Gesellschaft und Lifestyle / Meinung

Gott und die Welt – Ich bin (k)eine Kirchenmaus

"Wer gläubig ist, geht in die Kirche." Das denken viele Leute, sobald sie hören, dass ich gläubig bin. Es gibt nur einen Haken: Ich gehe nicht in die Kirche.
| December |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Kirche in einem Parkseitenwaelzer

„Ich bin gläubig, also muss ich auch in die Kirche gehen.“ Das denken viele Leute, sobald sie hören, dass ich gläubig bin. Das denkt sich vermutlich meine Pfarrerin und ich selber denke mir das auch. Es gibt nur einen kleinen Haken an dieser Aussage: Ich gehe nicht in die Kirche. Zuletzt bin ich Heiligabend in der Kirche gewesen und das nur aus Gruppenzwang, davor war ich zwei Jahre lang gar nicht dort. Aber warum ist das so? Und sollte ich das vielleicht ändern?

Gottesdienste finde ich langweilig, oft uninspiriert, ziemlich formalistisch und manchmal auch ganz schön pathetisch. Diese Aussage erwarten viele Menschen vermutlich nicht von einer gläubigen Christin. Für mich macht das allerdings trotzdem Sinn: Ich glaube an Jesus Christus, deshalb definiere ich mich als Christin. Die Kirche und somit auch der Gottesdienst ist der Zusammenschluss mehrer Gläubiger und über die Jahre hinweg wurde hier der Glaube institutionalisiert. Der Gottesdienst läuft nach einem bestimmten Schema ab, in jeder evangelischen Kirche in Deutschland passiert sonntags vormittags ungefähr das Gleiche. Jeden Sonntag, vier Sonntage im Monat, 52 Sonntage im Jahr.

Wenn ich hier alle Punkte aufschreibe, die mich am Gottesdienst stören, dann würde ich vermutlich die Kapazitäten unseres Servers sprengen, deshalb beschränke ich mich hier auf ein einziges ganz wichtiges Argument:

Die ganze Form des Gottesdienstes ist starr und unlebendig. Glaube ist für mich etwas sehr Lebendiges, denn Glaube beinhaltet Hoffnung, Freude, Gemeinschaft, Liebe. Ich fühle mich gerade durch meinen Glauben, durch dieses Feuer, das in mir brennt, besonders lebendig. Der Austausch, den ich mit anderen Gläubigen habe, ist sogar noch lebendiger. Wenn wir in Gemeinschaft sind, fällt mir immer wieder ein Lied ein: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Das bedeutet, Jesus ist unter uns, wenn wir zusammen sind und in seinem Namen Gottesdienst feiern, aber auch, wenn wir bei einem Kaffee zusammen sitzen und über verschiedene Themen unseres Glaubens diskutieren. Und in dieser Gemeinschaft mit anderen Gläubigen spüre ich jedes Mal, dass Gott tatsächlich unter uns ist, dass er, metaphorisch, mit uns im Café sitzt, wenn wir über unseren Glauben diskutieren.

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Aber im Gottesdienst ist von dieser Lebendigkeit, von dem Feuer der Liebe, von der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen und somit mit Gott nichts zu spüren. In den Kirchenbänken sitzen vereinzelt Menschen, möglichst weit voneinander entfernt, um ja nicht in die Verlegenheit zu kommen, ein Lächeln zu teilen. Die Predigten sind oft Mahnung und nicht Ermunterung, klingen in der Leere der riesigen Kirche wie ein erhobener Zeigefinger und haben keinen Bezug zur Lebensrealität der Menschen. Man singt die immergleichen Lieder mit möglichst wenig Innbrunst. Es gibt wunderschöne Lieder in unserem Gesangbuch, die ich noch nie gehört habe, es gibt sogar christliche Popmusik, die kein bisschen cringy ist und davon gibt es ziemlich viel – und trotzdem hört sich der Gesang in der Kirche an, als würde sich die Kirche seit Jahrzehnten in einem sich immer wiederholenden Trauergottesdienst selbst zu Grabe tragen.

Ich weiß, dass es Freikirchen gibt, die sehr viel lebendigere Gemeinden und Gottesdienste haben, aber das ist ein anderes Kapitel. Ich frage mich: was kann ich tun? Kann ich was tun, mich irgendwie engagieren, mich einbringen? Ich finde es schade, etwas aufzugeben, ohne zu versuchen, etwas zu verändern. Um also herauszufinden, ob ich vielleicht doch wieder Freude finden kann am Gottesdienst, habe ich mir vorgenommen, ihn mir wieder genauer anzusehen. Vielleicht gefällt er mir ja inzwischen, vielleicht auch nicht, aber auf jeden Fall weiß ich danach besser, wovon ich rede und was ich kritisiere. Da man ja bekanntlich am Anfang des Jahres mehr Motivation hat, lange aufgeschobene Projekte anzugehen, habe ich mir für diesen Monat Folgendes vorgenommen: Ich werde vier Mal den Gottesdienst besuchen. Danach berichte ich euch natürlich von meinen Erkenntnissen.

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Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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