Meinung / Studium

Abschaffung der Anwesenheitspflicht an Hochschulen

Am 11. September 2014 wurde in NRW das neue Hochschulgesetz verabschiedet. Neben einigen anderen Neuerungen, die den meisten Studenten wohl egal sind, wurde aber auch die Anwesenheitspflicht in Vorlesungen und den meisten Seminaren abgeschafft. Oft gibt es in Seminaren eine Anwesenheitspflicht, man darf nur wenige Male, meistens bei zwei Terminen fehlen. Fehlt man öfter, darf man nicht an der Abschlussklausur oder der Hausarbeit teilnehmen und bekommt keine Leistungspunkte. Dabei spielt es keine Rolle, ob man entschuldigt fehlt, oder aus welchen Gründen auch immer.
| June Fontaine |

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Robin Thier

Am 11. September 2014 wurde in NRW das neue Hochschulgesetz verabschiedet. Neben einigen anderen Neuerungen, die den meisten Studenten wohl egal sind, wurde aber auch die Anwesenheitspflicht in Vorlesungen und den meisten Seminaren abgeschafft. Oft gibt es in Seminaren eine Anwesenheitspflicht, man darf nur wenige Male, meistens bei zwei Terminen fehlen. Fehlt man öfter, darf man nicht an der Abschlussklausur oder der Hausarbeit teilnehmen und bekommt keine Leistungspunkte. Dabei spielt es keine Rolle, ob man entschuldigt fehlt, oder aus welchen Gründen auch immer.

Gegen eine Anwesenheitspflicht spricht, dass sie die Studenten in ihrer Freiheit einschränkt. Studenten können sich nicht selbst aussuchen, ob sie eine Veranstaltung so sinnvoll finden, dass sie sie besuchen möchten. Auch bei einem Dozenten, der einem den Stoff nur schlecht vermitteln kann, muss man bei jeder Sitzung anwesend sein. Das empfinden viele Studenten als Zeitverschwendung, da sie sich den Stoff in der Zeit lieber selbst erarbeiten würden. Weiterhin spricht gegen die Anwesenheitspflicht, dass die Gründe des Fehlens nicht berücksichtigt werden. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass nicht jeder Student ein idealtypisches Studium hat. Es gibt Studenten, die chronisch krank sind und deshalb häufig fehlen, oder Studenten, die selber schon Kinder haben, aber auch Studenten, die aus verschiedenen Situationen heraus, sich den Unterhalt für das Studium selbst erarbeiten müssen.

Allerdings sprechen auch gewichtige Argumente für die Anwesenheitspflicht: Eine Anwesenheitspflicht ist fairer, den verbleibenden Studenten gegenüber. Die Diskussionskultur in einem Seminar bleibt erhalten, wenn alle Studenten regemäßig erscheinen. Fehlt die Hälfte der Teilnehmer und kommt nur sporadisch, sind nicht mehr alle Studenten auf dem gleichen Niveau. Der Austausch im Seminar wird also zusätzlich erschwert. Manchmal werden in Seminaren auch Referate gehalten, auch hier ist es fairer den Kommilitonen gegenüber, sich deren Referate anzuhören und grade in den Lehramtsstudiengängen wichtige Kritik anzumerken. Die Anwesenheitspflicht ist auch eine gute Methode für sich persönlich, festzustellen, ob man das Richtige studiert. Wenn keine Anwesenheitspflicht besteht, ist es viel einfacher, Ausflüchte zu finden, anstatt sich mit dem eigentlichen Problem zu beschäftigen. Dann geht man nicht zur Vorlesung, weil der Professor schlecht ist und das Tutorium ist nicht zielführend, weil es ein Student leitet. Wenn aber eine Anwesenheitspflicht besteht, ist man gezwungen, sich tatsächlich mit dem vermittelten Stoff zu befassen. Dann fällt einem vielleicht auch eher auf, dass es nicht an dem Dozenten liegt, sondern am Stoff. So kann man früher das Fach wechseln und etwas studieren, was zu einem passt und wo man lieber hingeht.

Außerdem bedeutet „Leistungspunkt“, dass auch eine Leistung erbracht wurde. Ohne Anwesenheitspflicht ist die Klausur oder die Hausarbeit die einzige erbrachte Leistung. Mit Anwesenheitspflicht, würde sich die Leistung zudem aus der Teilnahme am Seminar und den Beiträgen im Seminar zusammensetzen. Das hat den Vorteil, dass verschiedene Kompetenzen der Studenten mitbewertet werden, die wichtig sind. Nicht nur dass die Kompetenz bewertet wird, für eine Klausur zu lernen, sondern auch, sich aktiv ins Seminar einzubringen, regelmäßig mitzuarbeiten und kontinuierlich zu den Sitzungen zu erscheinen. Für die Studenten gäbe es bei einer Anwesenheitspflicht auch einen weiteren nützlichen Nebeneffekt. Durch die regelmäßige aktive Teilnahme und das damit verbundene Vor- und Nachbereiten der Stunden lernt man den Stoff kontinuierlicher und muss nicht vor der Klausur Nachtschichten einlegen.

Ich bin tendenziell für eine Anwesenheitspflicht, da man sich freiwillig für sein Fach entschieden hat und ich es den Kommilitonen gegenüber fairer finde, wenn alle regelmäßig erscheinen. Außerdem hätte sie auch für die Studenten den Vorteil, dass man kontinuierlicher lernt und sich intensiver mit dem Stoff auseinander setzen muss. Ich sehe aber auch die Nachteile einer Anwesenheitspflicht, besonders Studenten in schwierigen Situationen sollte man das Studium nicht noch zusätzlich erschweren. Aber vielleicht bringt die Abschaffung der Anwesenheitspflicht auch positive Veränderungen mit sich, so dass die Lehrveranstaltungen ansprechender gestaltet werden und die Studenten, die anwesend sind, dann auch motiviert sind, mitzuarbeiten.

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Quelle: http://www.wissenschaft.nrw.de/hochschule/hochschulrecht/hochschulzukunftsgesetz/

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Ich heiße June, bin 22 Jahre und studiere in Essen Geschichte und Evangelische Religionslehre auf Lehramt. Neben meinem Studium entdecke ich NRW, probiere mich im Backen und schreibe für seitenwaelzer.

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