Bildung und Karriere / Kultur und Medien
Ich bin eine Selbstbetrügerin
Ich bin eine Selbstbetrügerin. Ich ordne mein ganzes Leben mit To-Do-Listen und Deadlines aber dann schaffe ich nur einen Bruchteil der Aufgaben.
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
“Mein ganzes Leben ist ein einziger gebrochener Vorsatz, eine riesige To-do-Liste […] Am Ende der Woche habe ich dann maximal drei von 24 Punkten abgehakt.“
Dieser Beitrag ist eine Antwort auf den Artikel „Aus dem Leben einer Teilzeitchaotin“.
Ich bin eine Selbstbetrügerin. Ich ordne ebenfalls mein ganzes Leben mit To-Do-Listen und Deadlines auf herausgerissenen Zetteln, die in meiner Tasche zerknittern, übersäht mit wilden Ausrufezeichen und der dazu geschmierten Einkaufsliste. Ebenfalls erledige ich nur einen Bruchteil der niedergeschriebenen Aufgaben.
Aber anstatt mich meinem faulen Schweinehund zu stellen, betrüge ich mich selbst.
Nachdem ich unliebsame Punkte von einer To-Do-Liste auf die nächste übertragen habe, reicht es mir irgendwann und ich handle: “Mein XING-Profil überarbeiten? Das ist gerade überhaupt nicht wichtig. Diesen Punkt kann ich streichen”.
Wenn man die Zeit zusammenrechnet, wie oft ich mir vorgenommen habe mein XING-Profil zu überarbeiten, und wie oft ich es auf eine neue To-Do-Liste geschrieben habe, dann würde ich schon längst auf einen Zeitrahmen kommen, in dem ich mein XING-Profil tatsächlich hätte bearbeiten können. Sogar mit Foto! Aber stattdessen sitze ich hier und schreibe einen Text darüber.
2013 war das Jahr der Prokrastination. Das Internet hatte ein neues Wort gelernt und auch heute ist es noch ein beliebter Zeitvertreib, über den man twittern kann. Ich prokrastiniere nicht nur gerne, ich rechtfertige meine Prokrastination auch noch. Da ich im Gegensatz zu vielen anderen Studenten nicht das Problem habe, früh genug mit dem Lernen anzufangen läuft mein Stresserleben ungefähr so ab: Das Semester läuft seit 3 Wochen. Ich realisiere: In drei Monaten stehen schon die Prüfungen an. PANIK! Und ich muss in den nächsten vier Wochen vier Präsentationen vorbereiten. PANIK!
Ich fange sofort an zu lernen und die Präsentationen vorzubereiten, weil ich das Gefühl habe viel zu wenig Zeit zu haben. Der ganze Stress setzt mich so unter Druck, dass ich schon zwei Monate vor den Prüfungen ein nervliches Wrack bin, was sich im Höhepunkt mit einer elendigen Heulattacke ausdrückt. Ab dann bin ich wieder ruhig und entspannt – und mache nichts mehr für ein paar Tage. Um genau zu sein: Hier beginnt mein Selbstbetrug. “Ich habe mir zwar vorgenommen das Skript für „Dienstleistungsmanagment“ schon einmal zusammenzufassen, aber ich glaube jetzt, dass das nicht mehr nötig ist. Das Fach ist doch nicht so kompliziert. Ich würde mir nur unnötig Arbeit machen.”
Ich beginne meine Vorsätze und Erwartungen herunter zu schrauben und habe allerlei gute Gründe dafür, die ich mir als plausibel einrede.
Da ich (Wirtschafts-)psychologie studiere, weiß ich dieses Verhalten sogar mit einem Fachbegriff zu benennen: Reduzierung kognitiver Dissonanzen. Oder wie Sigmund Freud es erklären würde: Mein Ich versucht mein Über-Ich rational zu beschwichtigen, weil beide wissen, dass sich mal wieder das Es durchgesetzt hat.
Am Ende des Semesters freue ich mich dann über bestandene Klausuren, die immerhin eine Zwei vor dem Komma ziert. Natürlich hatte ich mal den Anspruch eine Eins dort stehen zu haben, aber ich habe mich doch überzeugen können, dass das einfach nicht im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt und außerdem sind Arbeitserfahrung und Persönlichkeit doch viel wichtiger als Noten! Ich betrüge mich selbst, aber es geht mir gut dabei. Ich habe das Gefühl, dass ich die meiste Zeit meinen Ansprüchen gerecht werde. Und darum geht es doch, dass man mit sich selbst im Reinen ist.
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