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Was über Birnen für die Birne
Dies ist eine kleine Reise durch die geschichtliche, mediale und kulturelle Bedeutung der Birne.
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Weil wir uns alle momentan wohl wünschen, dass manche mächtigen Menschen etwas mehr ihre Birne verwenden: ein Beitrag über Birnen.
Dies ist eine kleine Reise durch die geschichtliche, mediale und kulturelle Bedeutung der Birne, weil es sicherlich keine relevanteren Themen gibt, die besprochen werden müssten. Wer will sich schon über so seichte Themen wie den Klimawandel , systemischen Rassismus oder Sexismus sowie die Unsichtbarmachung und Ausgrenzung von trans* und nonbinären Identitäten bilden? Nein, heute kommt ein wirklich wichtiges Thema auf den Tisch.
Es ist Obst im Haus
Die Birne kennen wir meist von klein auf: Süß, saftig und stets irgendwo in unserem kulturellen Bewusstsein. Anders als ihre Schwester, die Glühbirne, bringt das Obst immer noch regelmäßig hungrige Menschen zum Strahlen.
Die Glühbirne dagegen wurde schon 2012 – Na, fühlst Du Dich alt? – in Deutschland verboten. Aufgrund ihrer schlechten Energiebilanz ist sie in den meisten Haushalten von LEDs, Light-Emitting-Diodes, abgelöst worden. In einigen wenigen Hippiehaushalten ist die einzige Erleuchtungsquelle dagegen LSD. Aber zurück zu den ballaststoffreichen ABC-Waffen der Obstwelt.
Die ABC-Waffen der Obstwelt
Birnen sind zwar trotz des etymologischen Ursprungs ihres Namens nicht explosiv, aber schlagen mit Vitamin A, B und C richtig durch, was die Stärkung des Immunsystems angeht. Okay, aber was ist jetzt mit der Etymologie, also dem Wortursprung gemeint?
Zwischen Pyrotechnik und Papyrus
Gestatten, die Gatten: Die Gattung der Birne heißt Pyrus, wie pýr (griechisch) für Feuer. Statt Pyro-Effekten könnte man ja mal versuchen Pyrus-Effekte bei irgendwelchen Shows einzusetzen. Das wäre sowohl weniger gefährlich und umweltfreundlicher als auch schlichtweg leckerer.
Und eine von Birnen inspirierte Schriftart, die auf -Pyrus endet, wäre sicher weniger in Popkultur und Design verschrien, als die Font Papyrus. Sogar hier auf Seitenwaelzer wurde diese Schrift – oder sollte ich dieses Meme einer vergangenen Ära sagen? – bereits heiß diskutiert, nämlich in dieser Folge Spontan Spontan.
Da hatte wohl irgendwer mal eine Sauklaue
Anders als im deutschen Sprachraum wird die Birne in diversen anderen Sprachen immer noch, der Wurzel entsprechend, mit P geschrieben. So heißt sie auf Englisch pear, im Französichen poire und sogar unsere Nachbar*innen in den Niederlanden kennen die Birne als peer.
Aber Deutschland musste mal wieder, an dieser Stelle stelle man sich bitte glitzernde Special-Effects vor, wAs GanZ bEsOnDeReS sein und ihr P um 180 Grad drehen und spiegeln. Oder vielleicht war es auch ein Fehler, aber nein, nein, das kann ja gar nicht sein, dass sich durch Sprachwandel oder schludrige Handschriften sowas einschleicht. Völlig absurd.
Irgendwo weint derweil die Musiknote „h“, weil sie buchstäblich überall außer im deutschen Sprachraum b heißt aus selbigen Gründen.
Total Old-School
Birnen sind übrigens auch uralt: So alt, dass man sich nicht absolut sicher ist, wie alt sie nun sind. Aber man hat sogar in einer Schweizer Höhle getrocknete, prähistorische Birnenscheiben aus der Eiszeit gefunden. Klingt doch nach einem coolen Snack für den Sommer. Könnte nur ein bisschen hart sein.
In China, weit bevor Zheng He mit seinen Flotten losschipperte, schrieb bereits vor 1200 Jahren ein Dude namens Shi Jing über das Obst! So lange schon geht uns die Frucht durch die Birne! „Das gibt’s ja nicht“, könnte man jetzt nun halbherzig sarkastisch murmeln. Und das gibt es wirklich nicht. Na ja, fast. Blickt man nämlich von China nach Japan, klingt das japanische Wort für Birne wie Nicht existieren.
Zum Vernaschen
Nashi-Birnen, ein Importschlager, sind nicht zum Naschen so benannt worden, sondern zum Augenrollen. Denn diese Bezeichnung ist nun wirklich eine tautologistische Double-Duo-Dopplung.
Das Wort Tautologie beschreibt übrigens das rhetorische Mittel von Dopplungen, hurra!
Und warum ist Nashi-Birne eine Tautologie? Nashi ist das japanische Wort für Birne und Birne, nun ja. Lasst euch die Birne-Birne schmecken, Leute.
Birnen – Auch was für Fantasynerds
Nicht nur bei Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland galt: „Ein Birnenbaum in seinem Garten stand“, wie es im wohl berühmtesten deutschen Gedicht über Birnen heißt. Nein, auch in der Edo-Zeit (im Japan der Jahre 1603 bis 1868) waren die Birnbäume beliebt in Gärten. Und zwar aus einem uns heute teilweise obskur erscheinenden Grund: Man pflanzte sie als Talisman, zum Schutz vor bösen Geistern und Dämonen.
Für schnurrbartzwirbelnde Monokelträger*innen
Einst waren Birnen übrigens nicht so erschwinglich wie bei uns im Supermarkt: Während Äpfel und Birnen heute quasi zum „Standardobst“ gehören, galten sie früher als Delikatesse für Reiche, genau wie Pfirsiche.
Apropos Reiche: Während Kunst und Illustration heute durch das Internet viel dislokaler, also ortsungebundener und zugänglicher sind, waren sie früher noch größtenteils einer Elite vorbehalten. Diese konnte auch durch Bezahlung die Bildinhalte und Orte bestimmen.
Umso besser, dass der Beginn einer Politisierung und Demokratisierung der Kunst durch reproduzierende Massenmedien stattgefunden hat! Hui, was für ein Satz. Die Idee ist durch Walter Benjamin, einem kulturoptimistischen, jüdischen Philosophen geprägt, der in den 1920er Jahren zur sogenannten Frankfurter Schule gehörte.
Ey, ich dachte es geht um Birnen?
Ja, gleich wieder. Jetzt erstmal was zur Frankfurter Schule. Uff, und was war das jetzt nochmal? Die Frankfurter Schule ist durch die Begründung der Kritischen Theorie im Bereich der Gesellschaftstheorie bekannt.
Ey, nicht wegklicken!
Ich zitiere mal kurz unser aller sehr seriöse Lieblingsquelle Wikipedia: Die Kritische Theorie befasst sich mit der Analyse „der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft“. Genauer ist ein wichtiger Aspekt „die Aufdeckung ihrer Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen und die Hinterfragung ihrer Ideologien, mit dem Ziel einer vernünftigen Gesellschaft mündiger Menschen“.
Hinterfragung von Ideologien und vernünftige Gesellschaft? Klingt erstmal nicht schlecht. Walter Benjamin schreibt jedenfalls in Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Keine Sorge, gleich geht es weiter mit Funfacts über Birnen) effektiv, wie funky fresh und nice es ist, dass man durch Fotografie und Film Abbilder von Originalen machen kann.
Liberté, Egalité, lauter Drucké
Und wieso? Weil diese dadurch ganz vielen Menschen zur Verfügung gestellt werden können. Dadurch finden die Leute Zugang zu Informationen, Bildung und Kultur, die sonst keinen oder weniger Zugriff darauf hätten. Coole Sache. So viel zum Thema Politisierung von Kunst.
Birnen in der Kunst
Zurück zu den Birnen und ihrer Rolle in der Kunst: Auch früher kamen sie bereits in diversen Bildern vor: in Mosaiken, Stillleben, sogar in Skulpturform auf Särgen. Im Römischen Reich, im antiken Ägypten und auch in christlichen Darstellungen taucht die Birne immer wieder auf.
Die Birne wird ob ihrer Form sogar als Name für bestimmte Edelsteinschliffe oder als Bezeichnung für Körperformen verwendet. Die Form der Birne allein hinterlässt also eine Spur in der Geschichte unserer Gesellschaft.
Pear-sönlich bin ich da auch nicht ganz unschuldig:
Und wer sich an dieser Stelle noch immer nicht gefragt hat, warum er oder sie so viel Kram über Birnen liest, der oder die kann ja mal einen Blick auf eines von Paul Cézannes Birnenbildern werfen, denn meine Güte, hat er viele Birnen gemalt. Scheint er gerne gegessen zu haben. Oder es gab nichts anderes. Sad.
Alternativ könntet ihr euch mal den verdammt guten Poetryslamtext von Florian Stein zum Thema Äpfel und Birnen anhören. Falls ihr was Witzigeres als potenziell verhungernde Maler*innen konsumieren wollt, viel Spaß.
Und wer weiß, vielleicht ist im nächsten Artikel endlich die Zeit gekommen, Äpfel und Birnen zu vergleichen.
Abschließend könnt ihr euch hier noch durch ein paar der verwendeten Quellen klicken, falls ihr gerade zufällig eine Hausarbeit oder Ähnliches prokrastinieren wollt:
https://hort.purdue.edu/newcrop/janick-papers/pearinhistory.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Edo-Zeit
https://www.metmuseum.org/art/collection/search/435883
https://www.nga.gov/collection/art-object-page.136014.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Pear
https://en.wikipedia.org/wiki/Walter_Benjamin
https://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Schule
https://de.wikipedia.org/wiki/Kritische_Theorie
https://www.vitamine.com/lebensmittel/birne/
https://blogs.transparent.com/latin/fruit-symbolism-in-antiquity/
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Alex Schmiedel
Seit 2019 unterstütze ich das Team mit Illustrationen, Gestaltung, Artikeln und einer stets schwingenden intersektionaler Feminismus-Keule. Ursprünglich bin ich jedoch als Fan des Heldenpicknicks auf Seitenwaelzer gestoßen. Meinen Bachelor habe ich in Mediendesign in Münster absolviert und nun studiere ich Medienwissenschaft im Master in Bochum und arbeite im Bereich Mediendesign. Für Interactive Fiction, Podcasts, Animation und Musik schlägt mein Herz, ebenso wie für Aufklärung über diverse politische Themen, insbesondere Geschlechterdiversität und medizinische sowie antiableistische Gleichberechtigung.
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