Kultur und Medien / Reportage

Annette von Droste-Hülshoff – ein Garten voller Worte

Annette von Droste-Hülshoff – eine der bedeutendsten deutschen Literat*innen. Im Mai 1848, vor mehr als 170 Jahren starb sie. Deswegen ist es Zeit ihrer und ihrem Umfeld wieder zu gedenken.
| Benja Bauroth |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Burg Hülshoff mit der Vorburg. Eine Gräfte und ein Park umrahmen die Burg.Benja Bauroth | seitenwaelzer.de

Ein warmer Sommernachmittag. Die Sonne neigt sich dem Westen zu und taucht die Umgebung in ein goldenes Licht. Ich recke mein Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen und genieße die warme Brise, die mir durch die Haare weht. Ich setze meinen Weg fort und bin jedes Mal aufs Neue begeistert, wie sich die Blätter der Bäume im Wind bewegen und wie sich die Blumen nach der Sonne sehnen. Doch im Laufe des Jahres strahlt die Natur immer eine andere Stimmung aus. Ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht – mir ist eine neue Zeile eingefallen.

So muss sich Annette von Droste-Hülshoff vor mehr als 170 Jahren gefühlt haben, als sie entlang der Felder und Wiesen zur Burg Hülshoff spazierte. Mit einem kleinen Notizbuch in der Hand, um ihre Gefühle und Gedanken über die westfälische Natur und die Kultur des Münsterlandes festzuhalten. Nun jährt sich im Mai 2022 ihr 174. Todestag. Es ist Zeit dem Leben der Dichterin und ihrem Umfeld näher zu kommen. Was eignet sich besser als eine Zeitreise in Form eines Ausflugs zu ihren Wurzeln?

Gemälde von Annette von Droste-Hülshoff
unbekannt

Auf den Spuren von Annette von Droste-Hülshoff

Vom Schotterparkplatz in Münster Havixbeck ist es nicht weit. Ein kleines Tor führt direkt auf das Grundstück und schon tauchen die Dächer der Wasserburg auf. Sie ist umrahmt von einem Meer aus Grün und einer Gräfte. Auf zwei Inseln steht das Renaissance-Haus mit Vorburg und Wirtschaftshäusern, die durch eine alte Steinbrücke verbunden sind. Es fühlt sich tatsächlich so an, als wäre man in der Zeit zurückgereist. In eine Zeit des Umbruchs, geprägt durch napoleonische Kriege und die europäische Neuordnung nach dem Wiener Kongress. Auf der Burg Hülshoff wurde Annette von Droste-Hülshoff am 10. Januar 1797 geboren. Hier versteckte sie ihr erstes Gedicht, weil ihre Familie nicht viel von ihrer Literaturaffinität hielt. Nun befindet sich in den Gemäuern das Droste-Museum, das einen Einblick in die Lebensumstände des Adels und insbesondere in das Leben der Dichterin gewährt. Annette von Droste-Hülshoff erfuhr schon in ihrer Kindheit eine Bildung, die für Mädchen in der damaligen Zeit untypisch war. Seitdem setzte sie sich über die Normen der Gesellschaft hinweg, denn sie lebte als unverheiratete Frau und widmete sich der Literatur, was damals in der Gesellschaft verkannt war. In ihren Texten lässt sich ihr Intellekt erkennen, der zum Beispiel von ihrem Verständnis über Naturwissenschaften oder Sprachen zeugt. 29 Jahre lebte die Dichterin in ihrem Geburtshaus, bis ihr Vater Clemens August von Droste zu Hülshoff 1826 starb. Nachdem ihr Bruder Werner Konstantin von Droste-Hülshoff die Burg übernahm, zog Anette mit ihrer Mutter Therese Luise von Droste-Hülshoff und ihrer Schwester Jenny von Droste zu Hülshoff in die Nähe. In das Rüschhaus. Annette von Droste-Hülshoff starb im Mai 1848 nach langer Krankheit auf der Meersburg am Bodensee. Erst nach ihrem Tod erlangte sie für ihre Gedichte und Texte große Anerkennung. Nun ist sie die bekannteste Dichterin des 19. Jahrhunderts.

Burg Hülshoff spiegelt sich in der Gräfte. Rechts daneben steht ein Teil der Wirtschaftshäuser.
Benja Bauroth | seitenwaelzer.de

Eine kleine Prise Sommer

Burg Hülshoff ist vor allem ein Ort für Kunst und Literatur. Ein Ort, der die verschiedensten Menschen zusammenbringt und sich perfekt für einen Sommerausflug eignet. Egal, ob man gerade Entspannung und Ruhe sucht oder man in die Kunst eintauchen möchte. Für jeden ist etwas dabei. Die Parklandschaft rund um die Burg bietet eine schöne Möglichkeit für einen Spaziergang. Entlang an hochgewachsenen Bäumen, die im Sommer angenehmen Schatten bieten, könnt ihr abschalten. Auf gemütlichen Liegestühlen könnt ihr euch ausruhen und ein gutes Gedicht lesen. „Das Schilf“ ist das perfekte Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff, um die Natur um euch herum zu genießen. Wenn sich dann der Magen meldet, gibt es zwei Möglichkeiten: Ein Café-Restaurant bewohnt das Kellergewölbe der Burg. Auf einer Terrasse im Innenhof könnt ihr bei regionaler Küche oder Kaffee das warme Wetter genießen. Wenn ihr lieber mitten in der Natur essen möchte, bietet die Gastronomie ein leckeres Picknick-Paket an. Mit Decke und Korb könnt ihr es euch überall auf dem Gelände gemütlich machen. Wer bei einem Spaziergang über das Grundstück eine kleine Hütte im Wald gefunden hat, fragt sich bestimmt, worum es sich dabei handelt. Das Teehaus steht für Gruppen zur Verfügung. Bei großer Teeauswahl und leckeren Delikatessen wie Scones und Sandwiches wird man nach englischer Art umsorgt. Das urige Innere des Teehauses erinnert an eine längst vergangene Zeit. Der literarische Fokus kommt ebenfalls nicht zu kurz. Ein vielseitiges Programm begleitet durch die Sommerzeit. Bei Workshops, Diskussionen und Leserunden kommen die unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch. Jedes Jahr findet das Droste-Festival statt, das verschiedene Aktivitäten unter einem Thema vereint. Es ist für jede*n Kunst- und Literaturliebhaber*innen zu empfehlen.

Der Raum ist die Bibliothek der Burg Hülshoff. Ein robuster Holzschreibtisch steht in der Mitte.
Benja Bauroth | seitenwaelzer.de

Ein literarischer Spaziergang

Von Burg Hülshoff führt der Lyrikweg durch die Natur zum Rüschhaus, wo Annette von Droste-Hülshoff in ihrer zweiten Lebenshälfte residierte. Den Weg, den Annette zu ihrer Zeit oft ging, um einen Teil ihrer Familie auf der Burg zu besuchen, stellt heute eine Erlebniswanderung dar. Das Outdoor-Museum dient als Brücke zwischen der Dichterin und der heutigen Gesellschaft. Elf Stationen und zehn digitale Haltepunkte sind ausgestattet mit Annettes Texten wie auch mit zeitgenössischer Literatur. Bereitgestellte Podcasts können als Wegbegleiter bis hin zum Rüschhaus fungieren. Das Gebäude ist eine Mischung aus westfälischem Bauernhof und Landsitz im französischen Stil nach Johann Conrad Schlaun. Die Gartenanlage ist im barocken Stil hergerichtet. Die Dichterin wohnte in drei kleinen Zimmern im Zwischengeschoss. Ihr Wohnzimmer nannte sie selbst ihr „Schneckenhäuschen“. Hier wandte sich Annette überwiegend Themen wie ihrer Heimat und der Natur zu.

Und am Rüschhaus endet die literarische Entdeckungsreise. Doch die Toren der Burg Hülshoff und des Rüschhauses werden bis zu eurem nächsten Besuch offen bleiben.

Das Rüschhaus von hinten. Der Garten ist vor dem Haus.
Benja Bauroth | seitenwaelzer.de

Das Schilf

Stille, er schläft, stille! stille!
Libelle, reg die Schwingen sacht,
Daß nicht das Goldgewebe schrille,
Und, Ufergrün, halt gute Wacht,
Kein Kieselchen laß niederfallen.
Er schläft auf seinem Wolkenflaum,
Und über ihn läßt säuselnd wallen
Das Laubgewölb‘ der alte Baum;
Hoch oben, wo die Sonne glüht,
Wieget der Vogel seine Flügel,
Und wie ein schlüpfend Fischlein zieht
Sein Schatten durch des Teiches Spiegel.
Stille, stille! er hat sich geregt,
Ein fallend Reis hat ihn bewegt,
Das grad zum Nest der Hänfling trug;
Su, Su! breit, Ast, dein grünes Tuch –
Su, Su! nun schläft er fest genug.

Ein Gedicht nach Annette von Droste-Hülshoff

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Benja Bauroth

"Follow your dreams, they know the way" - ein Motto, das sie direkt zum Studium in Kommunikationswissenschaft nach Münster geführt hat. Durch ihre Liebe zu Büchern und Filmen reist sie durch verschiedene Mythologien, jagt Dämonen oder schwingt den Zauberstab. Doch auch ihre Abenteuerlust führt sie auf reale Reisen nach Irland oder Skandinavien. Bei Spaziergängen unter dem Sternenhimmel philosophiert sie gerne über das Leben.

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