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Über die Rettung der Orang-Utans und deren Lebensraum
Benni Over sitzt seit dem zehnten Lebensjahr im Rollstuhl. Trotzdem tut er alles, um die vom Aussterben bedrohten Orang-Utans zu retten. Ein Interview.
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Ein Interview mit Benni Over über Klimaschutz, Rescue-Camps und Palmöl.
Benni Over sitzt seit dem zehnten Lebensjahr im Rollstuhl und ist an schleichendem Muskelschwund (DMD) erkrankt. Trotzdem tut er alles, um die vom Aussterben bedrohten Orang-Utans zu retten und sich für den Regenwald einzusetzen.
Wir wollten genauer wissen, was ihn bewegt und wie schlimm die Lage ist.
Wieso muss der Regenwald gerettet werden? Und was haben die Orang-Utans damit zu tun?
Überall auf der Welt muss der Regenwald erhalten werden, denn die Wälder spielen mit ihrer Flora beim Klimawandel eine entscheidende Rolle. Sie binden beim Wachstum aus der Atmosphäre große Mengen an CO2 in Form von Kohlenstoff und speichern diesen in ihrer Biomasse. Bei diesem Prozess setzen sie außerdem den für uns lebenswichtigen Sauerstoff frei. Die Zerstörung der Wälder wiederum stößt große Mengen an CO2 aus und trägt somit zur globalen Erwärmung bei. Außerdem verlieren durch die Regenwaldabholzung viele einheimische Menschen ihre Heimat und Nahrungsgrundlage.
Die Orang-Utans spielen für die Regenwälder eine ganz besondere Rolle. Aufgrund ihrer Futterauswahl und dem anschließenden Ausscheiden derselben, sorgen sie für den Fortbestand gesunder Wälder. Jene Wälder, die den Sauerstoff produzieren, den unsere Welt gerade in Zeiten des Klimawandels so dringend braucht.
Wie kam es dazu, dass du dich für die rotbraunen Menschenaffen einsetzt? Was sind deine Beweggründe?
Begonnen hat alles mit einem Besuch im Berliner Zoo vor fünf Jahren. Ich stand den ganzen Tag vor dem Orang-Utan-Gehege und habe dem Spiel der Menschenaffen zugeschaut. Vor allem hat mich der kleine Bulan fasziniert, der soviel Quatsch und Blödsinn gemacht hat. Irgendwie haben mich die Augen des kleinen Orang-Utans berührt.
Danach habe ich ausgiebig im Internet recherchiert und die schlimme Wahrheit herausgefunden: Die rothaarigen Waldmenschen sind vom Aussterben bedroht, weil die Menschen ihren Lebensraum durch Regenwaldabholzungen oder Brandrodungen zerstören; um dann darauf Palmölplantagen aufzubauen.
Das hat schon jetzt dazu geführt, dass es auf Sumatra nur noch 54.000 und auf Borneo nur noch 14.000 wildlebende Tiere leben. Am allerschlimmsten aber ist: Wenn die Bulldozer – oft illegal – zur Abholzung anrücken und Orang-Utans in den Bäumen auf der Flucht sind, werden sie gejagt und einfach getötet. Oft werden gezielt nur die Mamas in den Bäumen abgeschossen und das überlebende Jungtier wird mitgenommen. Es kommt sogar vor, dass Orang-Utans ins Ausland geschmuggelt oder als Haustiere verkauft werden, wenn sie noch ganz jung sind. Man vermutet, das jährlich 1000 Orang-Utan-Waisen auf diese Weise verschwinden.
Nur, wenn Hilfsorganisationen von den Abholzungen erfahren oder diese von Einheimischen informiert werden, dann haben die Kleinen eine Überlebenschance.
Sie werden dann in Rettungs-Camps aufgenommen und dort erstmal medizinisch versorgt.
In den Rettungs-Camps erhalten die Babys eine menschliche Ersatzmutter und gehen erst nach einer Quarantänezeit in eine Babygruppe, danach in den Waldkindergarten und später in die Waldschule. Dort lernen sie alles, was sie sonst von ihren richtigen Orang-Utan-Mamas gelernt hätten: Klettern, zu unterscheiden, was sie essen dürfen und wie man ein Baumnest für die Nacht baut. Wenn die Waisen im Camp gesund aufgewaschen sind und alles gelernt haben, werden sie ausgewildert und dürfen in einem geschützten Regenwald in Frieden und Freiheit leben. Das dauert meist zwischen 6 und 8 Jahre; solange, wie Orang-Utans normalerweise auch bei ihren eigentlichen Mamas bleiben würden.
Du sagtest, dass du 2016 in Borneo warst und dir ein Bild gemacht hast. Was hast du vor Ort erlebt?
Ich war mit meiner Familie zwei Wochen in Borneo. Davon eine Woche in West-Kalimantan und eine Woche in Ost-Kalimantan. Wir haben drei Orang-Utan-Camps besucht und Umweltschützer getroffen. Wir waren bei den einheimischen Dayak im Dschungel und haben in drei Schulen mein Projekt vorgestellt. Wir sind über schlammige Plantagenwege gefahren, standen vor einer zusammengebrochenen Brücke und haben über eine Hängebrücke unsere Reise in den Dschungel zu einem Urwalddorf vorgesetzt. Wir haben in einem traditionellen Langhaus geschlafen und mystische Zeremonien miterlebt . Ich habe alternative Projekte zu Palmöl in einer Fabrik mitten im Dschungel kennengelernt und viel über nachhaltige Anbaumethoden von einheimischen Nutzpflanzen erfahren.
Ich habe aber auch verbrannte und gerodete Waldflächen gesehen, bin durch kilometerlange Palmölpflanzungen und über vergiftete Flüsse gefahren.
Mir wurde das ganze Ausmaß der Regenwaldabholzung vor Augen geführt: für die Orang-Utans, den Regenwald und die lokale Bevölkerung – und dazu für das Klima.
Was möchtest du den Menschen an die Hand geben? Was muss sich ändern?
Aus meiner Sicht gibt es kein ausreichendes Bewusstsein für die Problematik „Regenwald vs. Klimaschutz“. Zwar hat die Hitze im Sommer 2018 das Thema in die Medien gebracht, aber viel zu wenig auf dringende Handlungsalternativen verwiesen, um bzgl. Klima (noch) eine Wende zum Guten zu bewirken.
Wenn ich z.B. mit Präsentationen in Grundschulen unterwegs bin, wissen Kinder anschließend, was sie tun können, um zu helfen: z.B. wo man auf Produkten findet, ob Palmöl drin ist, dass man auf Nutella verzichten und Schokocreme selbst herstellen kann usw.
Kinder sind wichtige Botschafter in die Familie. Sie wissen nach unserer Veranstaltung mehr als ihre Eltern und können somit auf das Konsumverhalten in der Familie Einfluss nehmen. Dies tun sie aus vollster Überzeugung, denn sie haben begriffen, dass die Regenwaldzerstörung dramatische Folgen für das Klima und damit für ihre Zukunft hat.
Wir leben in Deutschland in einem sehr reichen Land, haben aber mit unserem Konsum einen großen Anteil an den negativen Folgen für die Umwelt, das Klima, die lokale Bevölkerung und in der Konsequenz für die Schöpfung. „Wir essen (über Palmölprodukte) quasi unsere Schöpfung auf“.
Ich wünsche mir von den Mitmenschen, dass sich jeder der rund 80 Mio. Einwohner in Deutschland täglich drei Dinge vornimmt und diese auch umsetzt, um Gutes für die Umwelt zu bewirken. Die Liste der Möglichkeiten ist groß.
Von den Politikern (Bundes- und Landtagsabgeordnete) hierzulande wünsche ich mir, dass sie mit Grundschüler_innen und Schüler_innen weiterführender Schulen täglich eine Stunde per Facetime oder Skype Fragen zu den Themen Umwelt, Klima und Bildung Fragen beantworten, Ideen und Vorschläge aufnehmen und erläutern, wie sie die Dinge im Parlament auf den Weg bringen können – und später über ihre Erledigung berichten.
Ich wünsche mir außerdem den Ausstieg aus der Kohleverstromung, ein definiertes Ende der Verbrennungsmotoren und ein Zurück zu einer natürlichen Landwirtschaft – und dann, dass Palmöl aus dem Tank verschwindet und Deutschland seiner Vorbildrolle in Sachen Klima wieder gerecht wird.
Die lokale Bevölkerung in den betroffenen Ländern braucht dringend Hilfe, indem man sie von der gewaltigen Palmöl-Industrie ´befreit´. Sie verkaufen ihr Land für ´ n Appel und n Ei´, laufen später als Kuli in Palmölplantagen rum und haben keine Möglichkeit mehr zu einer eigenen Landwirtschaft. Deutsche Entwicklungshilfe muss – in Absprache mit den betroffenen Ländern – direkt in konkrete Projekte fließen, welche sich zum Ziel setzen, Arten, Natur, Umwelt und Klima zu schützen und von denen sich die lokale Bevölkerung ernähren und leben kann.
Du hast neben dem Kinderbuch „Henry rettet den Regenwald“ auch ein Sachbuch für Jugendliche und Erwachsene geschrieben. Was kannst du darüber erzählen?
Nach der Reise haben wir mit meiner Familie überlegt, dass es über unserer Erlebnisse und vielen Begegnungen mit den Menschen in Indonesien ein Buch geben soll, damit wir damit über die Situation in Indonesien berichten können.
Dafür konnten wir Frau Christina Schott als Autorin gewinnen. Sie ist eine in Indonesien lebende deutsche Journalistin. Informationen über Christina Schott und ihre Arbeit finden Sie unter www.weltreporter.net/schott. Frau Schott ist unsere gesamte Reise nachgereist und hat mit all jenen Menschen Interviews geführt, welchen wir begegnet sind.
Das Buch ist nicht nur eine Reisereportage, sondern arbeitet zudem mit Einschüben zur aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung in Indonesien und den alles überlagernden Themen Arten- und Umweltschutz sowie Klimawandel.
Mein zweites Buch mit dem Titel „Im Rollstuhl zu den Orang-Utans – Eine Reise um die halbe Welt, um den Regenwald zu retten“ wendet sich an Jugendliche und Erwachsene und ist von mir im August 2018 im gleichen Verlag wie schon das Kinderbuch, im Papierfresserchen MTM-Verlag, herausgegeben worden.
(Anmk. d. Redaktion: Wir werden noch ausgiebig über die Bücher in Folgeartikeln berichten.)
Vielen Dank, Benni, für das spannende Interview!
Benni arbeitet mit folgenden Rettungsorganisationen zusammen:
SOC/Sintang Orang-Utan Center
Masarang-Fondation
BOSF/Borneoorangutanfoundation Deutschland und Indonesien
Weiterführende Links:
Henry rettet den Regenwald
Fans For Nature
Über Orang-Utans
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