Bands, Bard*innen und Bombenstimmung – BomBARDED ein musikalischer Actual-Play-Podcast
Zwischen Magie und Musik: Ein musikalischer Actual-Play-Podcast mit Witz und Spannung. Was euch erwartet? Lest es in dieser Rezension!
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
November. Die Tage werden kürzer und dunkler, das Wetter ist kalt und zu allem Überfluß brodelt Corona stärker denn je. Unsere Vernunft diktiert: Zuhause bleiben. Sofern wir privilegiert genug sind, diese Wahl zu haben. Mit einher geht also die Frage: Wie kann man sich ablenken? Welche humorvolle, niedrigschwellige Unterhaltung kann man bei Arbeit, Studium, beim Kochen oder einfach im allgemeinem Alltag ruhig mal im Hintergrund laufen haben? Ganz klar haben wir einige spannende Podcast hier parat. Fans vom Heldenpicknick sind spätestens jetzt auf den Geschmack von guten Actual-Play-Podcasts gekommen. Und BomBARDED ist einer davon.
Darum geht’s
BomBARDED ist ein Actual-Play-Podcast in englischer Sprache, welcher die Geschichte von einer babarischen Halborkin (gespielt von Ali Grant-Claset), einem diebischen Halbling (Nick Spurrier) und einem Zwerg-Druiden (gespielt von Nick Goodrich) erzählt, die vereint in einem Ziel sind: Sie wollen die Bardenkunst erlernen und besuchen dafür eine musikalische Akademie. Doch es hält sie nicht lang in dieser Akademie; bald schon ruft das Abenteuer. Und mit ihm lauern viele Gefahren in den Winkeln und Ecken der durch Musikwortwitzen geprägten Welt.
Es wird gewürfelt, gelacht und Musik gemacht
Die Geschichte begleitet drei junge, relativ unerfahrene Held:innen auf ihrem Weg. Der Podcast ist definitiv eine eher lockere als düstere Wohlfühlerzählung gespickt mit Humor und vor allen Dingen: Songs. Das markanteste Merkmal des Podcasts ist, dass in jeder Episode ein Lied gespielt wird, was sich auf die Handlung bezieht und den Figuren hilft, Herausforderungen zu meistern. Der Twist? Es wird gewürfelt.
Ein Spielesystem … mit Twist (and Shout!)
Anders als Podcasts, in denen es um Improvisationstheater geht, geht es bei dem Genre Actual Play Podcasts darum, ein Spielesystem mit einzubeziehen; meist basierend auf Würfeln. Während das Heldenpicknick beispielsweise DSA als Spielesystem nutzt, wird in BomBARDED ein anderes sehr bekanntes System verwendet: Dungeons und Dragons.
Doch das ist nicht alles: Ergänzt wurde das bekannte Regelset von Dungeons und Dragons um eine Dynamik, in der Songs ausgewürfelt werden. Jede*r Spieler*in würfelt hierzu aus, welche Akkorde und welches Drumkit verwendet werden. Später kommen auch noch Tonlagen und Modi hinzu.
Mixolydischer Modus? … Watt für’n Ding?
Glaubt mir, vor diesem Podcast waren mir Begriffe wie Mixolydischer Modus trotz mehreren Jahren Musikinstrumentunterricht ein Fremdwort. Aber das ist der Clou: Genau wie die Bard*innen ihre Reise unerfahren beginnen, setzt der Podcast auch kein musikalisches Vorwissen voraus. Ganz im Gegenteil: Immer wenn die unerfahrenen Bard*innen etwas lernen, lernen wir als Rezipient*innen in einem Zug mit.
Mit der Magie von Edutainment
Wir lernen durch ein narratives Medium mit einem sympathischen, interessanten Cast, die uns mit ihrer Begeisterung ansteckt. Lernen wird leicht und unterhaltsam. Dieses Genre an Wissensvermittlung nennt sich übrigens Edutainment (Verschmelzung der Wörter Education [Bildung] und Entertainment [Unterhaltung]). Falls Du bisher Spaß an dem Artikel hattest und jetzt das Wort gelernt hast – Zack, Du wurdest gerade ge-edutaint.
Es dirigiert: Der Dungeonmaestro
Doch die Wissensvermittlung ist bloß ein Element des Podcasts. Im Zentrum stehen die Charakterinteraktionen, das Rollenspiel, der Humor und die Musik. Natürlich sind die Spieler*innen bloß ein Teil eines guten Actual-Play-Podcasts. Weitere wichtige Aspekte sind die Produktion und die Spielleitung. In diesem Fall wurde aus der spielleitenden Person als „Dungeonmaster“ ein „Dungeonmaestro„, der die Musik spielen lässt. Hier kommt Kyle Claset ins Spiel. Nicht nur kümmert sich Kyle um die technische Produktion und Moderation des Podcast, welcher übrigens eine angenehme, hochwertige technische Produktionsqualität hat, sondern er leitet auch das Spiel.
Liebenswerte Charaktere
Die Abenteuer sind mit Liebe zum Detail konzipiert und stecken voller lebendiger, liebens- und hassenswerter NPCs (nicht-spielbare-Charaktere, also Charaktere in der Spielwelt, die nicht die Spieler*innen sind) mit ausdifferenzierten Persönlichkeiten. Besonders beeindruckend ist bei der Palette der NPCs die homogene und völlig natürliche Repräsentation von nichtbinären Personen. Als kleine Erinnerung, da der Begriff noch jenseits einer geisteswissenschaftlich-, sprachlich- oder neurologisch-akademischen Bubble und betroffenen Personen nicht im deutschen Sprachraum so verbreitet ist: Was sind nichtbinäre Personen und warum ist die Repräsentation in Medien wie diesem Podcast so relevant und auch interessant zu betrachten?
Ohne Ron Weasley, Merida, Kim Possible, Pipi Langstrumpf und Co?
Menschen, deren soziales Geschlecht (eng. „gender“, in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht, eng. „sex“) weder männlich noch weiblich ist, fallen unter die Kategorie „nichtbinär“, also nicht der Zweiteilung männlich-weiblich entsprechend. Dies spielt unter anderem teilweise bei intersexuellen Menschen eine Rolle, die weder mit rein männlichen noch rein weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren werden, allerdings in der Regel (früher und meist immer noch) gemäß eines in dem Fall willkürlich gewählten binären Geschlechtes aufgezogen werden. Das passiert doch eh verschwindend selten? Mit Nichten – Es ist ungefähr so verbreitet wie rote Haare, global betrachtet. Und da mangelt es uns ganz und gar nicht an ikonischer Repräsentation.
Binär? Ist dat was mit Computern?
Die kurze Antwort auf die Zwischenüberschrift? 01101110 01100101 01101001 01101110. Kleiner Computer-Binärcodewitz bei Seite: Die Binarität des sozialen Geschlechtes bildet dementsprechend mit ihren zweigeteilten Normen und Erwartungen an Geschlechter nicht alle Menschen ab. Das immer weiter fortschreitende Aufbrechen der zwei Kisten „Pink-Haushalt-Shopping-Zurückhaltung-etc“ und „Autos-Bier-Fußball-Arbeit-Emotionsverneinung-etc“ ermöglicht das Abbilden von Grauwerten, wo sich vorher nur Schwarz und Weiß gegenüberstanden.
Die Rolle der Repräsentation
Hier kommt Repräsentation ins Spiel: In dem wir als Gesellschaft Medien zulassen, nutzen und in den Diskurs aufnehmen, die eben diese gesellschaftliche Entwicklung und auch Minderheiten abbilden, wird diese Perspektive bekannter gemacht und normalisiert. Neues und fremdes macht Menschen oft Angst. Selbst wenn es nicht immer einen Grund gibt, diese Dinge abzulehnen. Doch wir sind Gewohnheitstiere. Das Gewohnte fühlt sich sicher an. Zudem hängt dieses Thema auch mit Machtkonstrukten einer Mehrheit und Aufklärung zusammen. Oft stellen die als „neu“ wahrgenommenen Themen keine Bedrohung dar. Lediglich gibt es zu wenige aufklärende Informationen. Beispielsweise, dass es sich teilweise nicht um neumodische Erfindungen handelt, lediglich eine Benennung eines sozio-kulturell schon immer existierenden Phänomens, in diversen Kulturen, sogar Naturvölkern, im Falle von nichtbinären Identitäten und dem rein biologischen Fakt von Intersexualität. Einzig unser Umgang mit sozial konstruierten Erwartungen an Gender-Performances und dessen kulturelle Betrachtung ist im Wandel. Diesen Wandel medial zu repräsentieren ist ein wichtiger Schritt, um den Diskurs zu öffnen und für Aufklärung, aber auch Repräsentation zu Sorgen. In diesem spezifischen Punkt ist BomBARDED ein wunderbares Beispiel für Repräsentation nichtbinärer Personen.
Wenn wir schon kurz eine queere Betrachtungslinse aufsetzen: Der Podcast enthält auch eine romantische, aber nicht kitschige und sehr differenzierte Erzählperspektive einer lesbischen Beziehung.
Ausgeschmückte Beschreibungen … oder auch nicht
Allein mit Beschreibungen der Umwelt hat Kyle es nicht so. Aber das macht Teil des Witzes aus und wird sogar zum Running-Gag der Serie. Auch im Narrativ gilt: Hier spielt die Musik. Jeder Teilaspekt der Geschichte denkt Musik mit und begünstigt so auch den musikalischen Unterbau des Podcasts. Das Resultat? Ein spannender, unterhaltsamer und musikalisch ansprechender Podcast.
Bist Du neugierig geworden?
Wer neugierig geworden ist, kann sich auf nunmehr über 60 Folgen der Show auf allen bekannten Plattformen, auf denen es Podcasts gibt, freuen. Darüber hinaus haben sie auch mehrere Alben (erhältlich umsonst oder gegen freiwillige Spende) mit allen Songs, die die drei Held:innen unter dem Namen „Chaos Sauce“ geschrieben und performt haben, veröffentlicht. Das Genre variiert je nach Song und bildet ein Potpourri aus Kompositionen an. Natürlich kam die Idee eines musikalischen Actual-Play-Podcasts auch nicht von ungefähr: Nick G., Nick S., Ali und Kyle performen gemeinsam auch unter dem Namen Lindby. Zudem ist Musik auch Teil ihrer Berufe und Hobbys. Viel Spaß beim Reinhören!
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Alex Schmiedel
Seit 2019 unterstütze ich das Team mit Illustrationen, Gestaltung, Artikeln und einer stets schwingenden intersektionaler Feminismus-Keule. Ursprünglich bin ich jedoch als Fan des Heldenpicknicks auf Seitenwaelzer gestoßen. Meinen Bachelor habe ich in Mediendesign in Münster absolviert und nun studiere ich Medienwissenschaft im Master in Bochum und arbeite im Bereich Mediendesign. Für Interactive Fiction, Podcasts, Animation und Musik schlägt mein Herz, ebenso wie für Aufklärung über diverse politische Themen, insbesondere Geschlechterdiversität und medizinische sowie antiableistische Gleichberechtigung.
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I loved the article. It was super informative and fun. I’m glad you’re loving the show and the Kyle, Ali, Spurrier, and Goodrich are the best, I can’t wait for episode 64 next year
Thank you very much Elysium for your feedback! Glad you liked it! Cheers to the podcast.