Kino & Serie / Kultur und Medien
Filme 2023 – Perlen, Zeitverschwendung und Co.
Von spannenden Missionen, gewaltigen Explosionen und großen Gefühlen: 2023 war wieder alles dabei. Blockbuster und Filmperlen im Überblick.
Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Willkommen zum Vorspann
2023 hat vor allem eins gezeigt: Auch große Namen können fallen. Unnötig aufgeblähte Budgets lassen Filmstudios tief in den roten Zahlen stecken. Sichere Gewinne gehören der Vergangenheit an. Zurecht lässt sich fragen: Wofür wurde das Geld nur ver(sch)wendet?
Erfolgreich waren oft kleinere Streifen: Niedrigere Kosten bedeuten eben geringeres Risiko. Wird dann eine kreative Idee – oder ein bekanntes Konzept – gut umgesetzt, werden die Zahlen schneller grün.
Ob Kino oder Streaming, von Blockbuster bis Indie-Hit, als Vollkatastrophe oder absolute Überraschung: Gefühlt war 2023 alles dabei. Meine Liste ist selbstredend weder vollständig noch sind alle Starttermine eindeutig 2023 zuzuordnen. Manche Filme waren auch erst dann in Deutschland verfügbar. Wie immer: Die folgende Einschätzung ist rein subjektiv. Sie soll Zeitverschwender offenbaren, Perlen aufzeigen und Empfehlungen aussprechen.
Ganz schön blutig
Weiterhin auf seinem blutigen Pfad ist er eine echte Legende. John Wick: Kapitel 4 ist eine Liebeserklärung an Stuntkunst und Actionkino. Story sowie Logik werden in den fast 3 Stunden erschossen, erstochen oder in Flammen gesetzt. Keanu Reeves gerät schon fast zur eigenen Karikatur. Scott Adkins darf im Fatsuit kräftig zulangen. Eindeutiges Highlight ist jedoch Donnie Yen: Was er als blinder Kämpfer abliefert, Wahnsinn! Insgesamt zu langer, aber großartiger Style over Substance.
Sisu ist ein simpler Rachefilm: Böse Nazis stehlen einem ehemaligen Elite-Soldaten sein Gold und lassen ihn zum Sterben zurück. Aber der Mann weigert sich einfach zu sterben. Nun jagt er als erbarmungslose Ein-Mann-Armee durch die Ödnis. Finnland bietet fortan neben tollen Landschaftsaufnahmen vor allem jede Menge kreative und sehr blutige Tode. Verpackt als knackiger 90-Minüter im Grindhouse-Stil kommen hier Fans grimmiger Gewalt auf ihre Kosten.
Blood & Gold verlagert die Handlung nach Sonnenberg, Deutschland. Dort suchen sowohl fiese Nazis als auch gierige Einwohner nach dem versteckten Gold einer ermordeten jüdischen Familie. Inmitten dieses Pulverfasses versuchen ein Fahnenflüchtiger und eine Bäuerin einfach nur zu überleben. Eine enge Atmosphäre, gute Kulissen und heftige Gewaltmomente sorgen hier für eine Seltenheit: eine gelungene deutsche Produktion.
In The Equalizer 3 sorgt auch Robert McCall wieder für brutale Gerechtigkeit. Das frische Italien-Setting sorgt für schöne Urlaubsgefühle. Denzel Washington vereinnahmt mit seiner einzigartigen Aura. Davon lebt die Geschichte, denn die Action-Szenen sind rar gesät. Oftmals ist es eher die Vorfreude als der eigentliche Akt, der ein zufriedenes Grinsen auslöst. Wenn McCall allerdings miese Mafiosi aufmischt, dann wird es richtig gewalttätig.
Erneut im Einsatz ist auch Söldner Tyler Rake. Extraction 2 folgt dabei der Formel seines Vorgängers: Einfache Geschichte, gut inszenierte Action. Für letztere beweist Regisseur – und vor allem langjähriger Stuntman/Stunt-Koordinator – Sam Hargrave wieder sein Talent. Chris Hemsworth kämpft, schießt und blutet sich durch seine Mission, großartige One-Take inklusive. Für Action-Fans eine klare Empfehlung.
Auch Südkorea liefert seinen gewohnten Teil zum Blutzoll bei. Project Wolf Hunting hält sich dabei kaum mit einer ernsthaften Handlung auf. Auf dem von Kriminellen gekaperten Schiff überlebt eh niemand lang genug, um irgendein Interesse an einzelnen Personen zu entwickeln. Die Gewalt ist so stumpf brutal und das Blut fließt so übertrieben, dass Fans härterer Gangart hier durchaus ihre Freude haben können.
Und jährlich grüßt das Franchise
Schon schade, dass der Streifen nicht Fast10UrSeatbelts lautet – den Vorschlag eines Fans fand ich ja köstlich. Fast X ist besser als sein katastrophaler Vorgänger und erreicht solides Dumm-aber-unterhaltsam-Level. Dass die Hälfte hier nicht schauspielern kann und jeder Physiker Schnappatmung bekommt, sollte bekannt sein. Für den intimen Abend mit dem Subwoofer reicht es aber, wenn die Gehirnzellen mal wieder früh ins Bett müssen.
Transformers: Rise of the Beasts, nun ohne Michael Bay. Der bisherige grauenvolle Humor der Reihe entfällt. Die Hauptfigur ist wirklich sympathisch und trägt so eine recht dünne Geschichte. Die Maximals sind eine coole Ergänzung zu Optimus Prime und Bumblebee. Was fehlt, ist Bays Auge für einzigartige Aufnahmen und Action. Diese ist damit nur Durchschnitt – auch, wenn der Ton gewohnt kräftig rumst.
Poster: Paramount Pictures
Großartige erste 20 Minuten offenbaren Indiana Jones und das Rad des Schicksals verschenktes Potenzial: Indy gegen böse Nazis, Action auf und mit Zügen, der fantastische Soundtrack. Dann drängt nur leider eine extrem unsympathische Enkelin einen sichtbar gealterten Harrison Ford in die Ecke. Diese besteht aus auffälligen Green Screens. Die Action ist redundant und wenig handfest. Das schnell öde Abenteuer endet mit einem finalen Tiefpunkt.
Die Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds and Snakes – was ein Brecher – erzählt vom Aufstieg Snows 70 Jahre zuvor. Der kann sich gut entwickeln, die Tributin nicht. Sie wird schon nach 10 Minuten als fertige Heldin präsentiert. Die romantische Chemie der beiden funktioniert dann überhaupt nicht. Die Spiele selbst sind unerwartet öde. Erst die spätere Welterkundung in District 12 hat wieder ihre Momente – aber bei über 2 ½ Laufzeit ist man da schon recht müde.
König der Fortsetzungen ist Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins. Bösewichte gab es schon bessere bei der Reihe, die seit Jahren immer wieder abliefert. Humor und Action sitzen aber erneut wie angegossen: Hayley Atwell ist eine tolle Bereicherung und Tom Cruise riskiert Kopf und Kragen für spektakuläre Unterhaltung. Die Verfolgungsjagd in Italien und der Ausflug mit dem Zug sind herausragende Sequenzen.
Viele Helden, wenig super
DC holte mit Blue Beetle noch einen neuen – finanziell wenig erfolgreichen – Helden aus der Tasche. Shazam – Fury of the Gods suchte verzweifelt seine Existenzberechtigung: Die Geschichte war im gelungenen ersten Teil schon komplett erzählt. Auch Aquaman: Lost Kingdom kann seinem Vorgänger nicht das Wasser reichen. Der Abschlussfilm des DC Extended Universe (DCEU) ist harmloses, aber vergessliches 0815-Gedudel ohne echten Witz.
Der war The Flash. Dessen Humor ist speziell, um es irgendwie in Worte zu fassen. Optisch ist das eine der größten Frechheiten, die jemals für so viel Geld ins Kino durfte: bodenlose Effekte und ein Look wie im Drogenwahn. So ertrinkt eine eigentlich tiefgehende Grundidee von schmerzhaftem Verlust: in Kindergartenhumor, unangenehmen Anspielungen auf bessere Filme und schlechtem Schauspiel. Der Hauptdarsteller ist zu allem Überfluss noch gewalttätig.
Marvel brauchte nicht einmal die schlechten Vorgänger, um das Publikum von The Marvels und Ant-Man and the Wasp: Quantumania fernzuhalten. Zum Erbrechen schlechte Trailer und Promo reichen absolut aus. Zumindest Guardians of the Galaxy Vol. 3 konnte überzeugen: Wunderbar farbenfroh und voller toller Aufnahmen. Die Geschichte trifft mit ihrer tiefgehenden Botschaft einfach voll ins Herz. Auf Spider-Man: Across the Spider-Verse trifft das ebenfalls zu.
Renaissance des Epos
Oppenheimer ist einer der größten Erfolge 2023. Das 3-stündige Biopic ist jedoch gerade im ersten Drittel sehr chaotisch. Der starke Fokus auf amerikanische Politik sorgt dafür, dass Oppenheimers Bürde als Zerstörer der Welten höchstens angerissen wird. Trotz gutem Spiel von Cillian Murphy bleibt der Physiker selbst daher unnahbar. Bekannte Namen, große Bilder und donnerndes Getöse verschleiern hier einen fehlenden Kern. Vom eigentlichen Los Alamos-Projekt hätte ich gerne einen ganzen Film gesehen. Das großartige Ende bleibt jedoch mit seiner zynischen Botschaft dauerhaft im Kopf.
Mit Killers of the Flower Moon zelebriert Martin Scorcese seine Version von Kino. Knapp 3 ½ Stunden Laufzeit verlangen dabei ordentlich Sitzfleisch. Fans werden dafür mit cleveren Dialogen, guten Schauspielern und einer eindringlichen Botschaft belohnt. Einmal reicht das Werk mit Lily Gladstone, Leonardo DiCaprio und Robert De Niro aber – für mich – vollkommen aus.
Mit Napoleon bietet Ridley Scott spitzenmäßige Schlachtszenen. Joaquin Phoenix mimt den Tyrannen gut. Seine toxische Beziehung mit Vanessa Kirby nimmt viel Raum ein, ansonsten ist die Kinofassung eher ein Schnelldurchlauf und offenbart einige Lücken. Ungewohnt für ein historisches Epos ist der enthaltene Witz, der stellenweise schon fast trashigen Soap-Serien ähnelt.
Poster: Sony Pictures Entertainment Deutschland
Überraschende Perlen
Gran Turismo erzählt die wahre Geschichte von Jann Mardenborough – eine typische Sport-Underdog-Story. Angelehnt an ein Videospiel und ausgestattet mit einem generischen Trailer war hier wenig zu erwarten. Überraschung: Das hier ist eine 1A-Spaßmaschine und war eines der besten Kinoerlebnisse des Jahres – vor allem in der D-Box.
Archie Madekwe ist als Hauptfigur einfach extrem sympathisch. Zusammen mit David Harbour, der wie gemacht als Mentor erscheint, entstehen so immer wieder tolle zwischenmenschliche Momente. Dazu inszeniert Neill Blomkamp ungemein packend und kinetisch. Wie bei seinen vorherigen Werken – District 9, Elysium, Chappie – beweist er ein Auge für besondere Bilder: Aufnahmen von Drohnen und Motoren, Slow-Motions und wiederholte Elemente aus dem Videospiel. Heimlicher Star ist wohl das herausragende Sound-Design. So präzise abgemischt und so satt von seinen Tiefen waren nur wenige Filme der letzten Jahre.
Am kurzweiligsten war 2023 wohl The Pope´s Exorcist. Russel Crowe begeistert als Pater Gabrielle Amorth. Zudem hat Regisseur Julius Avery – Operation: Overlord ist genial – ein Händchen für abgefahrene Themen. Die packende Atmosphäre profitiert von kreativen Aufnahmen und einem immersiven Sound Design. Immer wieder sorgen WTF-Momente für den passenden Kick. Weniger gruselig und mehr heiter bissig ist das hier spaßiger als viele Komödien.
Plane ist Unterhaltung der ehrlichsten Art: Gerard Butler gehört wohl kaum zur Schauspieler-Elite, überzeugt aber oft mit großem Charisma. Seine Paraderolle vom normalen Mann in Ausnahmesituationen sitzt mittlerweile wie angegossen. Hier landet er als Pilot zunächst in einer schweißtreibend packenden Sequenz ein Flugzeug not. Danach beschützt er seine Passagiere vor gefährlichen Kriminellen. Gute Kämpfe, einige Härten und coole Sprüche – wenn B-Movie, dann bitte so.
Guy Ritchie ist wohl am besten für seine lässigen Gangster-Filme bekannt. The Covenant ist daher ein unerwartet ernster Kriegsfilm, ohne all die flotten Sprüche sowie den typischen Humor. Die Geschichte eines verletzten US-Soldaten sowie eines Dolmetschers, der ihn quer durch Afghanistan rettet, lebt von der tollen Verbindung von Jake Gyllenhaal und Dar Salim. Der packende Überlebenskampf bietet zudem gute Action-Sequenzen und ist handwerklich gekonnt inszeniert.
Pearl erzählt die Vorgeschichte der titelgebenden Protagonistin, die später in X auftaucht. Der Horrorfilm – psychische Ebene – zieht einen sofort in den Bann: Das Setting 1918 ist extrem atmosphärisch. Mia Goth brilliert als verträumtes Mädchen vom Bauernhof. Deren Tanzeinlagen täuschen nicht darüber hinweg, dass sie ihre wahnwitzigen Fantasien zur blutigen Realität macht. Gleich mehrfach kommt bei den Highlights – Gewitter, Monolog – ein faszinierender Schauer auf.
Vorhang zu für 2023
2023 war insgesamt ein mäßiges Jahr – filmisch gesehen. Das Superhelden-Genre ist total übersättigt, was sich an generischen Werken und hohen Verlusten zeigt. Von den Blockbustern haben viele die Erwartungen nicht erfüllen können. Gewinner sind oft kleinere Filme, die sich in die Herzen der Kinofans spielen konnten. Den überwältigenden 10 von 10 Streifen habe ich persönlich nicht gesehen.
Ob 2024 angesichts der Nachwirkungen von Streiks in der Filmbranche besser wird, ist zweifelhaft. Etliche Titel sind bereits auf 2025 verschoben worden. Immerhin besteht so aber viel Potenzial, positiv überrascht zu werden.
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Daniel Rublack
… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.
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