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Plan C im Cockpit – Review „F1“
Schnelle Autos, enge Kurven und coole Typen: F1 glänzt neben Brad Pitts Charme vor allem mit spektakulären Rennen und atemberaubenden Aufnahmen direkt aus dem Cockpit.
Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Ein Team. Zwei Fahrer. Das aufstrebende Talent gegen den alternden Freigeist. Der erbitterte Kampf um jede Position. Ein Sieg muss unbedingt her, ansonsten endet der Rausch der Geschwindigkeit.
Wer ist der Schnellste?
Wenn ich an Rennfilme denke, kommt mir sofort ein kleiner, perlweißer VW Käfer mit der Nummer 53 in den Sinn. Herbie drehte 1968 zum ersten Mal in Ein toller Käfer seine Runden. Weitere unterhaltsame Werke des sympathischen Autos mit Eigenleben folgten.

Zu den bekanntesten filmischen Ausflügen auf die Rennstrecke gehören Le Mans (1971) mit Steven McQueen und Tage des Donners (1990) mit Tom Cruise. 2006 schickte Pixar das sprechende rote NASCAR-Auto Lightning McQueen ins Rennen: Cars bringt es mittlerweile auf insgesamt drei Animationsfilme. Ziemlich abgefahren wurde es mit Speed Racer (2008) von den Matrix-Machern.
Das packende Duell von James Hunt und Niki Lauda in den 1970er-Jahren lässt sich in Rush (2013) verfolgen. Der Originaltitel „Ford v Ferrari“ beschreibt den erbitterten Wettstreit in Le Mans 66 (2019) äußerst treffend. Unter anderem als „Bester Film“ bei den Oscars nominiert, reichte es zumindest für den Sieg zweier Goldjungen in technischen Kategorien.
Zuletzt verfilmte Neill Blomkamp die wahre Geschichte von Jann Mardenborough, der vom Computerspieler zum professionellen Rennfahrer wurde. Gran Turismo (2023) gehört für mich zu den positivsten filmischen Überraschungen der letzten Jahre: Sympathisch, packend und bärenstark inszeniert machen die röhrenden Motoren einfach enormen Spaß.
Vom Flugzeug in den Rennwagen

Top Gun: Maverick hat 2022 gezeigt, dass sich viele Menschen noch über lässiges Unterhaltungs-Kino freuen. Einnahmen von knapp 1,5 Milliarden US-Dollar sprechen eine eindeutige Sprache. Neben Hauptdarsteller Tom Cruise hat vor allem der Regisseur daran großen Anteil gehabt.
Joseph Kosinski hat das Talent, filmische Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen: mit sympathischen Charakteren, heiterer Stimmung und spektakulärer Action. Das hat er schon mit seinem audiovisuell bahnbrechenden Debüt Tron: Legacy (2010) eindrucksvoll bewiesen. Auch Oblivion (2013) zählt zu spaßiger Popcorn-Unterhaltung. Gegen die Flammen (2017) ergänzt seine faszinierenden Aufnahmen sogar noch mit einer tiefgehenden Geschichte.
Für F1 folgt Kosinski erneut seiner Erfolgsformel. Die Geschichte ist – wie zu erwarten – vorhersehbar. Sportfilme gehen meist einen von zwei Wegen: Sie zeigen die erbitterte Rivalität zweier Champions oder den Aufstieg eines sympathischen Underdogs. In F1 sind beide Rivalen auch noch die Underdogs – und müssen lernen, für den Erfolg zusammenzuarbeiten.
Die Zwei vo(r)m Pedal
David Mills, Tyler Durden, Joe Black, Rusty, Achilles, Mr. Smith, Jesse James, Benjamin Button, Lieutenant Aldo Raine, Wardaddy, Cliff Booth, Roy McBride oder Ladybug.
Nun kommt Sonny Hayes dazu – schon der Name ist einfach cool. Einst galt er als großes Talent in der Formel 1. Nach einem schweren Unfall beendete er 1993 seine aktive Karriere. Zu viel Glücksspiel und mehrere Scheidungen folgten, eine Privatinsolvenz steht kurz bevor. Das Fahren aber liebt Sonny noch immer. Als sein Freund Ruben ihn um Hilfe bittet, steigt Sonny nach kurzem Zögern wieder ins F1-Cockpit.

Brad Pitt (Baujahr 1963) war schon immer ein toller Darsteller und wird mit dem Alter gefühlt nur noch besser. Er passt ideal als alternder Freigeist, der sich wenig um Regeln kümmert. Lässige Posen gehören dabei ebenso dazu wie freche Sprüche. Dank seines Charmes und vor allem seiner glaubhaften Selbstreflexion verkommt Sonny dabei nicht zum zwar coolen, aber ungehobelten Chaoten. Wie er in einer Pressekonferenz mit süffisantem Lächeln seine Fehler eingesteht – höchst authentisch.
Die Freude am Fahren sprüht Sonny aus jeder Pore. Diese Begeisterung steckt an und sorgt dafür, dass Können und taktisches Verständnis echt erscheinen. Dass Sonny in erster Linie nicht wegen des Ruhms fährt, sondern um seinem Freund zu helfen, lässt ihn endgültig zum Sympathieträger werden.


Joshua Pearce ist Sonnys junger Teamkollege. Im Gegensatz zu Sonny braucht er den Erfolg für seine Eigenwerbung. Als Neuling muss er um seinen Platz in der Formel 1 kämpfen – interne Konkurrenz ist da keine Hilfe. Zu Beginn sehr von sich überzeugt, muss er – ebenso wie Sonny – Teamplay erst noch lernen.
Damson Idris verleiht Joshua eine ausgewogene Mischung aus Arroganz und Bodenständigkeit. Wenn er bei der Pressekonferenz den Mund recht voll nimmt, entschuldigt er sich später auf Drängen seiner Mutter. Die sich entwickelnde Beziehung von Sonny und Joshua funktioniert als Grundlage für spannende Rennen, von anfänglichen Konflikten bis zu guter Zusammenarbeit.
Die Unterschiede zwischen beiden werden anhand kleiner Details herausgearbeitet: Während Joshua seine Reflexe mit einer modernen Wand mit Knöpfen trainiert, verwendet Sonny kleine Bälle. Joshua lebt in Zeiten von Social Media, Sonny nicht.
Das Team (im Hintergrund)


Konstrukteur, Mechaniker oder Teamchef: Im fiktiven Rennstall von APXGP sind alle notwendigen Charaktere vorhanden. Zum erweiterten Kreis gehören noch Manager und Mutter von Joshua sowie ein Vorstandsmitglied.
Sie alle gehören zum großen Gesamtgetriebe dazu. Die Schauspieler füllen einfach gehaltene Rollen aus, ohne besonders hervorzustechen. Eine zahme Romanze ist ebenso vorhersehbar wie eine kleine Intrige. Auch die Freundschaft von Ruben (Javier Bardem) und Sonny ist rudimentär gehalten.
F1 ist die Show von Brad Pitt – und den spektakulären Rennen. Das funktioniert, das macht Spaß. Bei über zweieinhalb Stunden Laufzeit wären aber bestimmt auch ein paar neue Wege abseits der Hauptstrecke möglich gewesen.
Reifen, Flügel & Co.
Echte Formel-1-Experten müssen sich damit abfinden, dass sich F1 als Spielfilm einige Freiheiten nimmt. Regeln werden (arg) gebeugt und Fehler für die Unterhaltung in Kauf genommen. Wer selbst schon – wie ich – Formel 1 gespielt oder geschaut hat, wird mit Undercuts, Stoppstrategien oder Reifenmischungen zweifelsfrei seine Freude haben. Laien werden mit einigen technischen Details nichts anfangen können. Insgesamt lässt sich F1 aber gut folgen – egal mit welchem Wissensstand.

Silverstone, Monza oder Abu Dhabi: F1 fährt einige der interessanten Rennstrecke der Welt (auf). Gedreht wurde oft an echten Rennwochenenden, was eine sehr authentische Atmosphäre erzeugt. Die Gegner des fiktiven Rennstalls APXGP heißen daher auch Lewis Hamilton, Charles Leclerc oder Max Verstappen. Sie sind auch ein paar Mal zu sehen, die Geschichte spielt jedoch fast nur im Kosmos von APXGP. Einige Cameos wie von Toto Wolff (Motorsportchef von Mercedes) sind für Fans immer wieder kleine Highlights.
Abseits der Strecken wird die technische Welt der Formel 1 erkundet. Die Entwicklung eines neuen Flügels spielt eine wesentliche Rolle in F1. Der Windkanal ist dabei ebenso interessant wie die 360 Grad-Trainingsumgebung für die Fahrer. Diese kleinen Einblicke sorgen für Abwechslung von den Asphaltpisten.
Vollgas auf der Strecke

Rad-an-Rad-Duelle, schnelle Überholmanöver und krachende Unfälle: In seiner Kerndisziplin liefert F1 spektakulär ab. Die Rennsequenzen sind intensiv und ungemein immersiv.
Die Kamera sitzt vielfach direkt im Auto, quasi über der Schulter der Fahrer. Mit dynamischen 180 Grad-Drehungen wird immer wieder schnell in den „Rückspiegel“ geschaut. Dazu gesellen sich Bilder von Reifen, die sich nur Zentimeter neben Wänden oder anderen Fahrzeugen rasend schnell drehen. Aufnahmen aus Fahrersicht sind mehr als beeindruckend. Wird wiederum von Nahem gezeigt, wie der Helm des Fahrers durch die Gegend geschleudert wird, lässt sich erahnen, wie heftig die physische Belastung im Cockpit ist.
Weite Aufnahmen sorgen für die notwendige Übersicht in den Rennen – als Ausgleich zum wilden Ritt im Rennwagen. Die Strecken und Städte strahlen im Sonnenschein oder funkeln bei Nacht. Da F1 viel am Tag spielt, ist die Farbgebung dementsprechend hell und die Farben der Fahrzeuge sind schön kräftig.


Bei all der Action stellt sich oft die Frage: Wie haben sie das gemacht? Computereffekte gehen vollständig im Gesamtlook auf. Wo digitale Zauberei anfängt und echte Stuntkunst aufhört, konnte ich nicht unterscheiden. Das verdient größten Respekt. Neben Drehern und kaputten Flügeln sind einige Unfälle wirklich heftig: Ein Überschlag und der Moment, an dem ein Rennwagen mit höllischer Geschwindigkeit den Fangzaun entlangschleudert, verschlagen einem die Sprache.
Das Sound-Design ist dabei gleichzeitig fein eingestellt und brachial kräftig. Surround-Effekte kommen ideal abgestimmt, sowohl zeitlich als auch von ihrer Richtung. Der Funk hört sich auch nach Funk an – bei fast 300 Stundenkilometern. Motoren drehen hörbar hoch, Maschinen arbeiten bei voller Last. Das bekannte Vorbeifahrgeräusch eines Rennwagens sorgt immer wieder für Gänsehaut. Wenn Fahrzeuge über die Begrenzungen der Strecke kommen, ertönt ein tiefes Brummen. Wer sich für das empfehlenswerte Erlebnis einer D-Box entscheidet, spürt solche Momente noch intensiver.
Der Soundtrack ist passend zum Film gewählt, setzt im Gegensatz zu Top Gun: Maverick aber etwas weniger auf bekannte Evergreens. Stellenweise übernimmt die Musik gekonnt den gesamten Ton, um sich in anderen Momenten dezent zurückzuziehen.
Fazit

F1 folgt einer einfachen Strategie: Simple Story, einfache Charaktere und spektakuläre Rennen. Das funktioniert, trotz einiger Längen bei über 150 Minuten Laufzeit, wirklich gut. Brad Pitt trägt den Film als lässiger Freigeist. Lockere Sprüche sorgen ebenso für gute Laune wie passende Musik und sonnige Bilder.
Die kommen beim hervorragend inszenierten F1 vor allem in den packenden Rennen zur Geltung. Gefühlt direkt im Fahrzeug wird über Pisten gerauscht und um Positionen gekämpft. Dazu röhren Motoren und knackt der Funk. Insgesamt liefert Regisseur Joseph Kosinski das ab, was zu erwarten war: lässiges und vor allem spaßiges Unterhaltungs-Kino.
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Daniel Rublack
… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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