Abi - und dann? / Interview

Teacher Mila in Tansania

Mila geht für zwei Monate nach Tansania, um sich dort in einem Freiwilligenprojekt zu engagieren. Dabei hat sie einiges gelernt.
| Felicia Holtkamp |

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Mila Macrander

Als die Bocholterin Mila Macrander im Jahr 2020 am Mariengymnasium Abitur macht, sind ihre eigentlichen Pläne in dieser Form nicht mehr umsetzbar. „Ich wusste auf jeden Fall, dass ich mir nach dem Abi erstmal ein GAP Year nehme“, erzählt Mila. Obwohl die Pandemie Aufenthalte im Ausland erschwert, hält sie an ihrem Wunsch fest. „Ursprünglich hatte ich immer gedacht, dass ich nach Australien gehe, aber mit Corona wurde mit relativ schnell klar, dass das nichts wird“, berichtet Mila. Also sucht sie nach Alternativen und macht unter anderem eine Sprachreise nach Paris.

Schließlich erfährt Mila von einer Freundin von der Organisation Projects Abroad, die Freiwilligenprojekte unter anderem in Südamerika, Kenia, Südafrika und Tansania anbietet. Milas Entschluss steht schnell fest. „Von den Ländern, die zur Auswahl standen, habe ich mir dann Tansania ausgesucht“, sagt Mila. „Ich wollte schon immer mal nach Afrika und insbesondere Ostafrika, um zu erleben, wie es dort so ist“. Tansania ist das fünftbevölkerungsreichste Land Afrikas mit der Hauptstadt Dodoma. Seine Unabhängigkeit von Großbritannien erlangte es 1961.

Nachdem Mila sich bei Projects Abroad gemeldet hat, wird ihr mit der Organisation des Auslandsaufenthalts geholfen. Anfang April bucht Mila einen Flug von Amsterdam zum Kilimandscharo Airport. „Für das Freiwilligenprojekt musste ich mehrere Formulare wie Motivationsschreiben, Lebenslauf, polizeiliches Führungszeugnis und ein Empfehlungsschreiben abgeben“, erzählt Mila „So wurde geprüft, ob ich von der Persönlichkeit her ins Projekt passe“. Auch um Impfungen wie die Hepatitis A Impfung muss sich die damals 18-jährige kümmern. Zudem muss Mila täglich eine Anti-Malaria-Tablette nehmen. Die Tabletten werden empfohlen, wenn man länger als vier Wochen in einem Malariagebiet ist. Auch wenn Tansania kein Risikogebiet ist, wird die Einnahme trotzdem befürwortet für den Fall weiterer Reisen durch Ostafrika. „Dann musste ich nur noch packen“, erzählt Mila und reist am 16. April nach Tansania. 

Ankunft in Tansania

„Ich hatte vor dem Abflug nicht viel Zeit, aufgeregt zu sein“, erinnert sich Mila, „aber als ich im Flieger saß und es dann wirklich echt war, dass ich fliege, wurde ich aufgeregt“. Als Mila um 19:00 landet, ist es schon stockdunkel. Sie wird zu ihrer Gastfamilie gebracht und lernt das Ehepaar kennen, das sie in den nächsten Wochen aufnehmen wird. „Das Englisch meiner Gastfamilie war besonders gut, weil sie seit Jahren mit Leuten aus anderen Ländern Kontakt haben“, erzählt Mila. Neben dem Ehepaar leben auch noch zwei ihrer Enkelkinder, sowie zwei Mädchen für den Haushalt und mehrere Freiwillige in dem Haus. Die Bocholterin teilt sich ein Zimmer mit einer Freiwilligen aus Dänemark, die beim gleichen Projekt wie sie selbst teilnimmt. „Wir waren also den ganzen Tag zusammen: Wir haben zusammen das Projekt gemacht, kamen zusammen nach Hause und wir haben uns super verstanden“, sagt Mila. Die anderen Freiwilligen, die mit Mila in der Gastfamilie wohnen, kommen aus Belgien, Kamerun und den USA. „Weil die Familie so herzlich war, war es echt einfach, sich dort wohl und zu Hause zu fühlen“, berichtet Mila. 

Die 19-jährige wohnt in der Stadt Arusha und somit zwei Stunden Autofahrt vom Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas, entfernt. „Im Idealfall hätte man den Kilimandscharo auch von Arusha aus sehen können. Aber weil ich in der Regenzeit da war, war es immer zu bewölkt“, erzählt Mila. Während ihres Aufenthaltes regnet es viel bei Temperaturen von 21 oder 22 Grad. „Nachts konnte man kaum schlafen, weil der Regen so laut war und die nicht asphaltierten Straßen waren überflutet und matschig“. 

Mila Macrander Mila arbeitet in einer Kindertagesstätte

Mila arbeitet montags bis freitags von 8:15 bis 13:00 in dem Freiwilligenprojekt Child Care, einer Kindertagesstätte für Zwei- bis Vierjährige. „Da habe ich ein bisschen Englisch unterrichtet vor allem Grundlagen wie Körperteile, Farben, aber auch Buchstaben und Zahlen“, sagt Mila. Wie auch in deutschen Kindergärten werden Lieder gesungen und Spiele gespielt, aber eben auf Englisch. „Weil es kleine Kinder sind, ist es viel einfacher ein bisschen Englisch und Schreiben ohne Vorkenntnisse vom Unterrichten beizubringen“, erzählt Mila. Die Lehrer*innen vor Ort haben Mila eingewiesen und auch übersetzt, wenn die Kinder Swahili, die Landessprache Tansanias, gesprochen haben. Neben den beiden Amtssprachen Swahili und English werden noch weitere 125 verschiedene Sprachen gesprochen. 
„Manchmal war es auch echt anstrengend mit den ganzen Kindern“, bemerkt Mila, denn die 30 Zwei- bis Vierjährigen können auch sehr laut sein. Trotzdem haben Mila in Tansania am meisten die Kinder in ihrem Freiwilligenprojekt fasziniert, weil sie sich immer so gefreut haben sie zu sehen. „Wenn ich morgens zur Schule gegangen bin, kamen die Kinder direkt angerannt, haben mich umarmt und mich „Teacher Mila“ genannt“, erzählt Mila liebevoll.

Freizeitaktivitäten in und um Arusha

In ihrer Freizeit erkundet Mila die Gegend in und um Arusha. „Wir sind den Kilimandscharo ein Stückweit hochgewandert und waren auch auf Safari, das ist dort quasi Pflicht“, schwärmt die Bocholterin. Auf Safari sieht Mila die sogenannten Big Five also die „Großen Fünf“ Tiere: Elefant, Löwe, Nashorn, Büffel und Leopard. Der Begriff wurde vornehmlich von Großwildjäger*innen verwendet und bezog sich auf die Schwierigkeiten und Gefahren bei der Jagd auf die Tiere. 

Mila Macrander Auf Safari

„In Arusha gibt es viele Cafés, in denen man Kaffee trinken kann“, berichtet Mila „In vielen Restaurants gab es Pommes und Burger – also sehr amerikanisch“. Wenn Mila in die Innenstadt fährt, nimmt sie ein Pikipiki, das sind Motorräder, auf die man sich hinten draufsetzt und mitgenommen wird. „Die stehen überall in Gruppen am Straßenrand und man muss nur in deren Nähe sein, dann wird man schon gefragt, wohin man will“, erinnert sich die nun 19-jährige. Von dem Haus ihrer Gastfamilie in die Innenstadt ist es eine Strecke von sechs Kilometern. Mila zahlt umgerechnet 1€, um mit dem Pikipiki gefahren zu werden. „Das billigste Verkehrsmittel, was die Einheimischen vornehmlich benutzen, sind die Dalladallas. Das sind kleine Busse, in denen zwölf Menschen sitzen können, aber die werden meistens mit 25 Menschen vollgepackt“, erzählt Mila. Die Bocholterin lernt schnell, dass bei den Fahrten erwartet wird, über viele Preise selbst zu verhandeln. „Die denken natürlich, dass wir als Touristen keine Ahnung davon haben“, merkt Mila an.

Unterschiede zwischen Deutschland und Tansania

Während Milas Zeit in Tansania bemerkt sie viele Unterschiede zwischen den Menschen dort und denen im weit entfernten Deutschland. „In Tansania wird man auf den Straßen immer angesprochen und die suchen immer irgendwie Kontakt zu einem, weil sie interessiert daran sind, woher man kommt“, erzählt Mila. Den Tansaniern fällt ihre helle Haut und die blonden Haare sofort auf, weshalb Mila häufig angesprochen wird. Dennoch macht sie kaum negative Erfahrungen, denn „echt alle Menschen auf der Straße waren super offen und herzlich“.

Zudem geht das Land auch ganz anders mit dem SARS-CoV-2 Virus um als die Pandemie in Deutschland behandelt wird. Während in Kenia, einem Nachbarland Tansanias, eine strenge Maskenpflicht herrscht, sind Mund-Nase-Bedeckungen in Tansania nirgendwo zu sehen. „Die Leute vor Ort haben selbst gesagt, dass sie keinen Lockdown machen können, weil die Menschen kein Geld gespart haben und von dem leben, was sie tagtäglich verdienen“, erklärt die 19-Jährige. Die genaue Menge von Corona Infektionen und somit auch die landesweite Inzidenz ist unbekannt, da die Regierung keine offiziellen Zahlen veröffentlicht. „Für die Menschen in Tansania ist Corona nicht so ein Thema wie für uns hier. Die haben andere Sorgen“, sagt Mila. Zu Beginn ist es noch sehr ungewohnt für sie weder Abstand noch Maskenpflicht einzuhalten. „Ich dachte mir schon, dass ich mich infizieren würde und hatte ein bisschen Sorge, nicht mehr sicher zu sein“, erinnert sich Mila. Doch sie gewöhnt sich schnell wieder an die alte Normalität.  

Mila Macrander Räumlichkeiten der Child Care

Obwohl Mila meistens sehr positive Erfahrungen gemacht hat in dem unbekannten Land, gab es einen Vorfall, der ihr im Gedächtnis geblieben ist. „Eine Freundin und ich sind am Rand einer Straße gelaufen, als von hinten ein Mann auf einem Motorrad kam und meiner Freundin ihre Handtasche weggerissen hat“, erzählt Mila. Es entsteht ein Gerangel um die Tasche, bis der Mann schließlich aufgibt und weiterfährt. „Das war der einzige Moment, in dem ich schockiert war“, stellt Mila fest. „Ich habe mich so schnell so sicher in diesem Land gefühlt, was man vielleicht gar nicht so erwartet, aber ich hatte eigentlich gar keine Bedenken um meine Sicherheit. Und dann ist das halt passiert am helllichten Tag“. Im Endeffekt ist Mila erleichtert, dass die Situation gut ausgegangen ist, doch die Erinnerung bleibt. 

Der Rückflug und das ,,danach“

Die Bocholterin ist insgesamt für sechs Wochen in Tansania. „Am Ende bin ich selbstständig mit Freundinnen nach Sansibar für vier Tage gereist“, erzählt Mila. Dort ist es ruhiger als in der Großstadt Arusha. Sansibar ist ein halbautonomer Teilstaat Tansanias und besteht aus zwei Hauptinseln, die vor der Küste des Festlandes im indischen Ozean liegen. Auf der Insel machen Mila und ihre Freundinnen weitere Safaris und schwimmen sogar mit Delfinen.

Am 25. Mai fliegt Mila von Sansibar mit einem Direktflug zurück nach Amsterdam, wo sie von ihrer Familie empfangen wird. 

Rückblickend hat Mila Zeit, die zahlreichen Erlebnisse und neuen Erfahrungen zu verarbeiten. Die Bocholterin hat viel dazugelernt und kann einiges aus ihrem Auslandsaufenthalt mitnehmen. „Die Menschen dort sind glücklicher mit viel weniger als wir in Deutschland und auch viel herzlicher“, erinnert sich Mila. „Die Kinder im Freiwilligenprojekt haben mich viel gelehrt und auch die Herausforderungen haben mich geprägt, weil ich gesehen habe, dass ich auch diese meistern kann“. Vor ihrer Reise hatte Mila gewisse Bilder von afrikanischen Ländern im Kopf, doch die Realität ist ganz anders als erwartet und sie wird positiv von dem Land und seinen Einwohner*innen überrascht. „Ich nehme mit, spontan zu sein und einfach ins kalte Wasser zu springen, weil ich nie damit gerechnet hätte, nach Afrika zu gehen“, sagt Mila. Das Land Tansania war für die 19-Jährige eine völlig fremde Vorstellung und ohne Corona wäre sie auch nie dort hingegangen. „Ich bin sehr froh, dass ich in Tansania war“, stellt Mila fest „einfach eine ganz andere Kultur als unsere, eine ganz andere Art des Lebens kennenzulernen“. Wenn sie jetzt Fotos von ihrem Auslandsaufenthalt sieht, vermisst sie die Zeit dort. „Eigentlich würde ich gerne nochmal zurückgehen und die Leute, die ich kennengelernt habe, besuchen, denn an sie denke ich oft zurück“.

Mila Macrander Mila auf Safari

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