„Erstmal nach Australien“ – Meine Monate „Down Under“
Ein Erfahrungsbericht vom anderen Ende der Welt
Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten
Wer kennt ihn nicht, den Spruch gefühlt jedes zweiten Abiturienten heutzutage: „Erstmal gehe ich nach Australien und dann mache ich irgendwas mit Medien“. Und was soll ich sagen – Das Klischee trifft wohl oder übel genau auf mich zu. Fast unmittelbar nach Abschluss des Abiturs wagte ich den großen Schritt, buchte einen Flug und… „war dann mal weg“, am „anderen Ende der Welt“. Was ich erlebt habe und vor allem, ob ich diese Erfahrung empfehlen kann, könnt ihr im Folgenden nachlesen.
Eines vorweg: Ein halbes oder gar ein ganzes Jahr „da unten“, wie nicht wenige es planen, habe ich nicht geschafft. Ganz im Gegenteil: Mein großes Abenteuer war bereits nach nicht einmal vier Monaten beendet. Warum? Das gehört wohl an das Ende des Artikels, beginnen möchte ich jedoch weitaus früher.
Am 20.09.2015, also vor ziemlich genau einem Jahr, stieg ich in Frankfurt in eine Maschine, die mich mit einem Zwischenstopp in Seoul (Südkorea) nach zwei je zehn Stunden langen Flügen nach Sydney in New South Wales befördern sollte. Mein Plan: Ein ganzes Jahr wollte ich unterstützt von der in Münster stationierten Organisation „Travelworks“ in Australien arbeiten und reisen – klassisches „Work and Travel“ also.
Bereits während des Fluges beschlich mich ein Verdacht, der sich unmittelbar nach der Landung bestätigen sollte. Die zahlreichen Warnungen anderer Reisender entsprachen der Wahrheit und waren nicht etwa bloße Übertreibung: Australien wird nahezu „überschwemmt“ von Deutschen. Ich besuchte die Infoveranstaltung der australischen Partnerorganisation von „Travelworks“, „work’n holiday“, und musste feststellen, dass weit über die Hälfte der angeblich aus aller Welt anreisenden Backpacker aus „Good Old Germany“ stammten; Englisch wurde also zu meiner Enttäuschung erschreckend wenig gesprochen.
Nichtsdestotrotz war meine Motivation groß genug, nach einer mehrtägigen Verschnaufpause bei alten australischen Bekannten den ersten Teil meines „Aufgabenbereiches“ hinter mich zu bringen. Ich wollte arbeiten. Um die erste große Hürde eines jeden Backpackers, die Arbeitssuche, möglichst unkompliziert und reibungslos zu bewältigen, kontaktierte ich das „work n’holiday“-Büro mitten in Sydney und wurde geradewegs an ein sogenanntes „working hostel“ im Stadtteil „Cronulla“ vermittelt. Das Konzept: Jeden Tag bar ausgezahlte Schwarzarbeit. Es funktionierte. So gut, dass ich nach einem 13-stündigen Tag bei einer Umzugsfirma bei einem Stundenlohn von satten 22$, zwei Tagen auf einer Baustelle als Teil eines „Abrisskommandos“ und mehreren Tagen bei privaten Hobby-Handwerkern und Gärtnern nicht nur einen beachtlichen Teil des (Arbeits)-alltags in Sydney hautnah miterlebt hatte, ich beging außerdem einen ersten groben Fehler: Ich wurde wählerisch. Und ich begann viel zu früh, das einigermaßen stabil Jobs vermittelnde Hostel und vor allem das – meiner Meinung nach – viel zu große Sydney verlassen.
Zunächst einmal wollte ich es mir nicht entgehen lassen, einmal am australischen „Surfcamp“ teilzunehmen. Für einen akzeptablen Preis wurden mir in fünf Tagen die Grundlagen dieses wirklich schwierigen Sports beigebracht und ich war… gar nicht mal so erfolgreich. Aber immerhin gelang es mir letztendlich, ein paar Sekunden auf dem Board stehen zu bleiben. Dennoch zog es mich langsam aber sicher weg von den anderen Backpackern und Touristen. Ich wollte etwas erleben, irgendwo fernab der Mainstream-Aktivitäten und gleichzeitig – wenn möglich – etwas Geld sparen.
Mein erster Schritt in ein „echtes Abenteuer“: Ich begann zu „wwoofen“ (kurz für „willing workers on organic farms“). Bei diesem etwas schwer lesbaren Begriff handelt es sich um das zur sogenannten „wwoofing“-Organisation gehörige Verb, das kurzgefasst die Freiwilligenarbeit auf über das ganze Land verteilten Farmen für Kost und Unterkunft beschreibt.
So landete ich beim Hobby-Farmer Daniel, dessen zweite Heimat inmitten der „Blue Mountains“ bei Sydney lag. Ich arbeitete hart für eine wundervolle Erfahrung fernab der 4-Millionen Stadt und vor allem des Handynetzes, badete im „Colo River“, saß das erste Mal in meinem Leben auf einem Pferd und unterhielt mich mit einem, wie könnte es anders sein, Deutschstämmigen (welcher der deutschen Sprache allerdings glücklicherweise nicht mächtig war) über dessen abenteuerliche Vergangenheit, die wundervolle Natur um uns herum und die Kultur der selbst auf dem Gelände seiner eigenen Farm Spuren hinterlassenden Aborigines.
Noch vor diesem Abstecher in die „Blue Mountains“ hatte mich eine alte Freundin angeschrieben, die sich zur selben Zeit auch in Sydney befand und gemeinsam beschlossen wir, ein kleines Stück die Ostküste hinauf, also gen Norden, zu reisen – Mein zweiter nicht gerade unwesentlicher Fehler, denn der australische Sommer nahte und auf der Südhalbkugel wird es immer wärmer, je weiter man in den Norden reist. Das war logisch und es war mir bewusst und doch unterschätzte ich diesen Umstand und da wir beide ein sogenanntes „hop on hop off busticket“ entlang der Ostküste bis nach Cairns gebucht hatten, war es nahezu unmöglich, noch umzuschwenken, ohne einen großen Verlust hinnehmen zu müssen. Während wir Stopps in Newcastle und Port Macquarie einlegten, fasste ich den Entschluss, zunächst einmal alleine weiter zu reisen – zum einen, um schlichtweg für einen bestimmten Zeitraum vollständig auf mich allein gestellt zu sein, zum anderen, weil es mich drängte, endlich einen festen Job für ein paar Monate zu finden. Aus diesem Grund steuerte ich die nächstgrößere Stadt an: Brisbane.
Zuvor allerdings ließ ich mich für je ein paar Tage in der Partyhochburg Byron Bay (nahe des durchaus ungewöhnlichen Kifferörtchens „Nimbin“) und dem etwas größeren „Surfer’s Paradise“ an der „Sunshine Coast“ nieder, lernte viele nette (zumeist natürlich deutsche) Leute kennen, verabschiedete mich von ebenso vielen wieder und kam letztlich in Brisbane an. Die im Vergleich zu Sydney deutlich ruhigere Stadt war zwar schön und beschaulich, verfügte über die wundervoll gestaltete „South Bank“ mit einem öffentlichen Swimming Pool, zahlreichen Bühnen, einem Freilichtkino und ein dem London Eye nachempfundenen Riesenrad; die Hostels waren allerdings recht teuer und die Jobsuche geradezu ernüchternd. Während man in Sydney noch recht leicht über diverse Internetportale an „cash in hand“-Jobs, also Schwarzgeld, gelangen konnte, schien in Brisbane alles schon vergeben zu sein. Die zahlreichen Bars und Restaurants stellten ausschließlich Leute mit Erfahrung ein, die diese auch unter Beweis zu stellen hatten und andere Jobs waren fast gar nicht zu finden.
Schließlich entschied ich mich dazu, Farmarbeit im klassischen Sinne zu verrichten. Die Anzeige lautete „Zitronenpflücker in Bundaberg gesucht“. Und so gelangte ich in ein weiteres „working hostel“ und wurde mit zahlreichen anderen „fruit pickers“ bereits am nächsten Tag zu einer unglaublich riesigen Zitronenplantage mitten im Nichts gebracht und machte eine der interessantesten und zugleich ernüchterndesten Erfahrungen meines gesamten Australien-Aufenthaltes. Der Zusammenhalt in einem „working hostel“ ist unglaublich. Zwangsläufig lernt man unzählige Gleichgesinnte kennen, hat gemeinsam Spaß und „leidet“ ebenfalls zusammen. Denn das „fruit picking“ wird nicht zu Unrecht häufig als reinste „Sklavenarbeit“ weit unter Mindestlohnniveau dargestellt. Mindestens 8 Stunden am Stück wird die ständig gleiche Arbeit ausgeführt, die Arbeiter am laufenden Band angespornt „bloß keine Verluste zu machen“ und die Bezahlung ist erschreckend niedrig, denn: Bezahlt wird nicht selten nach der Menge gepflückter Früchte anstatt dem Mindestlohn von momentan 21$ pro Stunde. Hinzu kam, dass wir aufgrund des immer mal wieder einsetzenden Regens nur etwa die Hälfte der uns versprochenen Zeit wirklich arbeiten konnten. So kam es, dass ich Bundaberg nach einer Woche aufgrund der Kosten für das Working Hostel enttäuscht verließ.
Mein nächstes Ziel: Townsville. Während ich den Bus für weitere 2 Tage in „Airlie Beach“ verließ, suchte ich fast schon verzweifelt jedwede Arbeit über das Internetportal der „work n’holiday“-Organisation. Und ich wurde fündig. Kurzerhand setzte ich mich mit einem Farmer in Verbindung, der in seiner Anzeige „100$ pro Woche und kühles Bier“ versprach – ein durchaus verlockendes Angebot. Ich reiste also weiter nach Townsville und wurde dort von besagtem Farmer abgeholt. Nach einem kurzen Einkauf und einer zweistündigen Fahrt kamen wir auf der Farm mitten im australischen Outback an. Ich wurde dem 19-jährigen Bruder des Farmers vorgestellt und mit meinem Aufgabengebiet vertraut gemacht: Alle 2 Tage galt es die knapp 450 Kühe (man sprach von einer „vergleichsweise kleinen“ Farm) auf der über mehrere eingezäunte und jeweils einige Quadratkilometer große Flächen verfügenden Farm zu füttern. Eine Arbeit, die eigentlich deutlich seltener hätte anfallen müssen, doch es hatte seit einigen Wochen nicht geregnet, sodass kaum etwas auf der Farm wuchs.
Alle zwei Tage arbeitete ich also für knapp zweieinhalb Stunden und hatte zwischendurch frei. Entsprechend lang fühlten sich die etwa 2 Wochen an, die ich dort verbrachte und zumeist mit Musik hören totzuschlagen versuchte, wenn ich nicht gerade das Motorrad des Farmers benutzte, das mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Mittlerweile, es war jetzt Anfang Dezember und der australische Hochsommer setzte langsam aber sicher ein, wünschte ich immer mehr, zu Beginn süd- und nicht nordwärts gereist zu sein. Zudem ging es unaufhaltsam auf Weihnachten zu und ich begann (offen gestanden) Heimweh zu bekommen. Dennoch fand ich mich mit der Situation ab, versuchte verstärkt den Auslandsaufenthalt und das (viel zu gute) Wetter zu genießen und zog weiter nach „Tully“, um dort auf einer Bananenfarm zu arbeiten. Unglücklicherweise wurde ich am ersten Tag krank, direkt entlassen und musste den Rest der Woche absitzen, denn ein working hostel wird immer eine Woche im Voraus bezahlt. So saß ich also kurz vor der Regenzeit in einem schmutzigen Hostel in einem winzigen Dorf fest, verbrachte meine Zeit mit Lesen, Schwimmen und, mal wieder, dem Hören guter Musik, während ich das vorerst finale Ziel meiner Reise aus der Ferne unter die Lupe nahm, indem ich mich nach meiner ersten doch recht guten Erfahrung mit „wwoofing“ nach einem weiteren Host umsah. Ich wurde fündig und so brachen (damals ohne mein Wissen) die letzten drei Wochen meiner Reise an. Ich kam bei einem Restaurantbesitzer in „Yungaburra“ in den Tablelands unter und genau wie ihr es wahrscheinlich gerade tut, fragte ich mich recht schnell „Was hat ein Restaurant eigentlich mit einer biologischen Farm zu tun?“. Leider nicht sehr viel, wie sich herausstellte, denn meine Aufgaben bestanden darin, in der Küche beim Abwasch zu helfen, den Vorgarten des Restaurants von Unkraut zu befreien und mir die Streitereien des Restaurantbesitzers mit seiner „künftigen Exfrau“ mit anzuhören. All das für eine dünne Matratze in einem Wohnwagen und das (zugegebenermaßen sehr gute) Essen des Kochs. Zwar wurde ich von meinem Chef an eine Süßkartoffelfarm weiter vermittelt, die 300$ für zwei Tage unablässiges Sortieren der schmackhaften Erdfrüchte habe ich allerdings nie bekommen.
Deprimiert verließ ich das kleine Dorf nach zwei Wochen wieder und buchte aufgrund meiner mittlerweile deutlich werdenden Geldknappheit und nicht zuletzt wegen des immer stärkeren Heimwehs kurzerhand den Rückflug. Meine letzte Woche versuchte ich so gut es bei der Hitze und meiner Laune möglich war zu genießen, ich schnorchelte im „Great Barrier Reef“ und überflog es, fotografierte so viel wie möglich und verließ Australien schließlich nach etwa dreieinhalb Monaten mit gemischten Gefühlen.
Doch kann ich einen Aufenthalt in Australien oder allgemein „Work and Travel“ letztendlich empfehlen? Ja! Wie ich teilweise schmerzlich feststellen musste, gibt es dabei allerdings mehr zu beachten, als einem möglicherweise lieb ist. Auf Basis meiner Erfahrungen möchte ich euch daher gerne ein paar Tipps mit auf den Weg geben, solltet ihr ein ähnliches Abenteuer ebenfalls antreten wollen:
1. Arbeitet als erstes! Habt ihr einen ordentlichen Job gefunden, schiebt eure durchaus verständliche Reiselust erst einmal zur Seite, denn: Je mehr Geld ihr habt, desto entspannter reist es sich.
2. Seid zur richtigen Zeit am richtigen Ort! Klingt zunächst banal und nach reinem Zufall, lässt sich aber durchaus planen: Die arbeitswilligen Backpacker zieht es mit dem Winter in den Norden. Wer ein breites Jobangebot sucht, sollte also gen Süden reisen. Sydney, Melbourne oder gar Tasmanien (die kleine Insel ganz im Süden Australiens) sind zu dieser Zeit zwar kalt, aber vergleichsweise touristenarm.
3. Reist nicht alleine! Zwar ist die Jobsuche zu zweit nur halb so leicht, aber Erlebnisse zu teilen macht dafür doppelt so viel Spaß. Fliegt ihr alleine ans andere Ende der Welt, dann sucht euch dort einen oder mehrere Reisepartner.
4. Besucht Neuseeland! Ein Flug von Australien zum Nachbarland ist unvorstellbar günstig. Lasst die Gelegenheit nicht verfliegen, dem „Land des Herrn der Ringe“ einen Besuch abzustatten.
Beachtet ihr dies und informiert euch im Vorhinein ausreichend über das Land, könnt ihr Australien in vollen Zügen genießen. Eine weitreichende, größtenteils unberührte Natur, Bekanntschaften für’s Leben und unvergessliche Erlebnisse werden euch für den Mut Deutschland zu verlassen und die harte Arbeit vor Ort belohnen.
In diesem Sinne: Eine gute Reise!
Euer David
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David Neite
Hey Leute! Ich bin David, lese und schreibe gerne, veranstalte Poetry Slams, bin bekennender Fan guter Fantasyliteratur sowie (alter) Videospiele und habe vor, künftig viel zu reisen. Bei all dem könnt ihr mich, solltet ihr daran Interesse haben, hier auf seitenwaelzer begleiten.
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