Studium

Dinge am Wegesrand – Warum dein Studium mehr sein sollte als nur Vorlesungen und Hausarbeiten

Mache das Beste aus deiner Studienzeit
| Robin Thier |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

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Vor Kurzem erwähnten zwei Dozentinnen von mir, dass sie gerne ab und zu vom Schema abweichen und anstelle von Vorlesungen und Hausarbeiten lieber andere Formen der Lehre und Leistungsüberprüfung wählen würden. Endlich spricht mir mal jemand aus der Seele. Denn ein Studium sollte nicht nur aus Seminaren, Vorlesungen, Tutorien und Co bestehen. Dabei liegt das auch in deiner Hand.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Die Vorlesung ist der Klassiker der universitären Bildung. Schon in der Antike, spätestens aber im Mittelalter, fand die Übertragung von Wissen zwischen Lehrer und Studierenden in Form von Vorträgen statt. Langen Monologen, in denen alles erzählt oder im wahrsten Sinne des Wortes „vorgelesen“ wurde, da damals der Großteil der Bevölkerung keine eigenen Bücher hatte oder noch nicht einmal lesen konnte. Bis heute hat sich diese Form des Wissenstransfers gehalten und der rein sprachliche Vortrag wird (meistens – es gibt auch Ausnahmen) durch PowerPoint-Präsentationen, interaktive Formate oder kurze Filme unterstützt. Es gibt Studiengänge – etwa Jura, Informatik oder Wirtschaftswissenschaften, in denen fast der komplette Stoff eines Studiums in Vorlesungen vermittelt wird und auch in anderen Fächern ist die Vorlesung Standard. Dass der Frontalunterricht nicht unbedingt die didaktisch beste Möglichkeit ist, zu lernen und Stoff zu vermitteln, ist inzwischen hinreichend bekannt. Daher nutzen viele Unis ergänzend auch noch Tutorien oder Seminare. Dort können die Studierenden Fragen stellen, sich selbst Inhalte erarbeiten, diskutieren, Referate halten und am Ende Hausarbeiten schreiben.

Wie du im Seminar richtig mitarbeitest, erfährst du hier.

Und da wären wir beim zweiten Thema dieses Textes: Hausarbeiten. Um auch hier kurz das Prinzip zu umreißen: Man arbeitet ein Thema unter Zuhilfenahme von Literatur schriftlich aus. Der Umfang bewegt sich dabei zwischen 10 und 30 Seiten – gelegentlich wird auch ein Praxisprojekt, etwa ein Experiment oder eine Studie, in einer Hausarbeit betreut und ausgewertet. Ich persönlich bin ein großer Fan davon, da man so die Gelegenheit bekommt, sich intensiv mit einem Thema auseinander zu setzen. Anders als in einer Klausur wird nicht in 90 Minuten einmalig ein großer Klecks Wissen über einem Blatt Papier ergossen und man ist deutlich freier in der Herangehensweise und Ausgestaltung. Scheinbar ist alles in Ordnung. Warum schreibe ich also diesen Text?

An der Realität vorbei?

Das Problem liegt darin, dass man auf der Basis des gerade beschriebenen Studiums zwar viel Wissen rund um das Fach mit nach Hause nimmt, aber im Grunde nur die folgenden Kompetenzen lernt: Hausarbeiten schreiben, Referate (in Gruppen) vorbereiten und halten, Vortragenden zuhören und Stoff auswendig lernen. Ich selbst schreibe zwischen zwei und drei Hausarbeiten pro Semester, das sind mindestens 12 Hausarbeiten in einem Bachelorstudium. Sie alle folgen stets demselben Schema, stets demselben Aufbau. Dazu habe ich das Glück, ein Fach zu studieren, das nicht sonderlich vorlesungslastig ist. Eher die Ausnahme. Am Ende der meisten Studiengänge stehen Absolventinnen und Absolventen, die gut darin sind, Texte zu schreiben. Gut darin, anderen zuzuhören und mal mehr mal weniger Wichtiges in 2 Tagen auswendig zu lernen, um es nach der Klausur wieder zu vergessen.

Die Universitäten und Studiengänge haben ein gewichtiges Argument, mit denen sie das Studieren auf diese Art verteidigen: An Universitäten würden Forscher ausgebildet. Deren Arbeit bestehe in der Regel im Schreiben von Texten und im Halten sowie Anhören von Vorträgen. Diese beiden Kompetenzen stehen dabei über allem. Doch schauen wir uns die Realität an, stellt sich heraus, dass der Anteil der Studierenden, die später in der Forschung landen, verschwindend gering ausfüllt. Der Rest begibt sich auf den Arbeitsmarkt und benötigt dort andere Kompetenzen. Außerdem – und das mag meine subjektive Sicht sein – würde eine Abwechslung von den ewigen Hausarbeiten und Vorlesungen dem Lernen guttun. Wie gesagt, ich mag Hausarbeiten und ich habe glücklicherweise in meinem Studium Seminare und sogar Praxis-Seminare. Trotzdem könnte ich mir einige Arten der Vermittlung von Wissen und deren Überprüfung vorstellen, die über die Klassiker der Lehre hinausgehen.

Uni ist nicht alles

Solange die Universitäten und Fachhochschulen keine andere Art der Wissensvermittlung anbieten, müssen wir uns eben selbst darum kümmern. Und genau das möchte ich dir mit auf dem Weg geben: Lernen macht Spaß, wenn es um etwas geht, das dir am Herzen liegt. Du hast aktuell viel Zeit neben dem Studium, um am Wegesrand Dinge mitzunehmen und dir dein eigenes Lehrprogramm zusammenzustellen. Wie das gehen soll? Engagiere dich ehrenamtlich für ein Projekt und wenn es keines gibt, das dich anspricht – gründe es selbst. Du wirst überall Mitstreiter finden. Besuche fachfremde Workshops, wenn sie dich interessieren – auch, wenn es keine Leistungspunkte dafür gibt. Regale einräumen oder Kellnern sind sicher gute Möglichkeiten, sich das Studium zu finanzieren. Noch besser fährst du aber, wenn du dir einen Nebenjob suchst, bei dem du etwas lernen kannst, was du vorher noch nicht konntest. Oder warum nicht gleich einen Job, der in dem Feld liegt, in dem du später einmal arbeiten möchtest? Ein „Studium“ meint nicht nur das Studieren an einer Uni, sondern bildet auch ein paar Jahre deines Lebens ab.

Und in der Uni? Hier kann auch einiges verbessert werden, was aber nicht unbedingt in deiner Hand liegt.

Im Berufs- und Forschungsalltag steht man nicht nur in der Rolle des Vortragenden. Auch wird man diskutieren müssen. Sehr viel diskutieren. Mündliche Prüfungen etwa können viel besser erfragen, ob ein Thema verstanden wurde oder ob jemand besonders fleißig war und nur die Folien aus der Vorlesung auswendig gelernt hat. Lässt man Studierende miteinander diskutieren, könnte nicht nur das Verständnis eines Themas geprüft oder vertieft werden, ferner auch die Fähigkeit zur Diskussion. Zum Sammeln von Argumenten und deren Darbietung. Hier sind wir aber noch nicht am Ende. Auch wird man nach einem Studium vielleicht Projekte verwalten müssen. Dabei spreche ich nicht von einer Referats-Gruppenarbeit mit vier Leuten, sondern von Großprojekten, die auch in der Forschung gerne mal vorkommen können. Würde man ein derartiges Projekt simulieren, hätte man gleich mehrere Vorteile. Das Projektseminar vermittelt nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern erfordert auch Zeit- und Projektmanagement. Die Studierenden wären motiviert, unter „realen“ Bedingungen gefordert zu werden und würden sich ihr Wissen selbst erarbeiten, ganz nach dem Motto „learning by doing“. Was ich hier beschreibe, sind nur wenige Ansätze und diese sind idealtypisch. Viele Lehrende, so ist jedenfalls meine Erfahrung, bemühen sich um Abwechslung und versuchen, dem klassischen Lehralltag zu entfliehen. Mangelnde Zeit, fehlende Motivation unter den Studierenden und zu starre Rahmenbedingungen machen es ihnen nur leider sehr schwer. Warte also nicht darauf, dass deine Uni sich um ein diverseres Lehrprogramm kümmert.

Ehrenamtliches und Inklusion: „Was ist schon normal?“ Lies Nellys Artikel über ihr ehrenamtliches Engagement

Mach was draus!

Daher wäre mein Ratschlag für dich: Mach was draus! Es ist dein Studium, du machst das Ganze freiwillig und sollst auch den größten Nutzen daraus ziehen. Wenn du also zwischen der vierten Hausarbeit und dem zweiten Referat das Gefühl hast, dass du nichts „Richtiges“ lernst, wenn dir eine schräge Idee im Kopf herumspukt, die du gerne einmal ausprobieren möchtet – ob Improtheater oder Modellbootrennen, Hackathon oder Poetry-Slam – trau dich! Jetzt ist die richtige Zeit dafür.

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Robin Thier

Gründer von seitenwaelzer, lebt in Münster und beschäftigt sich in seiner freien Zeit mit Bildbearbeitung, Webseitengestaltung, Filmdrehs oder dem Schreiben von Artikeln. Kurz: Pixelschubser.

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