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Rezension: „Eine kleine Geschichte der Videogames“ von Fabian W. W. Mauruschat

Ein unterhaltsamer Speedrun „Ach guck, das könnte interessant werden.“ Mit diesem Gedanken hast du wahrscheinlich auf diese Rezension geklickt. Mit […]
| Michael Cremann |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Das Buch "Eine kleine Geschichte der Videogames" vor einem Hintergrund aus verschiedenen Game-Hüllen und VideospielzubehörMichael Cremann

Ein unterhaltsamer Speedrun

„Ach guck, das könnte interessant werden.“ Mit diesem Gedanken hast du wahrscheinlich auf diese Rezension geklickt. Mit genau dem gleichen Gedanken habe ich zugesagt, als Fabian W. W. Mauruschat uns anbot, seine „kleine Geschichte der Videogames“ zu rezensieren. Als begeisterter Spieler, der so ziemlich alles, was die späten 90er und die 2000er daddeltechnisch hervorgebracht haben, bereits in der Hand hatte, interessierte mich das Davor genauso wie das Danach, von dem ich bis auf einige Globalstrategiespiele wenig Ahnung habe. Ist die kleine Geschichte damit genau die passende Lektüre für mich? Jein.

Doch zuerst zu den Hard Facts: 

Vollständig heißt das Buch: „Eine kleine Geschichte der Videogames – von Tetris bis Cyberpunk 2077“, es ist in der Reihe „Eine kleine Geschichte“ im riva Verlag erschienen und für genau 10 € überall zu bekommen, wo es Bücher gibt. Auf 208 Seiten nimmt der Autor uns mit auf einen Parforceritt – bleiben wir im Thema – einen Speedrun durch die Geschichte der Videospiele. Dabei teilt er seine Erzählung in sieben Kapitel ein, die jeweils ein (angefangenes) Jahrzehnt vorstellen. Angefangen bei den ersten Spielen auf den Großrechnern der 50er- und 60er-Jahre führt er uns durch universitäre Labore, Spielhallen und Kinderzimmer bis in die virtuelle Realität. In jedem Kapitel finden sich kurze Artikel, die je ein relevantes Thema der Zeit auf circa einer Seite zusammenfassen und locker mit dem chronologischen roten Faden des Buches verbinden. 

Chronologische Sturkur liegt Fabian W. W. Mauruschat sehr, hat er doch vor seiner Autorentätigkeit Geschichte studiert. Neben Büchern, nicht nur übers Gaming, schreibt er auch Comics und einen Blog, den Fischpott.

Diese Struktur erlaubt es dem Autor, sowohl herausragende Spiele als auch Genres und kulturelle Entwicklungen abzubilden, ohne den Faden zu verlieren. Jeder neue Abschnitt wird unterhaltsam eingeleitet und funktioniert eigenständig, solange man ungefähr weiß, über welche Zeit man gerade liest. Unterbrochen und gleichzeitig unterstützt wird die chronologische Struktur immer wieder von Einschüben, die übergreifende Entwicklungen wie das Entstehen von Genres oder den Games assoziierten Phänomenen wie LAN-Partys oder Cosplay beleuchten. Am Ende eines jeden „Level“ genannten Kapitels finden sich Trivia-Facts, die allen Gamer*innen, egal in welcher Zeit sie angefangen haben, ein Lächeln der Erinnerung ins Gesicht zaubern.

Warum also Jein?

Die kleine Geschichte der Videogames hält genau, was sie verspricht. Sie nimmt mich mit auf eine Reise durch die Entwicklung von Spielen und Genres, von Technik und Kultur. Doch sie tut es in kleinem Rahmen. In der Frühzeit der Games reicht dieser Rahmen völlig aus: Pong und Space Invaders lassen sich leicht erklären und damit auch für die Leserschaft leicht erfassen. Doch sobald die Spiele komplexer werden, würde eine erschöpfende Erklärung der Mechaniken und Metaphern den Rahmen sprengen, sodass der Autor sich hier immer mehr auf Genrebegriffe und Vorkenntnisse der Leserschaft stützen muss. Gleichzeitig wird die Welt der Spiele vielfältiger und ihr kulturelles Umfeld wichtiger. Damit verlässt das Buch ab dem Kapitel über die 80er-Jahre immer mehr den „Das ist Pong, das ist daran neu“-Ansatz und verschiebt den Fokus hin zu Gaming-Kultur, Rezeption durch die Umwelt und Anekdoten aus der Spieleindustrie. Doch keine Angst: Eure liebsten Spiele bekommen ihren Anteil am Text! 

Der kleine Rahmen ist für mich auch der wichtigste Kritikpunkt am Buch. An vielen Stellen hätte ich mir mehr gewünscht: mehr Tiefe, mehr Anekdoten, mehr Erinnerungen. Dass dieses Mehr wahrscheinlich den Rahmen gesprengt und aus der leichten Lektüre ein ausgewachsenes Fachbuch gemacht hätte, sehe ich erst mit dem Blick aufs ganze Buch. Im Kapitel über die 90er hätte ich gern noch 10 Seiten mehr über Pokémon erfahren und in den 2000ern fehlte mir zwischen Killerspieldebatte, Uwe Boll und WoW doch glatt mein geliebtes „Rome: Total War“…

Andererseits macht ihre Kürze die „kleine Geschichte der Videogames“ genau zu der entspannenden Lektüre, die sie für mich war. Im Zug nach der Arbeit nahm sie mich mit in pubertär duftende LAN-Partykeller, rief mir mein liebstes Monster aus „Warcraft III“ wieder ins Gedächtnis und ließ mich wehmütig an mein kleines altes Dorf in „Die Stämme“ denken, das mittlerweile wohl nur noch als Rohstofflager für ein, zwei Veteranen dieses Servers dient… Hach, Erinnerungen.

Wem empfehle ich dieses Buch?

Fabian W. W. Mauruschats kleine Geschichte der Videogames ist – im besten Sinne – die perfekte Lektüre für zwischendurch. In kleinen Häppchen bereitet der Autor Fakten und Anekdoten für all jene auf, die gern spielen und einfach mal wissen wollen, wie das mit den Games so angefangen hat. Aber auch für jene, die schon seit ein oder zwei Jahrzehnten nicht mehr spielen und nun wissen wollen, wie es weitergegangen ist. Greift zu diesem Buch, wenn ihr in den Urlaub fahrt und entspannende Beschäftigung sucht; wenn ihr pendelt und im Zug nicht immer Candy Crush spielen wollt; wenn ihr einsteigen wollt in die historische Beschäftigung mit dem Kulturgut Videospiel; und auch wenn ihr eine Klobibliothek euer Eigen nennt und euch Sitzung für Sitzung weiterbilden wollt; oder einfach, wenn ihr Lust habt, in Erinnerungen an die guten alten Zeiten vor dem Bildschirm zu schwelgen und euch zu denken: „Da, da war ich dabei!“

Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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