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„Oh ja, genau da!“ – Der Audio-Porno als Übergang von „Schmuddel“ zu Self-Care
Audio-Porno ist nicht nur, wenn du gute Kopfhörer hast. Wie aktuelle Anbieter Erregung durch Klang erzeugen wollen und was für Vorteile Audio gegenüber dem Film haben kann, erfährst du hier.
Geschätzte Lesezeit: 12 Minuten
Stöhnen auf Knopfdruck?
Womit Sextoy-Firmen werben, ist bei vielen Menschen die erste Assoziation, wenn sie von Audio-Pornos hören. Warum sollte man sich das, was bei Porno-Filmen schnell die Stimmung verhageln kann, nun ohne den visuellen Reiz anhören? Weil Audio-Pornos viel mehr sind, als nur die Tonspur eines (oft nicht ethisch produzierten) Films. Vielmehr ist diese Form des „Hörspiels für Erwachsene“ unglaublich vielseitig: Sie reicht von simplen Aufnahmen von Stöhnen (sogenannten Sounds), bis hin zu ausgefeilten Storys, die eine Synchronisierung mit Sextoys anbieten. Inspiriert durch ein Uni-Seminar habe ich mich näher mit dem Thema beschäftigt und möchte nun diese etwas andere Facette von Audio beleuchten und einen Überblick über verschiedene Angebote geben.
Ist weniger mehr?
Wie bei so vielen Dingen, die etwas mit subjektivem Empfinden zu tun haben, lässt sich diese Frage nur mit einem präzisen Jein beantworten. Doch auch wenn ihr kein besonderes Faible für Audio-Content habt und Porno-Filme für euch funktionieren, kann dabei mindestens eine interessante (oder lustige) Erfahrung für euch herausspringen. Denn: Spätestens seit Fifty Shades of Grey die Bestsellerlisten emporstieg, erinnern sich viele daran, dass auch Literatur erregend sein kann und kein voll ausgeleuchtetes Filmset benötigt. Ein ähnliches Verhältnis zum Film hat auch der Audio-Porno:[1] Durch die Möglichkeit der Sprache, uneigentlich (wie durch Metaphern) und eigentlich (durch explizite Bezeichnung wie in einem Anatomielehrbuch) verwendet zu werden, hat die eigene Fantasie mehr Möglichkeiten, die Bilder, die erst im eigenen Kopf entstehen, zu formen. Natürlich wird dabei die Stimme in den Fokus gerückt und individuell beurteilt, ob sie als erregend empfunden wird. Andere körperliche Merkmale wie Haarfarbe, Größe oder Athletik werden ausgeklammert. Auf diese Weise können die Menschen, die du dir zu der/den Stimme/n vorstellst, genau deine Vorlieben erfüllen und Dinge, die nicht beschrieben werden, kannst du dir hinzudenken. Dass dadurch fehlende Diversität ausgeglichen werden könnte, brauche ich fast nicht zu erwähnen, ist aber ein enorm wichtiger Faktor. Ein weiterer Vorteil von Audioformaten ist ihre Abstraktheit. Das klingt erstmal … abstrakt, aber im Umkehrschluss bedeutet das, dass im Film nur Dinge vorkommen können, die auch konkret darstellbar sind. Das heißt: Gedanken, Gefühle oder Rückblenden sind im Porno-Film nur in Ansätzen möglich. (Ob und wie das im Audio im Einzelnen gelingt, dazu komme ich später.)
Etwas gewöhnungsbedürftig ist hingegen die Notwendigkeit der Beschreibung. Wenn im Film ein Körperteil dargestellt wird, ist keine Benennung notwendig. Im Audio-Porno kann das anders sein: Genauso wie beim Sexting oder beim Dirty-Talk brauchen wir Worte, die sich nicht komisch anfühlen und damit die Immersion brechen. Aus Gesprächen mit Freund*innen und Bekannten habe ich mitgenommen, dass sich die meisten Menschen mit englischen Bezeichnungen wohler fühlen als mit deutschen. Wenn man sich mit der eigenen Reaktion (oder die des Gegenübers) auf bestimmte Bezeichnungen auseinandersetzt, wird allerdings klar, dass sie viel mit Gewöhnung zu tun hat. Ob wir nun beispielsweise über die Bezeichnung „Lustlippen“[2] für die Vulva stolpern oder über das Wort Vulva selbst, hängt mit der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Tabus zusammen.
Und was ist noch in der Waagschale?
Besonders Diversität wird auf den meist rosa dominierten Websites der einzelnen Anbieter hervorgehoben und die Offenheit der Angebote für LGBTQ+[3] und andere unterrepräsentierte Gruppen betont. Beim Reinhören fällt jedoch schnell auf, dass vor allem die bekannten (binären) Geschlechter-Konstellationen „Frau – Mann“ oder „Frau – Frau“ (selten mehr als zwei oder drei Personen) dargestellt werden. Ob die Leerstellen, wie ich sie beschrieben habe, ausreichen, um queere Personen anzusprechen, kann ich von meinem persönlichen Standpunkt aus schwer beurteilen.
Auffällig ist, dass im Audio-Porno die Möglichkeit, Gedanken von Personen wiederzugeben, vor allem dazu genutzt wird, Gefühle zu beschreiben. Wie jemand aussieht, steht dabei im Hintergrund. Böse Zungen könnten dies als Bedienung von Vorurteilen (wie zum Beispiel: „In ‚Frauen-Pornos‘ geht es nur darum, ob die Frau sich wohlfühlt und alles ist pastellfarben.“) bezeichnen, aber demgegenüber steht die Bandbreite und Möglichkeit der meisten Plattformen, Wünsche oder Content einzubringen. Das Angebot ist also immer eine Momentaufnahme, ein Entwicklungsprozess. Ganz besonders – und da unterscheiden sich Audio-Pornos nicht von ihren Schwestern mit Bild – handelt es sich aber um eine Aufnahme, also ein Medienprodukt, das zu einem bestimmten Zweck konzipiert, produziert und bearbeitet wurde. Und selbst wenn das Ziel die sexuelle Erregung der Rezipient*innen ist, heißt es trotzdem nicht, dass es allen gleichermaßen gefällt. Weil auch im Audio-Bereich die Angebote recht verschieden sind, möchte ich jetzt einige Plattformen und Apps vorstellen, die ich mir genauer angeschaut und angehört habe.[4]
A wie Audio Desires
Die Website wirbt mit „erotic audio stories for women and couples“ und bietet kostenlose Teaser ihrer Stories an. Diese Teaser sind auch über deine Podcast-App (sogenannte Podcatcher) und Spotify verfügbar und geben einen guten Einblick in die Stories. Wer mehr testen will, kann sich einen kostenlosen Account anlegen und einige ausgewählte Aufnahmen in voller Länge (ca. 20 Minuten) hören. Dabei fällt auf, dass die Teaser Ausschnitte aus den ersten Dritteln der Gesamtaufnahme beinhalten, aber schon dort der aufwändige und detaillierte Aufbau des jeweiligen Settings deutlich wird. Meistens sprechen eine oder mehrere Personen, die gemeinsam „klassische“ Porno-Situationen inszenieren. Durch die Ich-Perspektive der Schilderungen gewinnt die Szenerie jedoch an Tiefe und erlaubt einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Personen. Da jedoch unterschiedlich erfahrene Sprecher*innen beteiligt sind, lässt sich manchmal nur schwer zwischen direkter Rede und Gedanken unterscheiden, was unfreiwillig komisch wirken kann. Besonders im Vergleich mit den anderen Anbietern besticht hier der immersive Einsatz von einzelnen Soundelementen (wie beispielsweise das Anstoßen mit Weingläsern) und teilweise komplexen Soundscapes, die die jeweilige Situation illustrieren. Neben diesen Hörspielen bietet die Website auch sogenannte Guides und die Vernetzung in einer Community an. Außerdem kann man zwischen englischen, spanischen und deutschen Inhalten nicht nur auswählen, sondern auch wechseln. Da die Vornamen oder Pseudonyme der Sprecher*innen prominent genannt werden, ist es möglich, Stimmen zu folgen oder nach Männer- und Frauenstimmen zu filtern. Zusätzlich ist eine Suche nach bestimmten Akzenten möglich. Der Erwerb eines Premium-Accounts schaltet weitere Folgen in voller Länge frei und wer möchte, kann über die Seite Sextoys kaufen, die sich mit verschiedenen Folgen synchronisieren lassen.
E wie Emjoy
Auch die App Emjoy bietet die Möglichkeit, sich kostenlos anzumelden und damit auf ein begrenztes Angebot zuzugreifen. Die genauen Konditionen sind allerdings etwas versteckt und hier zu finden. Der Content ist in englischer Sprache und bietet persönliche Anpassungsmöglichkeiten und Themenschwerpunkte. Das Angebot spiegelt allerdings nur einen Teil der möglichen Facetten wider. Insgesamt wird bei Emjoy eine starke Verbindung zwischen sexueller Aktivität und Gesundheit (von Mental Health bis zur Vorbeugung und Erklärung von bestimmten Krankheiten ist einiges vertreten) aufgebaut. Auch in Benachrichtigungen der App wird diese Verbindung betont. Die recht kurzen Folgen (ca. 5-10 Minuten) skizzieren ein Setting und nutzen dabei zu Beginn vereinzelt Hintergrundgeräusche, die im Verlauf abnehmen. Zwischen direkter Rede und Beschreibung der Szene aus Sicht einer Figur lässt sich leicht unterscheiden, dafür gibt es in den Episodenbeschreibungen leider keine Kennzeichnung, welche Sprecher*innen beteiligt sind. Schlagworte, welchem Geschlecht die jeweiligen Figuren zugeordnet sind, und welche Art von Interaktion stattfindet, sind ebenfalls angegeben, aber recht reduziert. Insgesamt ist die App etwas ausgefeilter als die Inhalte, aber wer es personalisiert, portabel und auf den Punkt mag, kann sich dieses Angebot genauer anschauen.
F wie Femtasy
Diese Website und ihr Content sind in englischer, deutscher und französischer Sprache auswählbar und wirbt mit einer 14-tägigen kostenlosen Testphase. Um diese freizuschalten, musst du allerdings ein Jahresabo abschließen und bereits deine Zahlungsinformationen hinterlegen, obwohl du – so die Versprechung – vor Ablauf der Testphase erinnert wirst, dass du noch rechtzeitig kündigen kannst. Für Studis gibt es 50 % Rabatt auf das Jahresabo, als Schüler*innen und Azubis müsstet ihr euch an den Support wenden, weil die Prüfung nicht so einfach ist. Wenn ihr euch aber vorab über die Bandbreite des Angebots informieren wollt, könnt ihr ein paar Fragen beantworten und bis zu vier ausgewählte Teaser hören. Diese sind unterschiedlich explizit und werden überwiegend von einer Person gesprochen, deren Vorname oder Nickname meist angegeben ist. Daneben gibt es auch hier ein paar Schlagworte zum Inhalt und zur Ausdrucksweise. (An einigen Stellen konnte ich diese Kategorien allerdings schwer nachvollziehen.) Der entscheidende Unterschied zu den bereits vorgestellten Anbietern ist, dass bei Femtasy eine Geschichte vorgelesen wird. Dabei ist die Stimme mancher Sprecher*innen gehaucht und mancher geraunt, aber darüber hinaus nicht an den Inhalt angepasst; auf Immersion mittels Sounddesign wird hier weitestgehend verzichtet. Die Rubriken Stories, Sounds und Soul unterscheiden sich wenig von den Angeboten anderer Plattformen. Es mag der Übersetzung von Soul mit „Selbstliebe“ geschuldet sein, aber es überrascht doch etwas, dass unter dieser Rubrik häufig die Gefühle oder Beziehungen der sprechenden Person zu einer anderen beschrieben werden. Nach eigenen Angaben der Website ist dieses Angebot „female-centric“ und sieht sich selbst nicht als Porno, weshalb ich es als erotische Hörgeschichten bezeichnen würde. Das Audio-Angebot wird des Weiteren durch einen Blog ergänzt, auf dem anonyme Beiträge zum Thema Lust veröffentlicht werden.
G wie Girl on the Net
Eine sehr ähnliche Idee, das Thema Lust hörbar ins Internet zu bringen, hat die einstige Sexbloggerin Girl on the Net. Neben eigenen Aufnahmen führt sie auch Gastbeiträge und Features auf ihrer Website. Im Vergleich zu den anderen Angeboten, ist sie eher als Indie-Content-Creator zu bezeichnen, die bei Kooperationen alle Urheber*innen (Artworks, Stories und Sprecher*innen) prominent angibt. Das Angebot ist grundsätzlich frei verfügbar, aber eine Unterstützung ihrer Arbeit ist via Patreon möglich. Ausschließlich in englischer Sprache werden Geschichten von meist einer Person vorgelesen. Mit ruhiger, vergleichsweise neutraler Stimme werden zu Beginn nicht nur die Urheber*innen genannt, sondern auch Inhalts-/Trigger-Ankündigungen vorangestellt. (Außerdem wurde eine Barriere des Audio-Contents im Internet abgetragen, indem zu den einzelnen Episoden redigierte Transkripte zur Verfügung gestellt werden.) Ebenfalls ohne Sounddesign sind die Geschichten aus der Perspektive einer Person geschildert, können aber auch die Ansprache eines Gegenübers beinhalten. Aktualität erhalten die Episoden durch die Art der Auswahl: Die Bloggerin beschreibt, dass sie mithilfe von Google Analytics aus beliebten einschlägigen Geschichten eine Vorauswahl trifft und ihre Unterstützer*innen abstimmen lässt, welche sie als Nächstes bearbeiten wird. Dadurch sind diese nicht darauf angewiesen, aus einem bestehenden Angebot herauszufiltern, was ihnen gefällt, sondern können indirekt beeinflussen, was produziert wird.
V wie Vanilla Audio …
Diese Plattform gibt verschiedenen Content-Creators, die sich über Reddit vernetzen, ein Zuhause. Geteilt werden allerdings nur Audio-Inhalte, die den Werten und Vorgaben der Seite entsprechen und sich an „Männer und Frauen“[5] richten, die sich eher für eine zarte und harmoniebetonte Beschreibung von Lust interessieren. Einige Audios sind frei verfügbar und können auch „non-erotic“ sein, andere hingegen sind nur für finanziell unterstützende Mitglieder (über Patreon) zugänglich. Die genaue Ausgestaltung der Inhalte ist von den jeweiligen Creators abhängig.
… oder wie Voxxx
Dieses Angebot richtet sich speziell an Menschen mit Klitoris und hält Masturbations-Einladungen bereit. Die weit über 100 – ursprünglich nur französischsprachigen – Episoden werden nach und nach auch auf Englisch herausgebracht. Auf der Website sind sie (nach Anmeldung) frei verfügbar oder über einen Podcatcher zu finden. Nach Sprachen getrennt, sind dort zwei verschiedene Feeds hinterlegt. Da jede Woche neuer Content erscheint, hilft die Filterfunktion auf der Website bei der Suche nach Meditation, Fiktion, Erregung und anderen Kategorien. Wer das Angebot finanziell unterstützt, kann mitentscheiden, welche Themenschwerpunkte in den kommenden Episoden behandelt werden.
Die jeweiligen Aufnahmen sind hochwertig und reduziert auf eine freundliche (meist weiblich gelesene) Stimme, die sich namentlich vorstellt. Im Kontrast zu den anderen vorgestellten Formaten werden die Hörer*innen begrüßt, direkt angesprochen und informiert, was diese erwartet. Durch eine Art geführte Meditation soll die Aufmerksamkeit auf das Körpergefühl gelenkt und ein seichter Einstieg ermöglicht werden. Nach einer Beschreibung, wie die eigenen Hände wann, wo und wie lange eingesetzt werden können, werden dem Ende einer Episode bewusst wenige Minuten ohne Sprache eingeräumt. Da dieses Angebot aber auf eine synchrone Mitverfolgung (ähnlich wie bei Fitness-Videos) angelegt scheint, ist hier der Zeitaspekt besonders kritisch zu sehen: Die Länge der Audio-Aufnahme kann die Zeit, in der verschiedene Menschen erregt werden, schlicht nicht widerspiegeln. Zur Verdeutlichung, dass ich mit dieser Auffassung nicht allein bin, vielleicht ein kleines Beispiel: Bei der Recherche, ob diese oder jene Anbieter bei Streaming-Plattformen verfügbar sind, bin ich auf eine öffentliche Playlist einer Privatperson gestoßen, die einige Episoden aus dem Angebot von Voxxx enthielt. Daneben verschiedene Musik, unter anderem Teile des Soundtracks aus der Verfilmung von Fifty Shades of Grey – so schließt sich der Kreis. Ihr seht also, dass eine einzelne Episode aus dem Angebot für viele Menschen besser „mit Verlängerung“ funktioniert.
Das war’s?
Natürlich nicht! Wie ihr wahrscheinlich bemerkt habt, habe ich mich bei allen Angeboten vor der Paywall aufgehalten, um die Vergleichbarkeit zumindest grundsätzlich zu wahren (und weil ich für einen ersten Überblick nicht bei allen möglichen Plattformen ein Abo abschließen wollte). Manchmal reicht schon ein kurzer Teaser, um festzustellen, dass die Umsetzung einen nicht anspricht. Weil die Option, innerhalb einer Testphase zu kündigen, in den Apps Ferly und Dipsea ziemlich intransparent war, habe ich sie hier nicht näher eingebunden. Wer die Nutzung dieser Angebote allerdings in Betracht zieht, kann im Monats- oder Jahresabo von den nett gestalteten Apps profitieren. Insgesamt möchte ich mit diesem Artikel niemanden zum Kauf anhalten, sondern lediglich über das Thema sowie seine Vor- und Nachteile informieren. Wenn ihr nun neugierig geworden seid und vielleicht sogar ein Angebot gefunden habt, dass euch anspricht, ist es nicht verwerflich, dafür zu bezahlen. Wie es in vielen anderen Bereichen inzwischen etabliert ist, für hochwertige und ethisch produzierte Produkte (etwas mehr) Geld auszugeben, sollten auch im Porno-Bereich Content-Creators finanziell wertgeschätzt werden. (Wenn ihr mehr über diesen Diskurs erfahren wollt, schaut mal nach #payforyourporn.)
Kann es ein Fazit geben?
Die farbliche Gestaltung und (Eigen-)Werbung der Plattformen lassen den Gedanken kaum zu, aber: Es ist nicht alles rosa-rot. Manche Kritikpunkte gelten für den Audio-Porno wie für den Porno-Film, wie etwa die Tatsache, dass es sich um Medienerzeugnisse und nicht um die Realität handelt, die wir dort hören oder sehen. Das heißt, es wird eine Story konzipiert, Menschen erwecken diese zum Leben, und Dinge, die bei der Umsetzung nicht funktionieren oder schieflaufen, bekommen wir im fertigen Produkt nicht mit. Auf diese Weise entsteht in vielen Köpfen ein Ideal, das es so gar nicht gibt; es können nicht immer neue Superlative entstehen, ebenso wie nicht jeder Orgasmus der beste des Lebens sein kann. Der (weibliche) Orgasmus wird auch im Audio-Porno oft als Ziel gesetzt, obwohl dieses in Ansätzen aufgeweicht wird. Trotzdem ist diese Haltung kritisch zu betrachten, da sie suggeriert, dass Menschen, die keinen Orgasmus erleben (können), keine erfüllte Sexualität haben. Zudem kann die Verbindung von Sexualität und Lust mit (mentaler wie körperlicher) Gesundheit, wie sie von manchen Plattformen sehr explizit gemacht wird, einen großen Druck auf Menschen aufbauen, die in dieses Bild von vermeintlicher Normalität nicht hineinpassen. Obwohl die Abbildung des Facettenreichtums von Identität und Sexualität im Audio-Porno deutlich zugenommen hat (beispielsweise „dürfen“ hier auch Männer stöhnen), wird trotzdem viel zu oft ausgeklammert, dass einfach nicht jede Person mit ihren Vorlieben angesprochen werden kann. Die Frage ist also weniger: „Ist das normal?“, sondern vielmehr: „Bin ich Teil der Zielgruppe?“ Die Möglichkeit, mitzubestimmen, welcher Content erstellt wird, birgt immerhin die Chance, dass Anbieter auf individuelle und gesellschaftliche Veränderungen reagieren können. Bei aller Individualität möchte ich trotzdem festhalten, dass es beim Thema Pornografie und dem Umgang mit ihr noch viele Baustellen gibt. Allerdings eröffnet die Nutzung eines anderen Mediums neue Möglichkeiten, die noch lange nicht ausgeschöpft sind.
Und über Audio hinaus?
Wenn ihr mehr über ethische und diverse Angebote im Bereich Porno erfahren wollt, schaut euch gerne die Beiträge von Madita Oeming auf Social Media an. Um eure (neuen) Lieblings-Creators/Performer*innen zu unterstützen, sucht sie auf ihren Kanälen und erfahrt dort, wo Content von und mit ihnen zu finden ist. Auf diese Art könnt ihr euch meistens sicher sein, dass ihr nichts illegal Veröffentlichtes schaut und die richtigen Personen von eurem Support profitieren.
[1] Die folgenden Analysekriterien wurden analog zu Michael Titzmanns Unterscheidung zwischen Text und Bild gebildet. [Titzmann, Michael: Interaktion und Kooperation von Texten und Bildern. In: Medien und Kommunikation. Eine interdisziplinäre Einführung. Hrsg. v. Hans Krah u. Michael Titzmann. 3. stark erw. Aufl. Passau 2013. (325-258).]
[2] Zitat nach einem der vorgestellten Anbieter.
[3] Vgl. einzelne Plattformen. Ob inter- und asexuelle Menschen nicht angesprochen werden sollen, oder ob die derzeitigen Iterationen der Websites diese Anpassung noch nicht ergänzt haben, konnte ich nicht herausfinden.
[4] Grundlage für die Beschreibung ist das Modell von Götz Schmedes. [Schmedes, Götz: Medientext Hörspiel. Ansätze einer Hörspielsemiotik am Beispiel der Radioarbeiten von Alfred Behrens. Münster 2002.]
[5] So die Beschreibung auf der Website.
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Lena Hortian
Ich mag gutes Essen (wer tut das nicht?) und treibe tatsächlich gerne Sport, obwohl mein Schweinehund da auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Zeitgleich studiere ich Literatur und Medien. Meine Wahlheimat Münster ist für das alles und noch viel mehr zum Glück bestens geeignet, auch wenn ich mir als Rheinländerin hier noch ein paar Berge wünsche.
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