Bildung und Karriere / Studium

Erasmus – Die Jagd nach Passierschein A38

Bürokratie bei Erasmus
| Michael Cremann |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Jan von Allwörden / DAAD | daad.de

Wie ihr bereits in meinem Reisebericht nachlesen konntet, habe auch ich vor langen Jahren das Erasmus (damals noch ohne +) Programm genutzt, um in die nahe Ferne zu schweifen. Nun will ich euch aber nicht damit langweilen, wie schön es nach Jahren war, mal wieder nach Wien zurückzukehren, oder wie mich die Zusammensetzung von Österreichs Regierung zur Weißglut treibt, sondern euch praktische Hilfe an die Hand geben.
Wie habe ich den Bewerbungsprozess erlebt? Was musste ich alles mitbringen? Musste ich von Pontius zu Pilatus laufen, nur um dann direkt im Nachbarland zu landen? Wie war der Ablauf in der Gast-Uni? Und was kam hinterher noch auf mich zu?

Zuerst möchte ich sagen: Wenn man sich eine schöne Checkliste macht, dann ist das alles gar nicht so wild, wie es klingt. Außerdem braucht man auf den meisten Zetteln, die dort erwähnt werden, sowieso nur eine Unterschrift der eignen und eine der Partner-Uni. – Also ganz wichtig: Ordnung halten und nicht vor der schieren Zahl der Formulare zurückschrecken.

Zweitens: Ich habe den ganzen Prozess vor 4 Jahren mitgemacht, da kann sich einiges geändert haben. Außerdem mag die Uni Dortmund alles ganz anders handhaben als die Uni Münster, mal ganz abgesehen von den Partner-Unis. Dieser Artikel ist ein grober Überblick und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn ihr das wollt, schaut in die Listen und Handreichungen, die euer International Office für euch hat.

Drittens: Ich habe Erasmus mit dem Zweifachbachelor gemacht, das heißt ich habe auf der Gastuni zwei Fächer studiert. Das geht längst nicht an jeder Uni. Das hieß für mich aber auch, dass ich alles doppelt ausfüllen musste. Also ist es wahrscheinlich, dass ihr sogar noch weniger zu tun habt, als ich damals.

Lies auch: Wie wichtig sind eigentlich Auslandserfahrungen? Das Lebenslauf-Argument.

Wie war der Bewerbungsprozess? Was musste ich alles mitbringen?

Nachdem ich mir drei Universitäten aus den Kooperationspartnern der Uni Münster im Fach Geschichte ausgesucht hatte, musste ich noch einen Lebenslauf, ein Motivationsschreiben, einen Nachweis der bisher erbrachten Leistungen (das sogenannte Transcript of Records) und (k)einen Sprachnachweis einreichen.

Das “k” vor dem Sprachnachweis deshalb, weil ich als Erstwahl Wien angegeben hatte und man mir durchaus zutraute, Deutsch zu sprechen. Für meine Zweit- (Prag) und Drittwahl (Akureyri) hätte ich Kenntnisse in Tschechisch und Englisch nachweisen müssen.

Beim Transcript of Records handelt es sich um einen recht simplen Ausdruck aus dem jeweiligen Campus Management System. Auch ein Lebenslauf hat so weit kein Problem dargestellt. Spannend wurde es aber beim Motivationsschreiben. Hier soll man darlegen, warum man genau an diese Uni will, ohne sich so richtig für eine Uni entschieden zu haben. Die Frage, die ich mir dabei stellte, war: Schreibe ich jetzt nur über die Uni Wien, meine Erstwahl, oder habe ich dann schlechtere Chancen für die Zweit- und Drittwahl, falls Wien einfach voll ist? Ich habe mich dann entschieden, nur über Wien zu schreiben und bin damit sehr gut gefahren. Im Motivationsschreiben zeigte ich auf, welche Themenfelder der Uni Wien mich besonders interessieren, bei welchem Prof ich immer schon mal lernen wollte und dass es für mich besonders günstig wäre, in eine Stadt zu kommen, in der ich meine beiden Fächer weiter studieren konnte. Nach Wochen des Wartens kam die Zusage für Wien und es ging erst richtig los.

Von „B“ wie Bescheinigung bis „U“ wie Unterschrift

Bevor man in ein neues Land, an eine neue Uni aufbrechen kann, muss man noch einiges bearbeiten. Neben der Suche nach einem Wohnheimplatz, einer Wohnung oder einem WG-Zimmer im Ausland (etwas, das über Skype nicht besonders einfach ist), muss man sich über die neue Uni informieren. Dies ist besonders wichtig im Hinblick auf die Veranstaltungen, die man besuchen möchte.

Um meine Kurse zu wählen, bekam ich recht schnell den Zugang zum Campus Management System der Uni Wien. Die Kurse sollte ich dann von meinen Fachkoordinatoren in Münster absegnen lassen. Da fing das Laufen an: Neben der Erasmuskoordinatorin, die für alle Erasmusstudierenden (Incomings und Outgoings) zuständig war, hatte noch mal jedes Fach einen eigenen Koordinator (Geschichte sogar zwei), bei dem man seine Kurse genehmigen lassen musste. Folglich sollte ich, nachdem ich meine Veranstaltungen gewählt hatte, mit einer Liste dieser Kurse zu meinem Koordinator in Geschichte und meiner Koordinatorin in Archäologie laufen und dort je eine Unterschrift abholen. Das klingt nicht besonders kompliziert, aber auch für solche Fälle gibt es ein passendes Problem: Die Frist für die Signaturen endete, bevor auch nur die Titel der neuen Veranstaltungen an der Uni Wien veröffentlicht wurden. Ich musste also die ganze Planung mit den Listen auf der Grundlage der Veranstaltungen des letzten Jahres machen, nur um dann, als ich wieder da war, die gleichen Dozenten erneut aufzusuchen, diesmal mit einer sogenannten Korrekturliste.

In Wien angekommen, ging das Laufen wegen genau der gleichen Listen weiter. Auch hier mussten wieder die Koordinatorinnen unterschreiben, dass meine Kurse passend waren und dass ich berechtigt war, sie zu besuchen. Auch dies bei beiden Fächern. Neben den Kurslisten muss man auch noch diverse andere Dokumente unterschreiben lassen.

Zwischen den Kontinenten: Amelie war für ihr Erasmus-Semester in Instabul. Lies ihren Bericht.

In meiner Sammlung befanden sich am Ende meines Aufenthaltes: ein Certificate of Arrival, zwei (weil zwei Fächer) Listen mit Kursen, zwei (weil zwei Fächer) Transcripts of Record (nicht zu verwechseln mit dem, das ich einreichen musste – in diesem werden die Noten aus der Partnerstadt nach Hause transkribiert) und ein Certificate of Departure. Ich habe bestimmt den einen oder anderen Zettel vergessen oder so manch heller Kopf hat sich etwas neues einfallen lassen, was Erasmus-Studierende ihre Gast-Uni genauer erkunden lässt.

Mit diesem herbstlichen Haufen Blätter bin ich dann wiederum in Münster aufgeschlagen und durfte nochmal bei beiden Fachkoordinatoren und der Erasmuskoordinatorin vorbeischauen, um meine Noten aus Wien auch angerechnet zu bekommen. Außerdem hatte ich nur dadurch, dass ich alle Unterschriften hatte, Anspruch auf das Geld aus dem Erasmus-Programm.

Die Überweisung war zwar “schon” Ende November (ab Anfang September war ich in Wien) eingegangen, aber nur dank der ganzen Unterlagen bin ich nicht nur um einige Credit Points und viele Erfahrungen reicher, sondern durfte die 350 € pro Monat, die mir die EU zusteckte, auch behalten.

Das Wichtigste nun im Überblick:

  1. Schreib‘ überall, immer und sofort deinen Namen drauf (sonst darfst du die Ochsentour im Zweifel nochmal machen)
  2. Mach‘ von allem, was du in die Finger bekommst, Kopien und Scans (Nicht, dass dir das Original verloren geht, weil du es irgendwo eingereicht hast. Außerdem können Mails mit Scans viele Wege ersparen)
  3. Führe deine Checklisten ordentlich und lege alles, was du bearbeitest immer gut weg (suchen nervt – wirklich)
  4. Sorge vor dem Auslandssemester für einen ordentlichen finanziellen Puffer (Die Mühlen der EU malen langsam. Bis du dein Geld hast, kann viel Zeit vergehen.)

Lass‘ dich von dem, was du hier gelesen hast nicht abschrecken! Ja, man muss wirklich viele Unterschriften sammeln, aber ein Auslandssemester ist ein so bereicherndes Erlebnis, dass man dafür einige Stunden des Laufens durch Institusflure opfern sollte!

Lies auch Michaels Erasmus-Erfahrung in Wien

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