Gesellschaft und Lifestyle / Studium

Studiengangswechsel und die Angst des Versagens

Vier Geschichte über erfolgreiche Studiengangswechsel
| Amelie Haupt |

Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten

Robin Thier

Wir schreiben das Jahr 2016 und das heißt, dass meine FreundInnen und ich vor 3 Jahren Abitur gemacht haben. Vor drei Jahren, oder in Zeiteinheit der Universitäten ausgedrückt: vor 6 Semestern. 6 Semester ist die typische Regelstudienzeit für einen Bachelor in einem Studiengang deiner Wahl. Ganz klassisch haben alle von uns eine Hochschulkarriere angestrebt. Die einen mehr, die anderen weniger entschlossen. Nach besagten 6 Semestern, die nun verstrichen sind, müsste unsere Freundesgruppe nun schon einen Haufen an fertigen Bachelor-AbgängerInnen vorweisen.
“Ne, ich habe mein Studium abgebrochen. Ich studiere jetzt was anderes.”

Diesen Satz habe ich in den vergangen Jahren des Öfteren gehört. Manchmal auch von der gleichen Person mehrfach. Immer wieder fragte ich mich: „Wie kommt es dazu? Warum brechen so viele meiner FreundInnen ihr Studium ab und wechseln zu einem anderen Studiengang oder auch zu einer Ausbildung? Ist das nur eine kuriose Rarität in meinem Freundeskreis oder ein gängiges Problem?“
Ein wenig Recherche ergab, dass in den vergangenen Jahren rund 28 % der Bachelor-Studierenden ihr Studium vorläufig abgebrochen haben. Mit einer Abbruchsquote von 35,6 % liegen die MINT-Fächer dabei im Rennen vorn (Statistisches Bundesamt).

Die Hauptmotive, das Studium vorzeitig abzubrechen, waren laut Studie des DZWH (Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung) die hohen Leistungsanforderungen (31%), Finanzielle Probleme (19%) und zu geringe Studienmotivation (18%).
So viel zu den Zahlen zum Thema Studienabbruch. Doch ich wollte auch einfach mal von meinen FreundInnen hören: Wie ist das bei euch abgelaufen? Wann habt ihr euch entschieden das Studium abzubrechen? Und wie fühlt sich so etwas an?

Ein paar KollegInnen aus dem seitenwaelzer AutorInnen-Team berichten:

Seite 1 – Ein Jurastudium in der Sackgasse
Seite 2 – Ein frustrierendes Biologiestudium
Seite 3 – Vom Informatik- zum Philosophiestudent
Seite 4 – Wirtschaftswissenschaften – über die Reflexion von falschen Entscheidungen

„Ich konnte mein Gesicht nicht mehr entspannen“
Eine Ex-Studentin über ein Jurastudium in der Sackgasse.

„Bevor ich angefangen habe, evangelische Religionslehre und Geschichte zu studieren, habe ich an der Uni Münster Rechtswissenschaften studiert. Ich kam nach einem halben Jahr im Ausland noch recht frisch von der Schule. Also hatte ich überhaupt keine Ahnung, wie man studiert und noch wichtiger, wie sich studieren anfühlen muss, damit man glücklich bleibt. Eigentlich hatte ich das ganze Semester das Gefühl, etwas zu lernen, das ich nicht wirklich lernen möchte. Allerdings war ich das aus der Schule noch so gewöhnt und ich wollte auch kein Weichei sein, deshalb habe ich durchgehalten, brav gelernt und am Ende des Semesters alle Klausuren mitgeschrieben. Im Nachhinein betrachtet, gab es nur ein Fach, das ich mit richtiger Freude besucht habe: Römische Rechtsgeschichte. Das hat sich gut angefühlt. Ich konnte dort das Wissen erweitern, was mich auch in meinem Privatleben interessiert und so denken, wie ich das gerne mache.

Besonders in der Klausurenphase hatte ich oft Zahnschmerzen, Ohrenschmerzen, Kieferschmerzen und ich fühlte mich nicht besser. Natürlich habe ich erst gedacht, dass sich das bestimmt im Laufe der Semesterferien legen wird. Doch das tat es nicht. Ich kam von der letzten Klausur nach Hause und fühlte mich total leer. Ich hatte wirklich das Gefühl, als würde mir nie wieder irgendetwas Freude bereiten. Nach ein paar Wochen Erholung, in denen ich mich tatsächlich etwas erholte, fasste ich den Entschluss, mich ein bisschen auf das nächste Semester vorzubereiten. Mein Schreibtisch stand zu der Zeit nicht in meinem Zimmer. Als ich das Zimmer betrat, in dem mein Schreibtisch stand, verkrampfte sich mein Gesicht. Ich versuchte, ein bisschen bewusster zu atmen und mein Gesicht locker zu lassen, doch es ging nicht. Ich konnte mein Gesicht nicht entspannen. Das war ein sehr erschreckender Moment, so etwas hatte ich vorher noch nie erlebt und habe es auch bis heute zum Glück nicht noch einmal erleben müssen.

Ehrlich gesagt, kam der Moment, in dem ich es zum ersten Mal ausgesprochen habe, noch ein bisschen später. Aber im Nachhinein betrachtet, ist das der Moment, in dem klar war, dass es so nicht weiter gehen kann. Ich konnte meine Gründe für den Abbruch Anderen nie wirklich zufriedenstellend erklären. Allerdings ist das auch nicht entscheidend, denn ich wusste, dass ich mit Jura in eine Sackgasse geraten bin. Mir ging es auch nicht so sehr um rationale Gründe, sondern um dieses Gefühl, die ganze Zeit Gejagter zu sein, keine Kontrolle über die Situation zu haben und einfach unglücklich zu sein. Das wollte ich nicht noch für viele Jahre fühlen. Auch wenn es die richtige Entscheidung war, das Fach zu wechseln, war es am Anfang nicht leicht für mich. In der Schule hatte ich nie Probleme und ich habe mich wie eine Versagerin gefühlt, obwohl ich gleichzeitig sehr froh war, aufgehört zu haben.

Inzwischen studiere ich Geschichte und evangelische Religionslehre auf Lehramt und ich könnte nicht glücklicher sein. Natürlich ist auch dieses Studium nicht immer leicht, aber hier machen mir Herausforderungen Spaß, weil ich genau das machen kann, was mir schon immer Spaß gemacht hat. Jura abzubrechen war, so abgedroschen es auch klingen mag, eine der besten Entscheidungen, die ich bisher getroffen habe.“

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