Anzeige / Gesellschaft und Lifestyle / Kultur und Medien

Warum Menstruation uns alle angeht

Ja, auch dich
| Amelie Haupt |

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Ruby Cup

Liebe nicht-menstruierende LeserInnen,
wir müssen mit euch über Menstruation reden, weil das Thema auch euch betrifft.

Liebe menstruierende Leserinnen,
lasst uns über Alternativen zu Tampons und Binden reden, weil wir damit unsere Welt besser machen können.

Eigentlich sollte dies ein ganz normaler Artikel über ein Produkt werden, dass ich testen durfte: Eine Beschreibung des Produkts, Pro und Contra und ein Dank an die kooperierende Firma.
Aber das würde in diesem Fall nicht reichen, weil das Produkt die ganze Welt betrifft und dennoch ein Tabu-Thema ist.
In meiner bunten Friede-Freude-Eierkuchen-Welt dachte ich, dass wir mittlerweile 2017 haben und dass ein so profanes Thema, wie die Menstruation, kein großes Ding mehr sein sollte. Ich habe mich geirrt…

Die Anwendung

Aber klären wir erstmal über welches Produkt wir reden. Menstruationscups, auch Menstruationstassen genannt, sind eine nachhaltige Alternative zu Binde und Tampon und, obwohl es sie schon seit über 70 Jahren gibt, wurden sie erst in den letzten Jahren populär.

Ich war neugierig auf diese Neuerscheinung und schrieb die Firma RubyCup an, die mir freundlicherweise ein Exemplar zuschickte. Vielen Dank!
Das Paket kam an und ausnahmsweise freute ich mich schon darauf meine Tage zu bekommen.

image-8191

„Puh, das ist aber ganz schön groß!“, war mein erster Gedanke, als ich den Cup in der Hand hielt. Ich spielte ein wenig mit dem Silikonförmchen und stellte fest, dass es sich gut biegen ließ und schmal gedrückt werden konnte. „Na gut, das wird schon gehen.“ Eine Freundin hatte mir gesagt, dass man den Cup auch außerhalb der Menstruationsphase testen könne und das tat ich dann.
Der erste Probelauf war ein ganz schönes Gefrickel. Der gefaltete Cup sprang immer wieder in seine Form zurück und ich fragte mich, welche Körperhaltung ich annehmen sollte um die Tasse einzuführen, wenn ich noch nicht Yoga-Meisterin Stufe fünf erreicht habe. Irgendwann war der Cup drin, rutschte ohne mein Zutun noch weiter hoch und plötzlich spürte ich die Tasse nicht mehr. Kein unangenehmes Stechen, nicht einmal bei ausgiebigem Hüftkreisen. „Krass“, dachte ich „der sitzt ja tatsächlich wie angegossen.“

Nach ein paar Stunden des komfortablen Tragens, stand nun die zweite Probe auf der Liste: das Herausziehen. Der Einfachheit halber stellte ich mich dafür unter die Dusche, um mehr Bewegungsraum zu haben. Ich taste nach dem kurzen Stiel, der mir schon beim ersten Betrachten verdammt kurz vorgekommen war und … fand ihn nicht. „Fuck!“, entfuhr es mir leise. „Naja, aber irgendwo muss das ja hingerutscht sein. Mein Körper ist schließlich kein Bermuda-Dreieck!“ Endlich fand ich das Stielchen und versuchte daran zu ziehen, aber ich konnte es nicht richtig fassen und rutschte immer wieder ab. Ich probierte sämtliche Körperhaltungen aus, bei denen ich nicht drohte umzukippen, und irgendwie mehr vom Cup zu fassen bekam. Ich bekam kurz Panik und schwor mir, nie wieder etwas in meine Vagina zu stecken ohne vorher gründlich die Gebrauchsanweisung zu lesen. „Yes, geschafft!“ Irgendwie gelang es mir dann doch das Ding herauszubekommen und ich setzte mich erstmal erschöpft hin. „Also so ganz ideal ist das ja nicht…“, dachte ich bei mir.

„Haha! Du musst deinen Beckenboden absenken und dann mit einem Finger die Wand der Tasse eindrücken, damit sich das Vakuum löst!“, erklärte mir Viktoria lachend, nachdem ich ihr von meiner Kung-Fu-Situation mit mir selbst und dem Objekt in meinem Intimbereich in der Dusche erzählt habe.
„Mh, ja das macht irgendwie Sinn“, murmele ich und stelle später fest, dass es genau so in der Gebrauchsanleitung steht und es sogar ein Video dazu gibt.

Die Vorteile

Trotz dieser beschwerlichen ersten Probe war ich gewillt, den Cup bei der nächsten Periode richtig zu testen, denn die Vorteile überzeugten mich sehr. Sicherlich wird es noch ein wenig Übung brauchen, bis die Anwendung reibungslos funktioniert, aber der Nutzen überwiegt ganz klar!

Besser für die Umwelt

Kinder, was wir für einen Müll produzieren mit diesen ganzen Hygieneprodukten! Jährlich werden weltweit rund 45 Milliarden Tampons und Binden verbraucht und auf Grund der Plastikbestandteile benötigt der Müll rund 500 Jahre zum Kompostieren.

Besser für den Körper

Da das Silikon keine Feuchtigkeit absorbiert, wie der Tampon es tut, trocknen die Schleimhäute nicht aus und es belastet den Körper nicht mit chemischen Inhalten.

Besser für den Geldbeutel

Normalerweise halten die Menstruationstassen bis zu 10 Jahre und sparen somit die Ausgaben von durschnittlich 2.000  Binden und Tampons.

Besser für das Tragegefühl

Tampons sind anfangs recht starr und passen sich nicht so gut dem Körper an. Außerdem müssen sie alle paar Stunden gewechselt werden. Den Cup kann man bis zu 12 Stunden drin lassen ohne ihn überhaupt zu spüren. Das fand ich schon sehr praktisch.

 

Die Nachteile

Nun ja, wie ich schon ausführlich geschildert habe, ist es anfangs nicht so einfach, die Falttechnik und das Herausnehmen zu meistern. Aber das ist reine Übungssache und irgendwann geht das ganz fix.
Ein eher unschöner Aspekt, an den ich mich aber hoffentlich ebenfalls gewöhne, ist das Blut.
Ja klar, wenn man Binden und Tampons benutzt, dann ist da auch Blut. Aber das ist dann von der Watte aufgesogen und nicht mehr so frisch und leuchtend rot. „Holy Shit! Damit könnte man ja nen Kettensägenmassaker-Horrorfilm drehen, so viel Blut ist das!“, dachte ich mir, als ich das erste Mal den benutzten Cup aus mir herauszog und mir wurde kurz Übel, weil ich generell eine Memme bin, wenn es um Blut und Spritzen geht.

Das Tabu

Eigentlich ist die Menstruation kein richtiges Tabu-Thema mehr in Deutschland. Im Gegensatz zu einigen afrikanischen Ländern (dazu später mehr) sind wir über unsere Menstruation aufgeklärt und können offen über dieses Thema reden – theoretisch. Praktisch ist da irgendwie immer noch eine Hemmschwelle und erwachsene (!) Frauen benutzen verniedlichende Namen, wie „Erdbeerwoche“ oder „Maler im Haus haben“. Dafuq? Menstruation hat nun wirklich nichts mit Erdbeeren oder Bildchen malen zu tun und ich verstehe einfach nicht, warum dieser unangenehme biologische Prozess dermaßen heruntergespielt und verschleiert wird.
Wann immer ich das Thema vor männlichen Zuhörern zur Sprache bringe, sind die meisten Reaktionen Ekel und ein genervtes Augenrollen.

Dieser abwertende Umgang mit dem natürlichen Fruchtbarkeitsprozess meines Körpers, der dieser Gesellschaft mal irgendwann die sehnlichst gewünschten Kinder aus gutem AkademikerInnen-Haus schenken soll, hat dazu geführt, dass ich mich ebenfalls vor meiner Menstruation ekelte.

Als ich nämlich nach meiner ersten Periode mit dem Ruby Cup die Hygieneanweisung befolgen wollte, starrte ich minutenlang auf die im kochenden Wasser schwimmende Menstruationstasse. „Aus dem Topf esse ich doch sonst“, dachte ich mir. Klar, ich hatte den Cup schon vorher sorgfältig mit Wasser gereinigt, also sah er wieder komplett aus wie neu. Kein Blut oder Gewebe hingen noch dran und nun kochte ich ihn ab, um ihn zu sterilisieren.
Auch mein Mitbewohner schaute skeptisch auf die Silikontasse, die im Sprudel des Wassers auf und ab tanzte. „Mh, lecker… aus dem Topf essen wir dann wohl nicht mehr. Haha!“
„Was für ein Unsinn eigentlich?! Ich meine… Ich koche die Tasse ab, um sie später wieder in meine Vagina einzuführen ohne krank zu werden, dann sollten wir keinen Ekel vor dem ebenfalls abgekochten und gespülten Topf haben.“ Aber ich konnte ihn absolut verstehen, weil ich mich ja selbst ein wenig ekelte, obwohl es absolut keinen rationalen Grund gab. Ich kramte in meinem Kopf im Psychologie-Fundus und erklärte mir meinen irrationalen Ekel damit, dass dieser permanent negative oder verschleiernde Umgang mit der Menstruation wohl dazu geführt hat, dass ich diese harte Realität von Blut und Schleimhautgewebe ekelig statt natürlich finde. Der Cup war schließlich kein Werbeprodukt, das mit ein paar Spritzern blauen Wassers benetzt wurde. Der Cup war IN meinem Körper drin. Da wo Blut und Schleim stecken, der anatomische Schauplatz von Sex liegt und später einmal ein schrumpeliges Kind durchgeschoben wird. Klar ist das irgendwie nicht appetitlich. Doch ich sehe ich darin eine Doppelmoral, schließlich redet meine Generation vom Sperma-Schlucken, Analverkehr und Fäkalpornos. Und wer frei von Sünde ist, der werfe den ersten Stein…

Warum betrifft es auch Männer?

Ich hoffe sehr, dass ich auch männliche Leser gewinnen konnte, denn Menstruation geht nicht nur Frauen etwas an, sondern unsere ganze Gesellschaft. Wenn du nicht gerade als katholischer Mönch in einer Priesterschule lebst, dann hast du vermutlich Frauen in deiner Umgebung, die gelegentlich menstruieren. Statistisch gesehen haben JETZT gerade rund 300 Millionen Frauen auf der Welt ihre Periode. Auch wenn du also selbst nicht menstruieren solltest, dann bist du dennoch umgeben von unzähligen Menschen, die es tun. Sie sind deine Mütter, Schwestern, Freundinnen, Kolleginnen, Vorgesetzen, Lehrerinnen oder Drogendealerinnen. Die Menstruation und ihre Folgen sind ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft und wir müssen uns auf globaler Ebene damit beschäftigen.
„Was geht mich diese Bluterei an?“, magst du dir nun vielleicht denken. Doch wenn jeder nur vor seiner eigenen Haustür kehrt, wie soll sich unsere Gesellschaft dann entwickeln?

Die Menstruation wirft einige Probleme auf, die uns alle etwas angehen, damit wir als Gesellschaft Lösungen entwickeln, die uns allen zugute kommen.

„Welchen Schaden richtet der Plastikmüll an? Wie können wir den Verpackungsmüll reduzieren?“

„Fühlt es sich fair an, Hygieneprodukte als Luxusware zu besteuern?“

„Wie behandeln wir das Thema Menstruation in der Bildung und Erziehung unserer Kinder?“

„Wie können wir bei der Enttabuisierung mitwirken? Nicht nur in unserem Land, sondern auch in anderen Ländern?“
Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Bildung, Konsum und Solidarität sind Themen, die uns alle was angehen ganz gleich, ob du Männchen, Weibchen oder Einhorn bist.

RubyCup – ein social start-up

„Studien zeigen, dass Mädchen in Kenia etwa 20% des Unterrichts auf Grund ihrer Regel versäumen. Wenn sie ihre Menstruation bekommen, bleiben sie von der Schule fern, weil sie Angst haben, auf ihre Schuluniform durchzubluten. Diese Abwesenheit führt oft dazu, dass die Mädchen ganz aus der Schule aussteigen müssen.“ (RubyCup)

Viele Mädchen können sich nämlich keine Hygieneartikel leisten und greifen deswegen behelfsmäßig auf Zeitungspapier, Lehm oder Wolle zurück. Dadurch besteht ein hohes Infektionsrisiko und der Gebrauch ist unkomfortabel. Auch Prostitution, um sich die nötigen Produkte zu leisten, ist nicht unüblich.

Maxie Matthiessen, Veronica D’Souza und Julie Weigaard-Kjaer wollten sich diesem gravierenden Mangel an Hygiene und den daraus resultierenden Folgen annehmen und gründeten das soziale Start-up RubyCup. Die Idee: Für jeden gekauften Cup, wird ein weiterer einem Mädchen in Afrika geschenkt. Die visionären Gründerinnen sind der Ansicht, dass Entwicklungshilfe und Wirtschaftlichkeit sich nicht aussschließen. „Je besser es unserem Unternehmen geht, desto mehr Mädchen können wir helfen.“
In Zusammenarbeit mit verschiedenen NGOs (Non-Govermental Organisation) werden die Menstruationstassen in Kenya, Tanzania, Uganda, Malawi, Ghana, Benin, Nigeria und Nepal verbreitet. Diese Probleme sollen nun durch die „Buy one – Give one“-Politik und durch Trainerinnen, die den Mädchen vor Ort, die korrekte Anwendung erklären, gelöst werden. Die bisherige Erfolgsquote: 80 % der Frauen benutzen auch nach einem Jahr weiterhin ihren RubyCup. Einige Frauen haben Angst, dass der Cup zu groß sei, Schmerzen bereite oder die Jungfräulichkeit gefährde.

„Nur noch kurz die Welt retten“

Bei meinen Recherchen stellte ich fest, wie global das Thema Menstruation ist und wie gravierend die Folgen für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft sind. Und obwohl die Menstruationstasse nur ein simpler Silikonbecher ist, schafft er es, viele der Probleme zu lösen und gravierende Folgen zu schmälern.
Ich ziehe meinen Hut und bedanke mich ganz herzlich bei RubyCup für die Kooperation.


Quellen:
http://www.erdbeerwoche.com/meineregel/wusstest-du.html
http://shop.rubycup.com/de
Mediatoolkit RubyCup

 

 

Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer bezahlten Kooperation

Unterstützen

Wenn dir der Beitrag gefallen hat, würden wir uns über eine kleine Spende freuen.



Noch mehr Stories? Folge seitenwaelzer:

Amelie Haupt

Ahoi! Auf meinem Weg durch die Welt schreibe ich über das was mir so passiert oder mir in den Sinn kommt. Viel Spaß mit diesen weltbewegenden Erkenntnissen!

Fabrizio Chiagano | Unsplash

Tatsächlich gelesen: Naokos Lächeln (Haruki Murakami)

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einem gelben Sofa und unterhalten sich.

Bookstock-Festival für alle Buchliebhaberinnen und -liebhaber

Aasee im SommerAna Soraya da Silva Lopes | seitenwaelzer.de

Neu in Münster? – Die Hotspots, die man kennen sollte

unbekannt

Tatsächlich gelesen – The Hound of the Baskervilles (Sir Arthur Conan Doyle)

Tags:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir benutzen Cookies, mit der Nutzung unserer Webseite erklärst du dich damit einverstanden. Hier gibt's weitere Infos.