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Ein Jahr im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes

Wenn man darüber nachdenkt, ein Jahr Pause von der Lernerei zu nehmen, bevor man das Studium oder die Ausbildung beginnt, […]
| Patrick Schuster |

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Verändert nach Goumbik | Pixabay

Wenn man darüber nachdenkt, ein Jahr Pause von der Lernerei zu nehmen, bevor man das Studium oder die Ausbildung beginnt, denken viele an ein Jahr im Ausland oder ein freiwilliges soziales Jahr. Aber was ist eigentlich der Bundesfreiwilligendienst? Wir haben bei Viktor aus Münster nachgefragt!

Wie genau nennt sich deine Beschäftigung?

Bundesfreiwilligendienst(ler/in) bzw. kurz BFDler oder Bufdi.

Wo und wann hast du den Bundesfreiwilligendienst gemacht?

Ich habe meinen BFD an der Jugendburg Gemen in Borken gemacht (Gemen ist ein Stadtteil von Borken). Das ist eine Jugendbildungsstätte vom Bistum Münster. Hier gibt es Bildungsangebote für hauptsächlich junge Menschen, wobei auch Erwachsene und ältere Menschen die Jugendburg besuchen. Es gibt die Möglichkeit, das Programm der Burg wie zum Beispiel TRO (Tage religiöser Orientierung), Firmungswochenende oder Ähnliches zu nutzen, oder ein eigenes Programm durchzuführen. Für den Aufenthalt gibt es Häuser für Übernachtungen und eine Küche, die für etwa 330 Personen Essen stellen kann.

Angefangen habe ich am 01.10.2012 und war ab dann ein Jahr dort. Oft beginnt der Dienst im August oder September, die Dauer ist normalerweise ein Jahr, aber er kann auch über mindestens 6 Monate oder 2 Jahre geleistet werden. Während dieser Zeit habe ich mit fünf weiteren Personen auf der Burg im Hauptgebäude gewohnt.

Mehr Informationen zu den Möglichkeiten nach dem Abitur gibt es in unserem E-Book „Abi – und dann?„.

Wie kamst du zu deiner Stelle? Wie hast du von ihr erfahren?

Nach dem Abitur 2012 hatte ich keine Zusage von den Fachhochschulen und Unis, an denen ich mich beworben hatte. Ein Freund und ein weiterer Bekannter von mir haben einen BFD und ein FSJ (Freiwilliges soziales Jahr) im vorherigen Jahr an der Jugendburg gemacht und mir ab und zu davon erzählt. Da es sich sehr interessant anhörte auf einer Burg zu wohnen, habe ich mich beworben und wurde angenommen.

Wie lief das Bewerbungsverfahren ab?

Ich habe kurz angerufen, anschließend eine schriftliche Bewerbung versandt und wurde dann zu einem Gespräch eingeladen. Nach dem Gespräch bekam ich die Zusage. Ich hatte den Vorteil, dass ich zwei Leute kannte, die im Jahr vorher ein BFD bzw. FSJ gemacht hatten. Durch diese Bekanntschaft wusste ich viel über die Burg und konnte damit punkten.

Was hast du während des Jahres gemacht/machen müssen?

Die Arbeit war eingeteilt in vier Bereiche: Küchen-, Spät-, Hausmeister- und Gartendienst, zwischen denen man immer wöchentlich gewechselt hat. Man war meistens mit mindestens einer fest angestellten Person beim Arbeiten. Die Aufgaben waren zu Beginn nur Kleinigkeiten und wurden, je nach Lernprozess und Vorwissen, größer und bedeutender. Man brauchte aber in keiner Weise zwingendes Vorwissen für die Tätigkeiten (Genaueres später).

Wie kann man sich einen typischen Tag in deiner Stelle vorstellen?

Im Küchendienst waren die typischen Aufgaben: Tische decken, an der großen Spülmaschine helfen, Kleinigkeiten schnippeln, Nachtisch portionieren und ähnliche kleine Aufgaben. Wenn die Gäste mittags Essen bekamen, wurde dabei geholfen, das Essen auszugeben.

Beim Spätdienst saß man ab nachmittags im Empfang, gab Schlüssel aus, beantwortete Fragen der Gäste und machte Burgführungen. Abends musste man im Burgkeller Bier, Sekt, Wein und andere Getränke verkaufen, für Musik sorgen und nachts gegen 1:00 Uhr eine Runde durch und um die Burg machen und nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Am Sonntag war immer der Tag der Abreise für alle Gäste. Hier musste man ab dem Morgen die Zimmer und Gästehäuser überprüfen und nebenbei einige Kleinigkeiten erledigen. In der Woche sind auch einige Gäste Ab- bzw. Angereist, wodurch sich vielfältige Aufgaben ergaben: Zum Beispiel Zimmer überprüfen, ob diese ordnungsgemäß hinterlassen wurden.

Der Hausmeisterdienst erforderte oft etwas handwerkliches Können, jedoch konnten auch unerfahrene und unbegabte Personen arbeiten. Man war mit dem Hausmeister unterwegs und machte so ziemlich alles, was ein Hausmeister auf einer Burg halt so machen muss. Morgens musste man oft Mülltonnen leeren und große Container an die Straße stellen. Ansonsten gab es Dinge zu reparieren und elektrische, sanitäre, heizungstechnische und klimatechnische Anlagen zu überprüfen. Ab und zu fuhr man mit dem Hausmeister zum Wertstoffhof oder machte andere Besorgungen. Hierbei gab es oft verschiedene Aufgaben und es wurde nie langweilig.

Der Gartendienst fing besonders im Winter früh an. So musste man bei Schneefall sehr früh aufstehen, einige Wege mit Kies und Sand bestreuen und generell Wege begehbar halten. So gab es einige Tage mit starkem Schneefall, an denen ich nur damit beschäftigt war, mich um die Wege zu kümmern. Sonstige typische Aufgaben waren: Hecken und Rasenflächen schneiden, manchmal einen Ast oder Baum entfernen, Pflanzen wässern und viele weitere Aufgaben, die typisch für einen Gärtner sind. Da es viel Grünfläche an der Burg gibt, gab es immer genug Arbeit und es war immer interessant. Ich konnte mich körperlich betätigen, soweit ich wollte und konnte.

Was für Erfahrungen hast du mitnehmen können? Was hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen?

Am meisten geprägt haben mich der Hausmeister- und der Gartendienst. Durch das ständige „in-Ordnung-bringen“ von Dingen unter Einsatz von handwerklichen Fähigkeiten hat sich mein Verhalten im Alltag verändert. Seitdem neige ich schnell dazu, Kleinigkeiten im Haushalt sofort anzugehen und zum Beispiel eine quietschende Tür zu ölen oder ein Schloss auszubauen und zu reparieren. Das bemerkte ich, als ich mit ölverschmierten Händen und dem ausgebauten Türschloss in der Wohnung meiner Eltern stand, einige Minuten, nachdem ich zu Hause angekommen war. Diese Tür war schon lange laut und es hat mich immer gestört, aber erst an diesem Tag ging ich das Problem ohne groß zu überlegen an.

Durch den ständigen Umgang mit diversen Pflanzen im Gartendienst sehe ich nicht einfach irgendwelche grünen Pflanzen, wenn ich durch die Gegend laufe, sondern weiß diese zu unterscheiden und kann über einige etwas erzählen. Auch die Fähigkeiten, die ich im Gartendienst erlernt habe, konnte ich privat einsetzen.

Hast du Seminare während des Jahres belegt? Haben diese dir weitergeholfen?

Das Programm des BFD, FSJ und FÖJ (Freiwilliges ökologisches Jahr) sieht fünf Seminare für das Jahr vor. Eines davon konnte ich aufgrund einer Erkrankung nicht besuchen, die übrigen vier habe ich sehr genossen. In diesem konnte man, wenn man sich darauf eingelassen hat, viel über sich selbst lernen. So habe ich meine Selbstreflexion verfeinert, einige interessante Denkweisen kennengelernt, das Verhalten und Zusammenarbeiten in einer Gruppe verbessert und viele nette Leute getroffen. Ich war so begeistert von den Seminaren, dass ich der Meinung bin, dass man solche in ähnlicher Form in Schulen integrieren sollte. Sie stärken das Selbstvertrauen, die Akzeptanz in einer Gruppe und verbessern das Agieren von Einzelnen in einer Gruppe. Allgemein kann man sagen, dass die Gruppe als Ganzes nach solchen Seminaren sozial und arbeitstechnisch besser funktioniert.

Wem würdest du ein Jahr im Rahmen des BuFDi empfehlen?

Generell würde ich es jedem Menschen empfehlen, der gerade die Schule abgeschlossen hat. Vor allem aber Leuten, die einfach nicht wissen, was sie machen sollen, wie es oft bei den Abitur-Absolventen ist.

Zum BFD generell kann man sagen, dass man Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen sammeln und im Nachhinein gewissermaßen sagen kann, was einem liegt oder was man überhaupt nicht machen möchte. Zudem wird man von einer Person im Jahr begleitet und hat regelmäßig Gespräche mit dieser. Man wird durchgehend darauf vorbereitet, was man machen wird, wenn das Jahr vorbei ist.

Gibt es Gründe, aus welchen du Anderen vom BuFDi abraten würdest?

Nein.

Abschließende Worte

Es gibt viele Gründe, warum ich heute noch sage, dass es eines der besten Jahre meines Lebens war. Ein großer Faktor sind die Menschen, die ich in diesem Jahr getroffen habe. Alle Mitarbeiter der Jugendburg waren sehr herzlich und es gab nie Probleme untereinander. Meine Mitbewohner und ich haben uns sehr gut verstanden und sind teilweise so stark zusammengewachsen, dass ich zu drei davon immer noch Kontakt habe und ab und zu etwas mit ihnen unternehme.

Insgesamt kann man sagen: Das Jahr auf der Burg war eine sehr wichtige und wertvolle Erfahrung für mich.

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