Bildung und Karriere / Studium

Stipendium im Studium – Erfahrungen aus dem Bewerbungsprozess

Die Finanzierung spielt in jedem Studium eine entscheidende Rolle und die Lösung kann ein Stipendium sein. Joshua berichtet von seinem Bewerbungsprozess.
| Joshua Sans |

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Mann am LaptopBuro Millennial | Pexels

Mit der Bewerbung sollte man frühzeitig anfangen (Symbolbild)

Ein Thema, das für die meisten Studierenden im Alltag eine wichtige Rolle spielt, ist zweifelsfrei die Finanzierung eben jenes Alltags. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, sich als Studierende*r zu finanzieren bzw. finanzieren zu lassen. Wenn das Geld auf dem Konto nicht gerade von den eigenen Eltern oder anderen großzügigen Spender*innen kommt und nicht zurückgezahlt werden muss, kann sich die Finanzierung maßgeblich auf den Studienverlauf bzw. die Zeit nach dem Studium auswirken. Wer neben der Uni viel arbeitet, muss gegebenenfalls in den Kauf nehmen, dass sich das Studium in die Länge zieht. Wer BAföG bezieht oder einen Studienkredit aufnimmt, kann sich zwar leichter auf das Studium konzentrieren, wird aber nach dem Abschluss Teile der Summe oder das gesamte geliehene Geld zurückzahlen müssen.

Es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten der Studiums Finanzierung, die in einigen Fällen sogar wesentlich mehr bietet als bloß die finanzielle Unterstützung. Die Rede ist von Studienstipendien. Es gibt zahlreiche Organisationen und Stiftungen, deren Stipendien sich sowohl in der Art als auch dem Umfang der Förderung stark unterscheiden. So gibt es Stipendien, die nur Studierende eines bestimmten Fachbereichs fördern, Stipendien die Studierende fördern, die bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, und Stipendien, die besonders gesellschaftlich engagierte Studierende fördern. Einen ersten Überblick bieten Internetseiten wie stipendienlotse.de, ein Angebot des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Während meines andauernden Studiums an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster habe ich kaum Studierende getroffen, die durch ein Stipendium gefördert werden oder eine Bewerbung in Erwägung ziehen. Dabei klingen die Angebote vieler Stipendien zu verlockend, um es nicht wenigstens einmal mit einer Bewerbung zu versuchen. Oft hängt die Stipendiums-Verdrossenheit mit der Einschätzung zusammen, dass Stipendien nur an die Besten der Besten vergeben würden und der eigene Notendurchschnitt zu schlecht sei. Dass es aber nicht unbedingt der 1,0er Schnitt sein muss, der die Tür zur Studienförderung öffnet, beweist die hohe Anzahl der Stiftungen und Organisationen, die neben guten Leistungen in der Uni auch das gesellschaftliche Engagement in ihre Beurteilung einbeziehen. Ein zweiter Grund für die vergleichsweise geringe Zahl von Studierenden, die sich für ein Stipendium bewerben, ist das umfangreiche und oft langwierige Bewerbungsverfahren, das man vor einer eventuellen Förderung durchlaufen muss.

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Um allen Studierenden, die mit dem Gedanken spielen, sich selbst für ein Stipendium zu bewerben, die Angst vor der Bewerbung zu nehmen, möchte ich in diesem Artikel über meine Erfahrungen im Bewerbungsprozess für ein Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) berichten. Die Heinrich-Böll-Stiftung ist eines der 13 Begabtenförderungswerke, die es in Deutschland gibt. Das bedeutet, dass die Studienförderung durch die Stiftung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert wird. Die 13 Begabtenförderungswerke sollen dabei die Vielfalt der deutschen Gesellschaft widerspiegeln, heißt es auf der Internetseite des Bundesministeriums. Daher werden einige der Begabtenförderungswerke auch als „parteinah“ bezeichnet. Die HBS steht zum Beispiel der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahe.

Die Motivation für eine Bewerbung kam in erster Linie aus finanziellen Gründen. Erst während der Recherche nach geeigneten Stipendien wurde ich auf das breite Angebot der ideellen Förderung aufmerksam. Wie die HBS auch, haben es sich viele Stiftungen und Organisationen zur Aufgabe gemacht, ihre StipendiatInnen mit Workshops, Seminaren und Schulungen auch geistig zu fördern und zu fordern. Dabei hat mich bei der Heinrich-Böll-Stiftung vor allem ein Stipendium interessiert, das speziell für Studierende ausgelegt ist, die später gerne mal eine journalistische Tätigkeit ausüben würden.

Ist das richtige Stipendium gefunden, kann es auch schon mit der Bewerbung losgehen. Man sollte unbedingt auf besondere Fristen achten, da man sonst gegebenenfalls mit der Bewerbung bis zum nächsten Semester warten muss. Auch ein Fachwechsel oder die Anzahl der bereits absolvierten Semester können sich auf die Zulassungsvoraussetzungen auswirken. Die Informationen zu Fristen und Voraussetzungen finden sich auch auf der Internetseite des jeweiligen Begabtenförderungswerks.

Nachdem ich mich über alle Schritte des Bewerbungsprozesses informiert hatte, konnte ich gleich mit dem ersten und umfangreichsten Schritt loslegen. Dieser bestand daraus, einen Bewerbungsbogen auszufüllen und zusammen mit einigen Dokumenten in ein Bewerbungsportal hochzuladen. Der Bewerbungsbogen bestand aus einfachen Fragen zum familiären Hintergrund, der bisherigen Ausbildungslaufbahn und dem gesellschaftlichen Engagement. Während diese Fragen schnell zu beantworten waren, musste ich mir für die Beantwortung der offenen Fragestellungen etwas mehr Zeit nehmen. Es wurde alles von der Motivation und Planung zum Studium, über Tätigkeiten außerhalb der Universität bis hin zur persönlichen Einschätzung der Eignung für ein Stipendium abgefragt. So saß ich an meinem Schreibtisch und habe versucht, mich in ein gutes Licht zu schreiben, ohne dabei zu überheblich und selbsteingenommen zu wirken. Gar nicht mal so einfach.

Sobald man den ersten Schritt der Bewerbung erfolgreich absolviert hat, heißt es warten. Das ist der wohl zermürbendste Part des ganzen Bewerbungsprozesses. Je länger das Warten, desto größer die Freude bzw. die Enttäuschung über das Ergebnis. Etwas über einen Monat hat es gedauert, bis die Einladung zur zweiten Bewerbungsetappe in meinem Email Postfach eintrudelte.

Im zweiten Teil der Bewerbung stand ein Gespräch mit einer/einem der Vertrauensdozent*innen der Stiftung auf dem Plan. Da meine Gesprächspartnerin mehrere hundert Kilometer von mir entfernt wohnte, mussten wir auf ein Telefoninterview bei Skype zurückgreifen. In dem Gespräch ging es hauptsächlich um meine Angaben in dem Bewerbungsbogen aus der ersten Etappe. Wiedermal galt es, den Spagat zwischen gelungener Selbstdarstellung und anstrengender Arroganz zu finden. Neben den Fragen, die die Vertrauensdozentin mir stellte, redeten wir über dieses und jenes. Angenehm überrascht von der lockeren Atmosphäre des Gesprächs ging ich mit einem guten Gefühl aus der zweiten Auswahletappe. Trotz guten Gefühls schlich sich mit steigender Wartezeit eine gewisse Anspannung ein.

Das positive Ergebnis der zweiten Auswahletappe erhielt ich dann wieder ca. einen Monat später. Mit einem breiten Grinsen las ich, dass es dieses Mal direkt zur Heinrich-Böll-Stiftung nach Berlin gehen sollte. Verschwitzt nach einem anstrengenden Training in der Umkleidekabine sitzend, wich die Anspannung einem Anfall überschwänglicher Freude. Also buchte ich mein Zugticket, ein Bett in einem Hostel und versuchte mich in den nächsten Wochen, auf die dritte Etappe vorzubereiten. Ich wusste bereits vorher, dass es an dem Tag des Auswahlworkshops eine Gruppendiskussion zu einem aktuellen politischen Thema und ein Einzelinterview vor einer Auswahlkommission geben würde. Also las ich vermehrt Zeitung und versuchte mich, vor allem über aktuelle politische Ereignisse auf dem Laufenden zu halten.

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In Berlin angekommen, machte ich mich zuerst mit meinem Zimmer im Hostel vertraut. Meine Zimmergenossen taten mir etwas leid, da ich meinen Wecker auf 6:30 (samstags) stellen musste, um pünktlich bei der HBS erscheinen zu können. Meine Sorgen stellten sich allerdings als unbegründet heraus, da ein anderer Gast aus meinem Zimmer seinen Wecker auf 6:00 stellte und sich dazu entschied, ihn für geschlagene 20 Minuten klingeln zu lassen. Ich musste jedoch feststellen, dass mich der Zorn über die Rücksichtlosigkeit meines Bettnachbarn angenehm schnell wach werden ließ. An dieser Stelle möchte ich daher meinem exorbitant laut schnarchenden und Wecker-zu-lang-klingeln-lassenden Zimmergenossen danken!

Durch Zorn und Billig-Orangensaft vom Frühstücksbuffet gestärkt, machte ich mich auf den Weg zur Heinrich-Böll-Stiftung. Dort ging es dann sofort mit der Einteilung aller Anwesenden in die Gruppen für die Diskussionsrunde los. Das aktuelle politische Thema war eine Aktion des Zentrums für politische Schönheit, die im vergangenen Jahr für sehr viel Aufsehen gesorgt hatte. Die Auswahlkommission beobachtete uns lediglich, die Organisation und Moderation der Diskussion lag bei uns, den Diskutierenden. Wie es in solchen gestellten Gruppendiskussionen üblich ist, versuchte jede*r, möglichst oft möglichst geistreiche Beiträge zum Gespräch beizutragen. Nach der Diskussion hatten wir Zeit, uns untereinander etwas kennenzulernen und gemeinsam auf die Einzelgespräche zu warten. Auffällig positiv war es, wie nett und hilfsbereit alle untereinander waren.

Ich war als Zweiter an der Reihe und war auf ein schwieriges, aber freundliches Gespräch eingestellt. Jedes Mitglied der Auswahlkommission hatte meine Bewerbungsunterlagen inklusive des Gutachtens meiner Vertrauensdozentin vor dem Gespräch gelesen und auf Basis des gesamten Materials Fragen vorformuliert. Das führte dazu, dass das Interview eher einem Kreuzverhör glich als einer netten Gesprächsrunde. Die Fragen reichten von meinen Hobbies über den spanischen Bürgerkrieg bis hin zu meinen Reformvorschlag für Hartz IV. Wahrscheinlich war es gewollter Teil des Interviews, die Bewerber*innen durch die schnellen Themenwechsel und die hohe Frequenz von Fragen aus dem Konzept zu bringen, ich hätte mir allerdings eine entspanntere Atmosphäre, ähnlich wie der in der zweiten Auswahletappe, gewünscht. Leider sollte sich die gesamte halbe Stunde, die das Gespräch dauerte, nichts an der Gesprächssituation ändern. Daher ging ich mit einem eher schlechten Gefühl aus dem Interview. Mein Verdacht bestätigte sich dann nach fünf Tagen quälenden Wartens, die mir vorkamen wie eine Ewigkeit.

Jede*r, die/der mit dem Gedanken spielt, es selbst einmal mit einer Bewerbung zu versuchen, sollte es auf jeden Fall tun. Außer ein paar Nerven gibt es nichts zu verlieren und auch, wenn ich das Stipendium am Ende leider nicht bekommen habe, habe ich doch ein paar wichtige Erfahrungen mitnehmen können, die mir mit Sicherheit bei späteren Bewerbungen zu Gute kommen. Als Tipp kann ich allen Interessierten nur sagen, dass man sich nicht verstellen sollte und sich vor dem letzten Gespräch nochmal intensiv mit seinem eigenen Bewerbungsmaterial auseinandersetzen sollte. Sollte man den Abend vor dem Gespräch in einem Hostel schlafen, kann es außerdem nicht schaden, Oropax dabei zu haben!

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Joshua Sans

Während meines Politik- und Islamwissenschaftsstudium arbeite ich nebenbei daran, aus dem Interesse am Schreiben Kapital zu schlagen, um so die Leiden der Lohnabhängigkeit etwas erträglicher zu machen. Neben pseudointellektueller Kapitalismuskritik interessiere ich mich vor allem für Sprachen, politische Theorie und Musik in (fast) all ihren Erscheinungsformen.

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