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Shake it – Körperschwallwandler für den extra Kick im Heimkino
Was ist denn ein Körperschallwandler? Eine großartige Ergänzung für das ultimative Heimkino-Erlebnis. Ein Erfahrungsbericht.
Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Der Bass f***t erst dann richtig, wenn der Subwoofer die Katze inhaliert.
Brummhölle für die lieben Nachbarn
Wer nicht gerade mitten im Nirgendwo oder in einer Burg mit zwei Meter dicken Mauern wohnt – Grüße an dieser Stelle – hat sie: Nachbarn. Diese wundervollen Geschöpfe sind oftmals mit sogenannten Ohren ausgestattet und selten begeistert, wenn sie permanent mit heftigem Sound beschallt werden.
Das Problem kenne ich aus eigener Erfahrung: Mit dem Nachbarn verstand ich mich gut, aber seinem Musikgeschmack und dessen Lautstärke konnte ich im Wohnblock wenig abgewinnen. Zwar wurde sich brav an die gesetzlichen Ruhezeiten gehalten, aber Bass ist eben nicht weniger störend, wenn er des Mittags ertönt. Dies ist übrigens einer der Gründe, warum ich selbst mein gesamtes Setup gar nicht erst aufgebaut hatte: Die Beschwerden wären noch aus fünf Türen Entfernung gekommen.
Außer den gleichzeitigen Urlaub aller Nachbarn abzuwarten oder dem künftigen Bau des Eigenheims entgegenzufiebern, um mal richtig Feuer geben zu können, bleiben für Freunde knackigen Sounds keine Optionen. Notgedrungen wird also das System auf geringerer Auslastung gefahren – gut für das Nachbarschaftsklima, schlecht für den idealen Filmgenuss.
Ton und Lautsprecher – ganz kurze Physik
Das menschliche Ohr kann Frequenzen zwischen tiefen 20 und hohen 20.000 Hertz (Hz) wahrnehmen. Im Alter sinkt diese Obergrenze in der Regel bis auf 10.000 Hz und weniger ab.
Klassische Lautsprecher übertragen Töne über die Luft, indem sie Strom in Bewegung verwandeln. Die Magnetfelder der Schwingspule und des Magnets beeinflussen einander und bewegen die Lautsprechermembran im Takt des elektrischen Signals. Dadurch wird die Luft in Schwingungen versetzt, die unsere Trommelfelle als Töne wahrnehmen.
Theoretisch kann daher jede Membrangröße auch alle Frequenzen spielen – allerdings nur bis zu einem gewissen Pegel. Wer kleine Boxen mit kleinen Membranen lauter stellt, wird schnell Grenzen bei der Lautstärke erreichen oder den Lautsprecher zerstören. Lauter ist also nicht automatisch besser, von verzerrten Klangbildern bei schlecht eingestellten Anlagen ganz zu schweigen.
Subwoofer für tiefe Jobs
Subwoofer sind, aufgrund ihrer massiven Bauweise und großen Membranen, für tiefe Töne zuständig. Sie halten einfach mehr aus als andere Arten von Lautsprechern und können ohne Schaden zu nehmen kräftige Bässe ausgeben. Beim sogenannten „Crossover“ wird die Schwelle eingestellt, ab welcher Frequenz sie den Dienst übernehmen. Stellt man das Crossover beispielsweise auf 80 Hz, übernimmt der Subwoofer alle Töne ab unter 80 Hz und schont somit die kleinen Boxen. Sogenannte Regallautsprecher, also größere Boxen, spielen auch weiterhin alle Frequenzen.
Die Unterscheidung von aktiven und passiven Subwoofern ist hier nicht von näherem Interesse. Spannender ist die Aufteilung in Frontfire und Downfire: Beim Frontfire ist die Membran nach vorne ausgerichtet, wie beim klassischen Lautsprecher. Anstatt den Schall nur über die Luft zu übertragen, wird beim Downfire dahingegen direkt in den Boden gefeuert. So macht sich der Subwoofer dessen Schwingfreqenz zu Nutze und überträgt den Bass auf die Art. Je mehr dieser mitmacht, desto stärker ist der Effekt. Beliebt ist das Downfire bei allen, die den Bass gerne spüren wollen. So fühlt man beispielsweise das Stampfen der Dinos aus Jurassic Park wesentlich intensiver.
Körperschwallwandler aka Bass-Shaker aka Butt-Kicker
Körperschallwandler greifen das Prinzip der Eigenschwingfrequenz eines Objekts noch direkter auf: Das Möbelstück wird nicht nur passiv über Vibrationen der Luft oder des Bodens in Bewegung mitversetzt, sondern aktiv. Denn der Körperschallwandler wird direkt am Sofa, Sessel oder sonstigem Gegenstand angebracht.
Dies hat entscheidende Vorteile:
- Timing: Kommt ein Bewegungsimplus über die Luft oder den Boden, benötigt er dafür Zeit. Das Objekt ist also immer etwas später in Bewegung, als der eigentliche Effekt auftritt. Ungefähr wie bei Überschall, wenn der Sound erst nach dem Flugzeug kommt. Beim selbst für die Schwingung sorgenden Körperschwallwandler, der mit der Anlage verbunden ist, kommt der Effekt dahingegen exakt dann, wenn er auftritt.
- Lokalisierung: Passive Bewegungsimpulse setzten alles in Schwingung, was sie erreichen. Klappernde Teller, knarzende Türen oder zitternde Gläser sind bei kräftigen Bassstößen keine Seltenheit. Der Körperschwallwandler setzt nur das mit ihm verbundene Objekt in Schwingung. Dazu später mehr.
Heimkino ohne Abo beim Ordnungsamt
Zum Aufbau meines neuen Heimkinos hatte ich mir schon länger Gedanken gemacht. Der neue OLED-Fernseher war organisiert, für Beleuchtung und Deko gesorgt und auch die Anlage war fest eingeplant. Der Subwoofer flog dann aber nicht aus Sorge vor dem Ordnungsamt, sondern aufgrund eines mangelnden Anschlusses raus – mit dem modernen Verstärker vertrug sich die alte Garde leider nicht.
Der Hinweis eines Freundes brachte mich dann darauf, nicht nur nach einem neuen Subwoofer zu suchen, sondern mich auch mal mit Körperschallwandlern zu beschäftigen.
Auswahl
Schon manche Produktnamen zeigen, worum es eigentlich geht: Earthquake und IBeam laden zum Ritt auf der Rüttelplatte ein. Die intensivsten – teuren – Geräte schaffen eine Anschlussleistung von 600 Watt und können temporär auf 900 Watt überlastet werden. Für all jene, die diese Zahl nicht einordnen können: Schon mal von einem Boxweltmeister K.O. geschlagen worden?
Meine Wahl
Testen und zur Not wieder retournieren – so mein Plan. Ich besitze daher einen Reckhorn BS-200i mit einer Belastbarkeit von 100 Watt, Impulsbelastbarkeit bei 2 Sekunden von 200 Watt und einer Impedanz von 4 Ohm.
Bezahlt werde ich für diese Art von Werbung übrigens nicht. Aber ein gutes Produkt, das mich bisher zufriedenstellt, zu loben, ist eben auch nicht verboten.
Anbau
Das Anbringen des Körperschallwandlers ist ziemlich simpel. Meinem Exemplar waren Schrauben beigelegt, welche ich jedoch mit stärkeren ersetzen werde. Im Prinzip benötigt man am Möbelstück nur eine ausreichend große Fläche, welche mit dem gesamten Objekt verbunden ist. Fehlt diese, kann man sich mit einem Brett behelfen, welches zusätzlich befestigt wird. Wichtig ist nur, dass alle Vibrationen so direkt wie möglich ins Möbelstück übertragen werden. Sollte der Rahmen des Möbelstücks aus sehr hartem Holz bestehen, lohnt es sich vorzubohren. Generell empfiehlt es sich ein Werkzeug mit ordentlich Kraft zu benutzen, damit alles schön fest sitzt. Wer das Möbelstück alleine gekippt bekommt, um den Körperschallwandler zu befestigen, schafft dies übrigens mit etwas Geschick auch als Solo-Projekt.
Verkabelung
Der Körperschallwandler kann wie ein normaler Lautsprecher mit Kupferkabeln am Verstärker angeschlossen werden. Dazu benötigt man allerdings eine zweite Zone im Verstärker, welche dann explizit für den Körperschallwandler verwendet wird. Den Subwoofer-Ton lenkt man dann via Kabel in einen beliebigen Audioeingang und wählt diesen für die zweite Zone aus. Wer zusätzlich einen Subwoofer angeschlossen hat, teilt das Signal am Subwoofer-Ausgang mit einem Y-Adapter zusätzlich auf.
Der erste Test war dennoch ein absoluter Reinfall. Mein Verstärker kann zwar zwei Zonen ansteuern, aber nur beim Tonausgang. Also brauchte ich noch eine externe Endstufe. Das kann ein weiterer Verstärker sein, bei mir ist es ein kleiner mit zwei Anschlüssen für Lautsprecher.
Ohne Entkoppler: mau – mit Entkoppler: wow
Versuch Nummer 2: ¾ Power auf den Körperschallwandler, mittlere Lautstärke auf die Anlage (-30dB). Auf dem Sofa sitzend spüre ich ein leichtes Rumpeln. Beim Anfassen an das Gerät merkt man: Ja, da bewegt sich was. Aber irgendwie ist das Ergebnis … enttäuschend. Zwar spüre ich noch im Flur, dass der Boden bei jedem Bassschlag vibriert, aber auf dem Sofa herrscht nur wenig Betrieb – eindeutig zweideutig. Das ist alles, was man für insgesamt knapp 150 Euro bekommt? Wo ist der versprochene Kick, das ultimative Erlebnis?
Es ist Zeit, die Entkoppler zu testen. Das sind kleine Gummidämpfer, die Schwingungen abfangen – also das Sofa von seiner Umgebung entkoppeln. Neben dem Sofa stehend spüre ich keine Vibrationen mehr im Boden und lege die Hand auf das Leder. Ok, da geht es aber gerade mal so richtig ab. Setzen. HO-LY SH-IT! Wir laufen „nur“ auf 3/4 Power und mittlerer Lautstärke, aber da muss definitiv runtergeregelt werden.
Das Setup
Schnelle Gewöhnung, immer wieder Wow-Effekte
Den Körperschallwandler schalte ich nur an, wenn ich entsprechende Musik, Serien oder Filme schaue. Für Youtube oder ruhige Medien braucht man ihn einfach nicht.
Während der Nutzung bemerkt man manchmal gar nicht oder vergisst sogar, dass der Shaker an ist. In normalen oder ruhigen Szenen herrscht absolute Ruhe. Es stört keine Dauervibration oder ein nerviges Brummen – der Shaker hat Sendepause. Erst ab dem gewählten Crossover – ich habe sehr tiefe 30 Hz eingestellt – übernimmt der Shaker. Aber wie! Der Vorteil bei meinem Setup ist, dass meine Frontboxen Regallautsprecher mit großer Frequenz sind. Ihren tiefen Bass höre ich, den Shaker fühle ich. Diese Kombination ist oftmals ein wahres Erlebnis.
Sehen. Hören. Fühlen
Der Körperschallwandler ist wortwörtlich am besten, wenn es auf die Fresse gibt: Man spürt jeden Schlag und jeden Tritt. Und dank der direkten Übertragung exakt in dem Moment, wo es im Bild einschlägt. Kämpfe werden so auf das nächste Level gehoben.
Selbiges gilt für Schüsse. Jede einzelne Patrone wird mit einem wuchtigen Rumms kommentiert. Dabei spürt man angemessen, also das Rattern eines schweren Maschinengewehrs in der Entfernung weniger als eine aus kurzer Distanz abgefeuerte Pistole.
Auch bei Explosionen oder Zusammenstößen macht der Shaker richtig Eindruck. Wenn die Deepwater Horizon explodiert, erzittert jede Ecke des Sofas. Werden Leute überfahren, fühlt man das am eigenen Körper.
Stoßen, nicht schieben.
Der Körperschallwandler leistet Herausragendes, wenn er punktuell den besonderen Kick gibt. Gewöhnungsbedürftig ist dahingegen heftiger Dauerbass. Es ist unfassbar intensiv, wenn das ganze Sofa minutenlang bebt, weil Motorräder wie verrückt über den Bildschirm rasen oder Kampfflieger ihre Luftschlacht austragen. Dasselbe gilt für Musik oder Soundtracks mit anhaltenden Tiefen.
Hier ist aber ganz klar festzuhalten: Bei Dauerbetrieb trifft der Shaker schneller die Eigenfrequenzen von Objekten – und neben dem guten Gefühl treten dadurch manchmal Störgeräusche von Holz oder Federn meines Sofas auf. Das passiert bei Subwoofern oder tiefem Bass allgemein auch, aber nicht so krass.
Das Ganze kann natürlich auch an meinem speziellen Setup liegen, allerdings ist es nur logisch, dass längere Stöße auch mehr Möglichkeiten für das Objekt bieten, selbst in Schwingung zu kommen und Töne von sich zu geben. Ich persönlich habe mich schnell daran gewöhnt, da dieser Effekt auch nur bei entsprechenden Sequenzen auftritt, aber es könnte einigen eben unangenehm aufstoßen.
Daher überzeugen mich die auch als „Butt-Kicker“ bezeichneten Geräte auch genau damit am besten: Kurze, sehr intensive Stöße sind einfach ihr Kerngeschäft.
Heimkino mit Kick
Am Ende stellt sich natürlich die Frage: Lohnt sich ein Körperschallwandler?
Definitiv! Für kleines Geld bekommt man eine große Wirkung. Die Montage ist ebenso einfach wie die Einstellung. Aktuell kann ich mir keinen Actionfilm mehr ohne vorstellen – der Shaker macht das Erlebnis einfach viel intensiver. Und damit für mich besser.
Wichtige Voraussetzung: Man muss auf gefühlten Bass stehen. Wer Musik im Raum tanzend hört, kann mit einem Bassshaker am Sofa wenig anfangen. Wer sich schon jetzt gerne von kräftigem Sound durchschütteln lässt, sollte mal einen Körperschallwandler testen.
Besonders für Leute, die ohne Subwoofer arbeiten und eventuell sogar ohne Regallautsprecher, ist der Körperschallwandler die Option für mehr Power in der Tiefe. Für gut ausgestattete Cineasten ist er eine lohnende Ergänzung, um das Erlebnis richtig rund zu machen.
Shake it!
Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.
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