prozedur dann nachfolgend gezeigt wird. Das Setting innerhalb der Sowjetunion 1953 wurde hübsch gestaltet und sorgt immer wieder für starke Kontraste zwischen Wahn und Wahnsinn. Die Kamera bietet insgesamt einen guten Überblick und sorgt mit ihrer Dynamik manchmal selbst für den einen oder anderen Witz. Wie erwähnt ist die Musik betont drüber: Laut, aggressiv, prollig. Das passt einfach ideal zur Handlung und deren Figuren. Vorhandene Effekte sind handgemachter Art, wobei es insgesamt nicht übermäßig viele Gewaltszenen gibt. Das FSK 12 ist in Anbetracht des überzogenen Grundtons daher absolut vertretbar.
Dieser Film lässt sich gut anhand seines Trailers beurteilen. Wer dessen Essenz und Humor mag, wird sich beim Film ebenfalls unterhalten fühlen. Wen schon die knapp 2 Minuten anwidern, der sollte dringenst die Finger von The Death of Stalin lassen. Mit seinen 107 Minuten hat der Streifen die perfekte Laufzeit, wobei er sich gegen Ende weniger auf Gags und mehr auf die Geschichte konzentriert. Dies ist allerdings vollkommen in Ordnung: Selten sieht man so eine bekloppte Geschichte, welche jedoch auf wahren Begebenheiten beruht. Der Cast macht seine Sache sehr gut, das Handwerk ist ordentlich und für Freunde des schwarzen Humor gibt es viele derbe Sprüche und Situationen. Absurd und surreal, aber für mich ein großer Spaß.
Als Randnotiz sei noch erwähnt, dass The Death of Stalin in Russland ein Aufführungsverbot ereilt hat. Zwei Tage vor der geplanten Premiere wurde der Film aufgrund von Beschwerden verboten. Generell bin ich ein Feind jeder Zensur, jedoch muss ich in diesem Fall den Russen mein Verständnis ausdrücken. Der Film verunglimpft das Ansehen des noch heute vielfach verehrten Stalin und generell die Sowjetunion wirklich stark. Satire und Humor ja, Bösartigkeit aber mit Sicherheit auch. In Deutschland gibt es die britisch-französische Produktion ohne Probleme zu sehen.
7,5/10 speichelleckende, machversessene Arschgeigen.
Bin ich hier der Einzige, der in der Pisse kniet?
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Daniel Rublack
… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.
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Tags: Death of StalinDiktatorenFilmFührerKinoKinoreviewKritikSatire