Kultur und Medien / Musik

Warum Vinyl so in Mode ist

Schallplatten sind so modern wie nie und das schon seit Längerem. Woher kommt der Trend mit der Platte und wie baut ihr eine eigene Sammlung auf?
| Joshua Sans |

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Joshua Sans

Schallplatten sind so modern wie nie und das schon seit Längerem. Auch in Münster gibt es mehrere Läden, die von gebraucht bis neu ein großes Plattensortiment bieten. Woher der Trend kommt, plötzlich wieder ein vermeintlich veraltetes Medium zu nutzen, und was ihr alles braucht, um selber eine Vinylsammlung aufzubauen, erfahrt ihr hier!

Die ersten Schallplatten gab es bereits um 1887, damals wurden sie allerdings aus Zink hergestellt. In der Funktionsweise glichen diese ersten Tonträger schon den heute üblichen Vinylplatten. Vereinfacht lässt sich sagen, dass eine zuvor eingeritzte Tonspur, die in Rillen von außen zur Plattenmitte läuft, durch eine Nadel erfasst wird. Dadurch entsteht Schall, der früher zu Zeiten des Grammophons durch einen großen Trichter verstärkt wurde und heutzutage elektrisch lauter gemacht wird. Doch auch ohne Verstärkung kann man sich den Inhalt der Platte anhören. Wenn ihr einen Schallplattenspieler zuhause habt, könnt ihr das ganz einfach testen, indem ihr nur den Plattenspieler, nicht aber den Verstärker, einschaltet, eine Vinyl auflegt und mit dem Ohr nah an die Nadel herangeht.

Nach Zink war dann Schelllack das gängige Mittel zur Herstellung von Tonträgern, bis dieser schließlich von dem Kunststoff Polyvinylchlorid, kurz „Vinyl“, abgelöst wurde. Die Vinylschallplatte war einige Jahrzehnte das vorherrschende Medium in Musikindustrie bis Anfang der 1980er Jahre mit der Audio-CD ein neues Format auf den Markt kam. Die Schallplatte hatte in den darauffolgenden Jahren ihren Tiefpunkt erreicht und es schien, als gehöre sie der Geschichte an. Dank einiger DJs, besonders aus der Hip-Hop- und Techno-Szene und Vinylliebhabern, gab es allerdings immer noch treue Fans des Vinyl-Kults, sodass dieser nie ganz verschwand. Seit einigen Jahren ist Vinyl wieder zurück und jeder Musiker, der was auf sich hält, bringt sein neues Album nicht nur digital und auf CD, sondern auch als Schallplatte in die Läden. Dabei sind der Fantasie bei der Gestaltung des Tonträgers keine Grenzen gesetzt: Von Picturediscs, über im Dunkeln leuchtende Schallplatten und der „Toto“-Platte in Afrika-Form, bis hin zur Star-Wars-Vinyl mit Hologramm gibt es nichts, was es nicht gibt.

Allerdings führt das erneute Interesse der großen Musiklabels an Vinyl dazu, dass es zu Produktionsstaus und Engpässen kommt, unter denen kleinere Indie-Labels leiden müssen. Trotz des Booms ist Vinyl immer noch ein Nischenprodukt. Es werden keine neuen Produktionsmaschinen mehr hergestellt und die alten Maschinen kommen gezwungenermaßen früher oder später an ihre Grenzen. Die Wartezeiten für das Pressen einer Platte werden immer länger und einige Vinyl-Liebhaber kritisieren, dass große Labels die Presswerke blockieren. Diese Kritik hört man vor allem, wenn man sich mit Sammlern am „Record Store Day“ (RSD) unterhält. Der jährlich stattfindende RSD stellt für viele Plattensammler den wichtigsten (Vinyl-) Tag im Jahr dar. An diesem besonderen Tag im April erhält man die Möglichkeit, in ausgewählten und unabhängigen Plattenläden eigens für den RSD gepresste Vinyls zu ergattern. Meist handelt es sich dabei um limitierte Sonderpressungen. Oft erscheinen aber auch Platten, die schon unzählige Male in zig verschiedenen Versionen gepresst wurden, was zur besagten Kritik einiger Vinylfans führt.

Dass es aber nicht immer die neusten Pressungen und Alben sein müssen, die einem Sammler das Herz höherschlagen lassen, zeigt die Vielzahl an Läden, die Second-Hand-Vinyl anbieten. Solche Läden kaufen meist ganze Plattensammlungen auf, reinigen sie professionell und bringen sie dann wieder in den Verkauf. Dabei kann man sehr oft Schnäppchen machen und es ist immer wieder eine Freude, sich durch die riesige Auswahl zu wühlen und ein Album zu finden, das man schon lange gesucht hat. Wer keinen Plattenladen in der Nähe hat, kann aber auch im Internet fündig werden. Eine bei Vinylbegeisterten sehr beliebte Plattform ist „Discogs“. Ursprünglich gegründet um Plattensammlungen zu katalogisieren und zu verwalten, kann man seit einigen Jahren auf dem sogenannten Marketplace auch Schallplatten kaufen. Discogs ist außerdem hilfreich, wenn man den Wert einer Platte bestimmen möchte: So kann man die Platte über den Titel, den Interpreten und das Erscheinungsjahr bis hin ins kleinste Detail identifizieren und sich den durchschnittlichen Verkaufspreis anzeigen lassen.

Woher das seit einigen Jahren wieder aufkommende Interesse letztlich kommt, lässt sich nur erahnen. Ich vermute, dass vor allem junge Menschen in Zeiten von Streaming Anbietern und Playlists wieder ein physisches Medium in den Händen halten wollen. Ein Album zu streamen oder es sich als Platte zu kaufen macht einen riesen Unterschied in der Nutzung. Das ist für mich auch der entscheidende Vorteil der Schallplatte. Man setzt sich viel bewusster mit der Musik auseinander, da es nicht so einfach ist ein Lied zu skippen oder nur mal kurz in einzelne Songs reinzuhören. In dem Moment, in dem die Platte anfängt sich zu drehen und die Nadel langsam herunter gleitet, leitet man einen Prozess ein, der sich erheblich von einem einfachen Klick auf Play unterscheidet. Dabei möchte ich Streaming Dienste nicht verteufeln, da ich diese auch selber und viel häufiger als den Plattenspieler nutze. Ich sehe die Schallplatte eher als ein Medium, das man nutzt, wenn man sich Zeit nehmen möchte, Musik bewusst zu genießen. Ein Vorgang, der in Zeiten des Überangebots an Online Medien und der ständigen Verfügbarkeit von Musik oft zu kurz kommt.

Soweit, so gut. Wenn ihr jetzt mit dem Gedanken spielt, selber mit dem Sammeln anzufangen, braucht ihr zwangsläufig noch ein paar wertvolle Utensilien, die in keiner Grundausrüstung fehlen dürfen. Zu allererst benötigt man natürlich einen Schallplattenspieler. Dabei sind von unter hundert bis zu mehreren tausend Euro dem Portemonnaie keine Grenzen gesetzt. Vor allem Putzfaule sollten allerdings mit dem Gedanken spielen, sich einen Spieler mit Haube zuzulegen. So schützt man das Gerät vor einem der größten Feinde des Vinyls: dem Staub. Staub ist sowohl für den Plattenspieler, als auch für die fragilen Rillen der Schallplatten ungesund. Um zu verhindern, dass zu viel Staub an die Plattensammlung gerät, solltet ihr immer genügend Schutzfolien im Haus haben und die Platte vor jedem spielen mit einer Carbonbürste reinigen. Beide anti-staub-Waffen kann man bereits für kleines Geld in Onlineshops und bei Fachhändlern kaufen. Ebenfalls wichtig ist die richtige Lagerung der Schallplatten. Der Platz sollte nicht zu warm sein, da sich die Platten ansonsten verformen können. Man sollte Schallpatten auch niemals auf einander legen! Das Gewicht führt ebenfalls zu dauerhaften Verformungen. Am besten lagert man seine Platten aufrecht, preisgünstige Regale, die passgenau der Höhe einer 12“ Platte gerecht werden, findet man bei einem bekannten Möbelhersteller aus Schweden.

Neben dieser Grundausrüstung gibt es noch einige Gerätschaften, die audiophile Techniknerds vor Freude in die Luft springen lassen. Schallplatten-Waschmaschinen, Tonarmwaagen und Gerätschaften, die Platten nach Verformung wieder begradigen, sind nur einige davon. Wie viel Zeit und Geld man in den Aufbau der eigenen Sammlung stecken und wie ausgefuchst das Plattenspieler-System sein soll, bleibt jedem selbst überlassen. Viele Bücher und Zeitschriften wie „Mint“ können dabei helfen, das Verständnis für das Medium Schallplatte zu schulen und das eigene Expertenwissen auszubauen.

Am Ende zählt es aber nicht, wie viele Platten man besitzt, wie viel Geld man schon in sein Hobby gesteckt hat oder wie viel Ahnung man von Nadelsystemen und Antiskating hat. Solange ihr musikbegeistert seid und einen Fable für Nostalgie habt, ist das Sammeln der schwarzen Kunststoffscheiben genau das Richtige für euch!

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Joshua Sans

Während meines Politik- und Islamwissenschaftsstudium arbeite ich nebenbei daran, aus dem Interesse am Schreiben Kapital zu schlagen, um so die Leiden der Lohnabhängigkeit etwas erträglicher zu machen. Neben pseudointellektueller Kapitalismuskritik interessiere ich mich vor allem für Sprachen, politische Theorie und Musik in (fast) all ihren Erscheinungsformen.

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