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Buchempfehlung: Wie man mit Fundamentalisten diskutiert ohne den Verstand zu verlieren – eine Anleitung zum subversiven Denken (Hubert Schleichert)

In den letzten Wochen wurde hier im Magazin und auch in der Redaktion viel über Wissenschaftsleugnung und Wissenschaftsfeindlichkeit gesprochen. Unter […]
| Dominik Schiffer |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

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In den letzten Wochen wurde hier im Magazin und auch in der Redaktion viel über Wissenschaftsleugnung und Wissenschaftsfeindlichkeit gesprochen. Unter anderem wurden Techniken der Verfremdung und des Vergiftens eines eigentlich wichtigen, sachlichen Diskurses besprochen. Doch was tun, wenn einem ein Verschwörungstheorethiker gegenübersitzt? Wenn jemand absichtlich in eurer Gegenwart das Vertrauen in die Vernunft und die sachlich-logische Argumentation untergräbt?

Der Philosophieprofessor Hubert Schleichert hat sich dieser Frage bereits in den 90er Jahren angenommen und seine Beobachtungen sind heute noch erschreckend aktuell. In seinem sehr verständlich geschriebenen Buch setzt er sich am Beispiel des christlichen Fundamentalismus mit den Argumentationsfiguren seiner Vertreter auseinander, erläutert deren Schwachstellen und untersucht mögliche Gegenstrategien.

Das logische Argumentieren

Da das Buch sehr reichhaltig ist, kann es hier nur in Grundzügen wiedergegeben werden. Eingangs beschäftigt sich der Autor mit dem Ziel des Argumentierens und der Frage, wie ein logisches Argument aufgebaut sein muss, um eine These zu beweisen. Was zunächst sehr trocken erscheint, entpuppt sich schnell als kurzweilig und mit Blick auf die Praxis geschriebene Einführung in die philosophische Schule der Logik.

Noch kurzweiliger und vor allen Dingen spannender ist das erste große Kapitel, in dem Schleichert typische Beispiele für unlogische Argumentationen auflistet und sie mit Genuss widerlegt. Alleine für diese Einblicke werden aufmerksame Lesende dankbar sein, entdeckt man doch in dutzenden Diskussionen eben jene unlauteren Argumente und wird damit auch den Charakter seines Gegenübers gegebenenfalls neu bewerten müssen. Wer zudem eine gelungene und sehr umfassende Auflistung gängiger Elemente, wie dem argumentum ad hominem, dem Strohmann, der paranoiden Deutung oder dem slippery-slope Argument sowie ihrer Schwachstellen gesucht hat, wird hier fündig werden. Auch ist dieses Kapitel für diejenigen geeignet, die ihre eigene Argumentationsfähigkeit, besonders im wissenschaftlichen Diskurs, schärfen möchten.

Schließlich widmet sich Schleichert der Frage, wie man überhaupt mit jemandem einen fruchtbaren Diskurs führen kann, mit dem man keine gemeinsame Argumentationsbasis hat (in dem Sinne, dass gewisse Prämissen von beiden geteilt werden). Seine ernüchternde Antwort ist: gar nicht. Denn ein Fundamentalist, und der Begriff schließt all jene ein, die ihr Dogma als absoluten Maßstab ansehen und keinen Zweifel daran zulassen können, argumentiert nicht logisch, somit kann man ihm auch nicht mit logischen Gegenargumenten beikommen. Das bedeutet zwar nicht, dass man vermeintlich logische Thesen nicht als unlogisch entlarven darf, nur sollte man die Überzeugungskraft dessen für den Fundamentalisten nicht überschätzen. Schleichert bringt das Beispiel der biblischen Durchquerung des roten Meers durch das Volk Israel. Schon vor Jahrhunderten wurde berechnet, dass dies nicht in dem Zeitrahmen stattgefunden haben kann, aber was nutzt diese Erkenntnis, wenn Menschen es einfach trotzdem glauben?

Wenn die Logik nicht mehr greift…

Was ist zu tun? Nun kommt Schleichert in seinem zweiten großen Kapitel zu seiner These vom subversiven Argument. Der Fundamentalist selbst sei zwar verloren, aber es könne verhindert werden, dass von ihm ein ideologischer Schaden oder eine Ansteckung für seine Mitmenschen ausgeht. Dazu sei es nötig, seine Ideologie zu entlarven und dadurch so weit zu unterhöhlen, dass sie die Menschen ringsum als das erkennen, was sie ist: Verblendung statt Aufklärung, Unterdrückung statt Befreiung, Täuschung statt Wahrheit. Die Strategien hierzu sind zweierlei: entweder, das Dogma in all seiner Form ernst nehmen und, ohne es anzugreifen, naiv zu überspitzen und voller Lob sich darüber derart zu ereifern, dass seine Absurdität für jeden sichtbar wird. Die zweite Möglichkeit ist das subversive Lachen. Dogmatische Autoritäten stellen sich selbst auf ein Podest und verlangen Demut, das Gelächter ist das Gegenteil davon und stellt somit die größte Gefahr für diese Autoritäten dar. Die Möglichkeit etwas zu verlachen heißt, ihm ein Stück seiner Macht zu nehmen und mit je mehr mitlachen, desto mehr schwindet diese Macht.

Beide Strategien haben schließlich das Ziel, den Fundamentalisten und sein Dogma so lange zu isolieren, bis sie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden und ihre Gefahr für die Gesellschaft mit ihnen.

Man mag Schleicherts Ansatz erst bezweifeln, doch wenn man sich, auch durch ihn angeregt, umsieht, so bemerkt man, wie wirksam er ist. Über die Jahrhunderte hat die christliche Kirche, die zu Kreuzzügen und Missionierungen aufgerufen hat, in weiten Teilen der westlichen Welt ihren Klammergriff um die Köpfe der Menschen massiv eingebüßt. Dies ist vor allem den Aufklärern zu verdanken, die sich schon damals der subersiven Methoden bedienten. Wer das Schulterzucken oder Kopfschütteln bemerkt, mit dem viele Menschen auf Äußerungen hoher geistlicher Würdenträger reagieren, anstatt in blinden Gehorsam zu verfallen, der wird erkennen, dass der Prozess funktioniert.

Natürlich ist er nicht vollendet und vielleicht wird er das nie sein. Denn ständig sprießen neue Ideologien aus dem Boden, aber mit Hilfe der subversiven Argumente gibt es zumindest eine Möglichkeit sie einzudämmen und ihre Flammen langsam zu ersticken. Schleichert ruft dazu auf, Teil dieses Prozesses zu werden.

Sein Buch zu lesen ist dafür sicher ein guter erster Schritt. Wer sich einem rassistischen, antisemitischen oder sonstwie ideologisch verblendetem Menschen gegenübersieht, wird lernen, diesen mit einem klaren Verstand und einem offenen Lächeln besiegen zu können. Und das kann man nur begrüßen, denn Geschrei haben wir wirklich schon genug.

Den Link zum Buch gibt es hier

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

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