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Startet eure Motoren – Review „Furiosa: A Mad Max Saga“

Zurück auf der Fury Road: Jede Menge spektakuläre Action und Sound auf Referenzlevel sorgen für einen intensiven Adrenalinkick.
| Daniel Rublack |

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Motorräder in der Wüste© 2024 Warner Bros. Feature Productions Pty Limited and Domain Pictures, LLC. All Rights Reserved

Mad Max: Fury Road wurde 2015 sofort zum Kultfilm. Die wahnwitzige Verfolgungsjagd strotzt nur so vor bahnbrechender Action: Menschen springen bei voller Fahrt zwischen abgedrehten Vehikeln hin und her, ständig explodiert irgendetwas und ein Typ spielt auch noch eine flammenwerfende Gitarre. Zwei Stunden volle Dröhnung, volles Chaos.

Während Tom Hardy den wortkargen und unfreiwillig im Kreuzfeuer geratenen Max spielt, wird eigentlich die Geschichte von Charlize Theron als Furiosa erzählt. Als Kind entführt, von Warlord zu Warlord weitergegeben und ohne direkten freien Willen ist sie eine Galeonsfigur für alle Unterdrückten und bahnt ihnen den Weg in eine bessere Zukunft – denn Menschen sind keine Dinge. Auf ihrer Flucht vor einem der letzten Tyrannen der Ödnis – nur echt mit Maske: Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) – entfesselt sie eine einmalige Hetzjagd.

Weltweit spielte der Action-Kracher über 350 Millionen US-Dollar ein. Für zahlreiche Preise nominiert, gewann Fury Road sechs Oscars, vor allem in technischen Kategorien. Beeindruckende Bilder, tolle Settings, handgemachte Stunts sowie Kostüme und ein phänomenaler Sound sprechen eben für sich. Solch ein Erfolg war 30 Jahre nach dem bis dato (mäßigen) letzten Teil nicht zu erwarten. Schon gar nicht für ein Franchise, welches 1979 als Low-Budget-Produktion startete und 1982 seinen vermeintlichen Höhepunkt erreicht hatte. Damals jagte noch Mel Gibson als Max Rockatansky durch Australien.

Maximale Beschleunigung

Furiosa: A Mad Max Saga trägt nun auch seine titelgebende Figur im Namen. Im Gegensatz zum Vorgänger erstreckt sich der Zeitraum über mehrere Jahre statt wenige Tage. Erzählt wird die Vorgeschichte von Furiosa: Wie sie als Kind aus der Grünen Oase entführt wurde, wie sie zu Immortan Joe kam und an das Steuer des War Rigs (Kampf-Tankzug). Dabei verwandelt sich das aufgeweckte Kind langsam in eine abgehärte Kriegerin. Diese verliert sowohl ihre Rache als auch die Rückkehr in ihre Heimat nie aus den Augen.

Frau in Auto schaut zurück, vor ihr wird gekämpft
© 2024 Warner Bros. Feature Productions Pty Limited and Domain Pictures, LLC. All Rights Reserved

Regisseur George Miller setzt voll auf diese emotionale Komponente: Furiosa und das Publikum werden über Schicksalsschläge, spürbare Ungerechtigkeit und aufkommende Hoffnung verbunden. So beginnt es schon nach wenigen Sekunden, so endet es auch nach etwa zweieinhalb Stunden. Aufgrund des hohen Tempos funktioniert diese einfache Grundlage – Fury Road machte es ebenso – erstaunlich gut. 120 Minuten vergehen wie im Flug, bevor die finale halbe Stunde dann doch eine Runde zu viel dreht.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es keine echte Tiefe gibt. Die Charaktere werden in das Szenario einer apokalyptischen Welt geworfen, um sich dort verschiedenen Herausforderungen zu stellen: Dabei wird dann grimmig geschaut, manisch gelacht oder panisch geschrien – das verletzliche Innere wird aber versteckt. Um Entwicklungen zu verstehen muss das Publikum sie sehen. Genau diese Sequenzen überspringt Furiosa jedoch und zeigt zum Beispiel nie, wie Furiosa eigentlich das Fahren des War Rigs lernt.

Der dunkle Engel

Anya Taylor-Joy tritt als erwachsene Furiosa ab dem zweiten Drittel auf. Sie setzt auf eine starke Physis, grimmige Blicke und spricht insgesamt kaum 20 Sätze. Die taffe Kämpferin mit unbedingtem Willen stellt sie solide dar. Das Leiden – als moralischer Ankerpunkt – verbindet, nicht Furiosa selbst. In Fury Road hatte Charlize Theron dieselbe, ebenfalls simple Grundlage. Sie verbreitete jedoch mehr Schmerz, mehr Verzweiflung und auch mehr Wut.

Mann mit Motorrad in Wüste
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Stereotypisch ist auch Chris Hemsworth als Dementus: ein durchgeknallter Spinner mit Allmachtsfantasien und Hang zu großen Reden. Solche Charaktere können beliebig aus einem Film kopiert und in einen anderen eingefügt werden. Im Kopf bleiben sie nur, wenn sie eben mehr als nur verrückt sind. Der Australier betreibt hier leider nur sein gewohntes Overacting. Dabei scheint er viel Spaß zu haben und nervt bei Weitem nicht so wie als Thor oder etwa in Bad Times at the El Royale. Es ist eine bemühte Darbietung, aber eine generische.

Interessanter sind tatsächlich die Nebenfiguren, da sie in wenigen Momenten feiner zur Geltung kommen. Der bullige Rictus Erectus (Nathan Jones) darf seine kindliche Seite etwas mehr ausleben, der Organic Mechanic (Angus Sampson) seine kulinarische. An der Seite von Immortan Joe sind wieder der People Eater (John Howard), der nüchtern Kosten und Nutzen abwägt oder der Bullet Farmer. Immortan Joe selbst ist, alleine aufgrund seiner Erscheinung, eine Attraktion: Sein strategisches und abwägendes Vorgehen sind eine spannende Erweiterung zur machtversessenen Bösartigkeit.

4 Männer
© 2024 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved

Im Vorgänger folgt die Geschichte auch Nicholas Hoult als Nux, dem War Boy mit dem Ziel Valhalla. Ihm wurde eine Alternative zum fanatischen Kult um Immortan Joe eröffnet. Zudem folgten verschiedene Frauen Furiosa, die als eine Art Mentorin fungierte. Jetzt wird Praetorian Jack (Tom Burke) als Mentor der jungen Kämpferin installiert. Der erste Fahrer des War Rigs ist ein harter Typ, stark am Steuer und den Waffen. Seine offene Vorgeschichte macht seine Unterstützung für Furiosa umso spannender, zumal er ihre Beweggründe nie hinterfragt. Obwohl nicht gezeigt wird, wie er ihr etwas beibringt, lässt sich jedoch genau davon ausgehen.

Bekannte Ödnis

Zitadelle, Wüste und Felsen: Furiosa kopiert ganze Szenerien seines Vorgängers. In einer postapokalyptischen Welt sind neue Orte eben selten. Gas Town bleibt jetzt allerdings nicht mehr nur in der Ferne zu sehen, sondern wird in seiner ganzen öligen Pracht gezeigt. Auch die Bullet Farm dient als Set für eine ganze Action-Sequenz. Damit eröffnet der Film neue Schauplätze in bekannter Ödnis.

Generell wirkt Furiosa wie der Extended Cut – zeitlich natürlich vor – Fury Road. Der hätte dann allerdings satte viereinhalb Stunden Laufzeit – zu viel für stumpfes Popcorn-Kino. Größter Kritikpunkt an diesem Sequel kann also sein, dass es nichts Neues ist: War Boys springen in den Tod, Fahrzeuge werden zermalmt und auch Scharfschützengewehre kommen wieder zum Einsatz. Aber warum neu erfinden, wenn Bewährtes gut funktioniert?

Die auffälligsten Änderungen sind vermehrte Computereffekte. Insgesamt bietet Furiosa viel praktische Arbeit (Stunts) und Sets. Gerade bei einigen ruhigen Szenen fallen daher manch offensichtlich falsche Hintergründe deutlicher auf. Feuer und Co. stammen oft aus der Retorte, der guten immerhin. Auch Fury Road war nicht frei von CGI und manch künstlichem Look, trotzdem ist das hier ein kleiner Rückschritt. Allerdings nur in diesem Vergleich, denn gegenüber vielen aktuellen Blockbustern hat Furiosa technisch einige Autolängen Vorsprung.

Wahnsinn der Straße

Überraschend ist, dass Furiosa dasselbe Gefühl wie Fury Road erschaffen kann: dieses adrenalingetränkte angenehme Kribbeln samt Dauergrinsen. Die Action ist fantastisch: Viele, oft minutenlange Verfolgungsjagden pumpen das Adrenalin nur so durch die Adern. Ganze Konvois von Fahrzeugen bekämpfen sich in voller Fahrt, rasen über Dünen und überschlagen sich spektakulär. Menschen springen und fliegen durch die Luft, manch einer findet ein brutales Ende. Furiosa zeigt einige explizitere Bilder als der Vorgänger, ohne die Gewalt in den Vordergrund zu stellen. Den beherrscht das Chaos.

Gepanzerter Kampf-Lkw
© 2024 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved

Wetter und örtliche Beschaffenheiten werden erneut clever als Teil der Handlung verwendet: Seien es der Sandsturm, der Spuren verwischt oder Anhöhen, die Scharfschützen dienen. Die Auswahl an Fahrzeugen ist vielfältig und kreativ. Wie im Vorgänger spiegeln diese auch immer die Persönlichkeit ihrer Besitzer wider: So reitet Dementus etwa wie ein römischer Kaiser auf einer Art Motorrad-Quadriga. Generell kommen mehr Motorräder zum Einsatz – das Thunderbike ertönt – und sorgen etwa für die erste, großartige Verfolgungsjagd.

Das Highlight ist aber wohl die erste Fahrt mit Praetorian Jack. Gefühlt dauert die Sequenz satte 20 Minuten, während der War Rig versucht, seine Verfolger abzuschütteln. Von allen Seiten greifen maskierte Räuber an, segeln mit Motorrädern durch die Luft und werden mit Harpunen oder schleudernden Ketten aufgehalten. Bei voller Fahrt klettern Personen unter den Lkw, nur Zentimeter neben ihnen drehen sich mechanische Teile.

Epische Inszenierung

Das Setting bietet viele großartige Aufnahmen: karge Landschaften, felsige Bergzüge, Horden von Motorrädern, dichte Sandstürme oder Gas Town. Neben toller Weite geht die Kamera auch immer wieder mitten ins Geschehen, etwa unter den Tankzug oder in Fahrzeuge. Dabei bewahrt sie, trotz enormer Aktivität und um sich greifendem Chaos, genügend Übersicht und Ruhe.

Zu dominierenden Sepiatönen gesellen sich immer wieder kräftige Farben wie rote Mäntel. Insgesamt wirkt Furiosa optisch sehr stimmig und schafft es immer wieder, kleine Details einzustreuen. Eine Anspielung an Fury Road kommt selbstverständlich auch vor.

Frau auf Lkw
© 2024 Warner Bros. Feature Productions Pty Limited and Domain Pictures, LLC. All Rights Reserved

Über dem optischen Spektakel samt massenhaft Action thront König Ton. Das Sound Design hat absolutes Referenzlevel. Jeder Motor röhrt mit vollster Kraft – stellenweise ist es ein ganzes Orchester. Explosionen lassen die Ödnis erzittern, Schüsse kommentieren mit sattem Krachen ihre Durchschlagskraft. Die Bassintensität ist enorm! Gleichzeitig ist die Abmischung so fein und das Timing so herausragend, dass hier wieder einige Preise winken dürften. Junkie XL (Tom Holkenberg) heizt mit seinem donnernden Soundtrack – voller Trommeln, Gitarren und Gesänge – zudem sowas von ein.

Ich persönlich werde mich gerne an das Erlebnis – großer Atmos-Kinosaal, D-Box-Sitz – erinnern. Selten war es – auf die angenehme Art – so laut und hat es dermaßen von überall gescheppert, während tolle Bilder über die Leinwand jagten. Furiosa war ein fantastischer und spürbarer Rausch.

Das Fazit

Furiosa vollbringt das Kunststück, erneut den Adrenalinkick des Vorgängers zu erzeugen. Dieser Kracher ist für all jene, die gerne noch mehr von Fury Road sehen wollten. Dank cleverer emotionaler Bindung und rasantem Tempo packt der Streifen, ohne besondere Tiefe oder starke Schauspielleistungen zu erreichen. Praetorian Jack sowie Gas Town und die Bullet Farm als Schauplätze sind eine gelungene Erweiterung.

Die Action fetzt, rockt, knallt, brettert, donnert. Manche Computereffekte sind ein kleiner Schritt zurück. Insgesamt überzeugt die Optik aber mit großen Bildern. Der Ton sucht seinesgleichen an Kraft und Dynamik – absolutes Referenzlevel. Furiosa: A Mad Max Saga ist rein filmisch zwar nur etwas mehr als solide, setzt aber geschickt auf das spektakuläre Erlebnis. Das funktioniert, wie schon beim Vorgänger, überraschend gut.

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Daniel Rublack

… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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