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Hör-Empfehlungen für den Sommer

Du hast Lust auf eine neue Geschichte, aber keine Lust zu lesen? Wir haben drei kurze Tipps für Geschichten zum Anhören für dich.
| Dominik Schiffer, Lena Hortian, Michael Cremann |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

cottonbro | Pexels

Der Sommer ist nun richtig angekommen, du liegst auf deiner Picknickdecke im Schatten und der Himmel über dir ist zu hell, um entspannt ein Buch zu lesen? Kein Problem – schließe deine Augen und höre doch stattdessen eine gute Geschichte. Mach dich bereit für die eine oder andere Reise ohne schweißtreibende Bewegung. Wir haben ein paar Empfehlungen für dich zusammengetragen.

Podcast: Faking Hitler – Die wahre Geschichte der gefälschten Hitlertagebücher (Dominik)

Manche Geschichten sind so absurd, dass man sich fragt, wie sie überhaupt jemals jemand glauben konnte. Ein gutes Beispiel ist der Reporter Gerd Heidemann. Der ist Anfang der 80er Jahre einer der gefragtesten Starreporter Deutschlands. Er hat den World Press Photo Award gewonnen, war für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen und hat nach langer Recherche eines der bis dato größten Geheimnisse des Literaturbetriebs des 20. Jahrhunderts gelüftet. Eines Tages fällt ihm dann bei einem Sammler von Nazidevotionalien ein Tagebuch in die Hände, das von Adolf Hitler stammen soll. Heidemann wittert eine Sensation und beginnt zu recherchieren, bis er schließlich Kontakt zu demjenigen hat, der ihm weitere Bände „beschaffen“ kann. Doch der angebliche Händler ist in Wahrheit der Meisterfälscher Konrad Kujau, der die Bücher bald in nächtelanger Arbeit selbst schreibt und den ungeduldigen Heidemann mit einer fantastischen Geschichte nach der anderen vertröstet, bis dies alles zum größten Presseskandal der Bundesrepublik führt.

Der ehemalige Sternjournalist Malte Herwig geht dieser Geschichte mit großer Akribie nach. Er hat Interviews mit den noch lebenden Akteuren geführt, spricht mit Historikern, Museumsmitarbeitern und Händlern. Als Clou kommt noch hinzu: Gerd Heidemann hat damals jedes Telefongespräch mit Kujau auf Band aufgenommen und verwahrt, sodass auch diese Originalaufnahmen ausgewertet und präsentiert werden können.

Obwohl die Geschichte bereits sehr abgedreht beginnt, steigert sie sich in immer bizarrere Zusammenhänge. Entgeistertes Lachen kann man sich ebenso wenig verkneifen, wie auch die Frage „Wie konnten denn all diese Profis darauf reinfallen?“ Die 10 Folgen, die zwischen 30 und 45 Minuten lang sind, gibt es bei unter anderem Spotify und YouTube.

Hörspiel: Die Mondnacht von Stanislav Lem (Lena)

Wer bei sommerlicher Hitze zerfließt, träumt sich bisweilen an einen anderen Ort, vielleicht sogar auf einen anderen Planeten. In dem Hörspiel von Stanislaw Lems Erzählung „Die Mondnacht“ warten zwei Astronauten auf das Ende ihrer Mission auf dem Mond. Durch einen technischen Defekt stehen sie einem moralischen Dilemma gegenüber. (Mehr über den Inhalt preiszugeben, wäre Spoiler.) Kommentiert und karikiert wird das Geschehen von dem sprechenden Bord-Computer. Zum Zeitpunkt der Produktion – 1976 – war das eine hehre Idee! Nicht nur der Stil der Sprecher*innen führt das Alter des Hörspiels beständig vor Ohren, auch manche Ideen zur Problemlösung erscheinen uns heute eher amüsant als innovativ. Trotzdem kann es nachdenklich machen, weil sich Parallelen zu heutigen Problemen einfach nicht leugnen lassen. 

Wenn du jetzt schon neugierig geworden bist, kannst du hier ist das Hörspiel von insgesamt einer knappen Stunde kostenlos hören und herunterladen. Wenn es dir wie mir anfangs geht, und du mit Sci-Fi eigentlich nicht viel anfangen kannst, rate ich dir trotzdem, diesen Klassiker zu hören (und nicht zu lesen), weil gerade durch die Hörspielfassung eine geniale Meta-Ebene ergänzt wird! Ich möchte nicht zu viel verraten, deswegen gibt es nur einen kleinen Hinweis, damit du selbst auf die Suche gehen kannst (ganz ohne schweißtreibende Bewegung): Im Hörspiel selbst wird das Hörspiel zum Hör-Spiel (oder -Ernst). 

Podcast: Tolle Idee! Was wurde daraus? (Michael)

Immer wieder geistern coole Erfindungen und spannende Entwicklungen durch die Medien: Egal ob Rohöl aus Klärschlamm, Stoffe aus Spinnenseide oder selbstheilende Fahrzeugteile, all das ist eine knappe Schlagzeile wert, wird dann aber schnell wieder vergessen. Das einzige, was davon übrig bleibt, ist dieses eine Gespräch auf der Party, bei dem das Gegenüber seine Argumentation mit der einen oder anderen Schlagzeile aus der Wissenschaft unterfüttert, die vor drei Jahren mal als Notification auf dem Handy aufgeploppt ist. Sonst hört man nichts mehr von den bahnbrechenden neuen Erfindungen. 

„Tolle Idee! Was wurde daraus?“ ändert das. Die Redakteur*innen der Deutschlandfunksendung „Wissenschaft im Brennpunkt“ gehen all den alten Erfindungen nach und finden heraus, wie sie sich entwickelt haben und was noch fehlt zur großen Revolution. Spoiler: Meist ist die Grundlagenforschung super gelaufen, aber es lässt sich dann doch nicht skalieren. 

Die Erkenntnisse, die die Recherche liefert, sind spannend und geben einen guten Einblick in die Arbeit von Grundlagenforscher*innen und ihren Problemen mit „der Wirtschaft™“. Das Ganze wird dann zu einem knappen Podcast/Beitrag von ca. fünf Minuten heruntergedampft und bildet so einen schönen Informationshappen für zwischendurch. PodcastProTipp: Besonders gut eignet sich „Tolle Idee! Was wurde daraus?“ für den Übergang zwischen zwei längeren Podcasts zu komplexen Themen – fast wie eine Werbepause in interessant. Als öffentlich-rechtlichen Podcast findet ihr „Tolle Idee! Was wurde daraus?“ am besten auf seiner eigenen Seite, aber auch überall, wo es Podcasts gibt.

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

Lena Hortian

Ich mag gutes Essen (wer tut das nicht?) und treibe tatsächlich gerne Sport, obwohl mein Schweinehund da auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Zeitgleich studiere ich Literatur und Medien. Meine Wahlheimat Münster ist für das alles und noch viel mehr zum Glück bestens geeignet, auch wenn ich mir als Rheinländerin hier noch ein paar Berge wünsche.

Michael Cremann

Ist meist dort zu finden wo die laute Musik für andere klingt wie ein Autounfall. Wirbt Geld für den Guten Zweck ein oder gibt Führungen durch Münsters Ruine Nummer eins. Dazu wird noch getanzt und wenn dann noch Zeit ist, Geschichte und Archäologie studiert.

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