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Rezension: König Alkohol (John Barleycorn) von Jack London

Hin und wieder gibt es in den Medien Berichte, die mich mein Verhältnis zum Alkohol überdenken lassen. Unter anderem in […]
| Dominik Schiffer |

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Ein Mann läuft eine nächtliche Gasse mit Graffitti an den Wänden hinabAliagha Shirinov | Unsplash

Hin und wieder gibt es in den Medien Berichte, die mich mein Verhältnis zum Alkohol überdenken lassen. Unter anderem in der Hinsicht froh zu sein, der Phase, in der die Qualität eines Abends proportional an der Intensität des Katers gemessen wurde, entwachsen zu sein. Vielmehr aber auch in der Frage, wie sich diejenigen fühlen, die der Verlockung des Suffs krankhaft erlegen sind. Sachbücher dazu gibt es genug, aber eine Innenschau, die auch einem literarischen Anspruch genügt, findet man viel seltener. Und hier kommt ein schmales Buch ins Spiel …

Jack London (1846 – 1916) war der erfolgreichste Schriftsteller seiner Generation. Er schrieb vor allen Dingen Abenteuerromane, die reißenden Absatz fanden. Und er trank. Beinahe jeden Tag seines erwachsenen Lebens. 1913, laut Text angeregt durch seine zweite Frau, begann er damit, seine „alcoholic memoirs“ zu verfassen. Er berichtet ungeniert von seinem ersten Rausch im Alter von fünf Jahren, wie er zwei Jahre später auf einer Feier systematisch mit Rotwein abgefüllt wurde, wie er zur See ging und das Trinken für ihn zu einem Spiel wurde und wie er schließlich auch als erfolgreicher Schriftsteller immer noch an der Flasche hängt.

Das Faszinierende an seinem Bericht ist nicht nur, wie er den Umgang mit dem Alkohol in seinem Milieu schildert, sondern vor allem, wie er die seelischen Zersetzungsprozesse greifbar macht. König Alkohol (im englischen John Barleycorn) wird für ihn zu einem Gefährten, auf den er mit Zwiespalt blickt. Von seiner Jugend an ist jeder Exzess ein Erfolg für ihn, quasi ein Initiationsritus in den Club der Männlichkeit. London schildert beispielsweise eindrücklich, wie sich Stolz in ihm regt, als er zu seiner Zeit als Matrose beim Wetttrinken mit abgehärteten Studenten diese nicht nur unter den Tisch trinkt, sondern danach noch weitere Bars aufsuchen kann. Seine Darstellung ist dabei so enthusiastisch, dass der Leser sich manchmal daran erinnern muss, dass es sich hier um ein Drama handelt.

Die Schattenseiten werden im weiteren Verlauf immer deutlicher. Langsam übertritt der Autor jede Grenze. Hat er zu Beginn den Alkohol zumindest noch eisern von seinem kreativen Schaffensprozess ferngehalten, kann er ab einem gewissen Punkt erst dann schreiben, wenn er getrunken hat. Immer wieder bricht er in Lobpreisungen und fürchterliche Verdammungen gegen seinen Begleiter aus und so endet das Buch auch nicht mit einem Erfolg. London zeigt sich als sehr intelligenter, reflektierter Mensch, der aber trotz allem ein Gefangener ist, dessen Kräfte nicht ausreichen, sich zu befreien.

Das Buch ist mit großer Kunst geschrieben, es liest sich dabei aber flüssig. Der Erzählton ist hingegen so atemlos, dass man das Buch eigentlich an einem Stück durchlesen möchte. Auch das englische Original bereitet, obwohl vor über 100 Jahren geschrieben, keine Schwierigkeiten, vielmehr kommt die Personifikation des Alkohols als Gefährten sprachlich etwas besser rüber. Wer einen Einblick in die Seelenwelt eines Künstlers sucht, der sprachgewaltig und reflektiert seinen vergeblichen Kampf gegen die Sucht beschreibt, dem sei König Alkohol wärmstens empfohlen.

Ich habe mich nach der Lektüre erst einmal Prinz Tee zugewandt …

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

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