Kino & Serie / Kultur und Medien
Von Menschen und Maschinen – Tales from the Loop
Sehr subtil und ohne große Werbekampagne ging im vergangenen Monat eine neue Serie an den Start, die für mich schon jetzt zu den besten Serien des Jahres zählt: Tales from the Loop ist ungewöhnlich und bewegt sich fernab des Mainstreams.
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Sehr subtil und ohne große Werbekampagne ging im vergangenen Monat eine neue Serie an den Start, die für mich schon jetzt zu den besten Serien des Jahres zählt: Tales from the Loop ist ungewöhnlich und bewegt sich fernab des Mainstreams.
Der Loop bestimmt alles
In der Serie geht es um eine kleine Stadt, unter der sich der Loop erstreckt – eine Art riesiger Teilchenbeschleuniger, der jedoch eine Reihe von Geheimnissen und Mysterien birgt. Während die Arbeit im Loop das Leben in der Kleinstadt bestimmt, geschehen allerlei seltsame Dinge, die keine logische Erklärung zu haben scheinen.
Bildgewaltige Zukunftsvisionen aus der Vergangenheit
Eine Welt, die optisch in den 1980er Jahren angesiedelt scheint, in der es aber Roboter, riesige Maschinen und seltsam moderne LED- und Batterietechnik gibt? Das ist nur eine der Besonderheiten von Tales from the Loop. Das Universum, eine Art alternative Realität der 80er, wurde jedoch nicht für die Serie erfunden, sondern basiert auf Bildern des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag. Dessen Gemälde sind oft sehr ruhige schwedische Landschaften, in denen riesige Roboter und gigantische Maschinen stehen und sich langsam dem Verfall hingeben. Auch die Geschichte des Loop stammt von Stålenhag. Er sieht seine Bilder der sterbenden Technik als Parabel zum technologischen Niedergang Schwedens – der Unterschied zur Realität bestehe nur darin, dass es in der Welt des Loop höhere Budgets und ein positiveres Bild von Wissenschaft und Technologie gegeben habe. Stålenhag veröffentlichte zuvor bereits zwei Bücher mit einer durch die Kunstwerke erzählten Geschichte: Tales from the Loop und Things from the Flood, sowie ein weiteres Buch The Electric State. Inzwischen wurde seine Welt auch in einem Pen-&-Paper Rollenspiel verarbeitet, 2020 erschien dann die Serie bei Amazon.
Menschen und Technik
Obwohl die 8 Folgen sich irgendwo im Bereich der Science Fiction bewegen und starke Mystery-Einschläge haben, geht es doch um Menschen. Was die größte Stärke von Tales from the Loop ist, wird vermutlich gleichzeitig dafür sorgen, dass sie nicht im Mainstream ankommt und viele Menschen sie für zu ruhig, wenn nicht sogar für langweilig halten. Dabei erzählt sie die interessantesten Stories überhaupt: Sie erzählt verschiedene lose verbundene Geschichten von Menschen, ihren Ängsten und ihren Freuden. Natürlich spielt auch die Technik eine Rolle, doch ich war überrascht, wie wenig “Sci Fi” die Serie doch ist. Es geht gerade nicht um irgendwelche technologischen Entwicklungen, der klassische Fachjargon fehlt komplett und es scheint eher, als sei die Welt nur Bühne für die menschlichen Dramen, die sich in ihr abspielen. Ein Mädchen, das seine Mutter sucht, eine junge Frau, die Angst vor dem Alleinsein hat, ein Teenager, der gerne jemand anderes wäre, ein alter Mann, der weiß, dass er sterben wird oder ein Vater, der seine Familie beschützen will. Das sind die wahren Geschichten in Tales from the Loop und sie werden mit einer Sensibilität und einem Realismus umgesetzt, der mir teilweise die Sprache verschlagen hat. Hier geht es um Emotionen und auch darum, dass Fortschritt uns vielleicht Dinge erleichtern kann, aber ersetzen kann er das wirkliche Leben nicht.
In ihrer Laufzeit von etwa einer Stunde pro Folge werden dabei stets mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Was ist der Loop? Was geht vor in diesem Städtchen? Was hat es mit den riesigen Maschinen auf sich, die einfach so in der Gegend herumstehen? Während es vielleicht ungewöhnlich erscheint, solche essentiellen Fragen einer Serienwelt nicht beantwortet zu bekommen, ist mir erst nach einiger Zeit aufgegangen, dass es hier einfach keine Rolle spielt. Man muss akzeptieren, dass diese Welt eben anders ist und der Effekt, dass man gelegentlich verwirrt zurückbleibt, ist durchaus beabsichtigt. In den Bildern von Simon Stålenhag erzählt er oft von seiner Kindheit und hier liegt auch ein wichtiger Punkt der Serie versteckt: Es geht vielfach um Kinder und ihren Blick auf die Welt und als Zuschauer nimmt man dabei auch eine kindliche Sicht ein: Man hinterfragt alles, bekommt aber keine Antworten. Was tun die Erwachsenen, wenn sie zur Arbeit in die seltsame Regierungsorganisation gehen? Was hat es mit der Technik auf sich? Wie funktioniert das alles? Es bleibt einem nichts weiter, als dran zu bleiben und zu hoffen, dass man ein paar Informationen aufschnappt.
Every frame a painting
Kann eine Serie auf Bildern basieren? Sie kann! Das Medium “Film” ist perfekt dafür geeignet, statische Gemälde zum Leben zu erwecken und genau das macht Tales from the Loop mit Bravour. Das Setdesign, die Ausstattung, die Farbgebung und Kameraführung sind mit das beste, was ich seit langem gesehen habe und ergeben ein absolut stimmiges und wunderschön anzuschauendes Gesamtbild. Hier ist jede Szene durchkomponiert und könnte für sich genommen ein Gemälde sein. Das verstärkt den artifiziellen Eindruck dieses Universums noch, man blickt als Betrachter in ein Diorama einer Welt, die es so nicht gibt. Und trotzdem ist sie schön und man entdeckt Dinge, die man kennt und mit denen man sich identifizieren kann.
Es müssen nicht immer die großen Sprünge sein
Jetzt werdet ihr euch fragen, ob ihr euch eine Serie anschauen solltet, die eine sehr ruhige Handlung hat und die technologische Welt in der sie spielt kaum nutzt? Unbedingt! Science Fiction, der “Blick in die Zukunft” ist etwas, was Menschen seit jeher inspiriert und es uns erlaubt, das große Spiel des “Was wäre wenn?” zu spielen. Es müssen dabei nicht immer die großen Sprünge sein, bei der die Menschheit den Weltraum erobert hat und in Untertassen in Galaxien fliegt, die noch kein Mensch zuvor gesehen hat, stattdessen sollten wir uns auch fragen: Was bringt uns die Technik? Was macht sie mit den Menschen, die sie nutzen? Und werden nicht selbst die großartigsten Entwicklungen irgendwann normaler, langweiliger Alltag (das Smartphone lässt grüßen)? All dies sind Fragen, die einem beim Betrachten der Serie durch den Kopf gehen und die es wert sind, gestellt zu werden.
Warum brauchen wir wieder „neugierige“ Sci fi? Lies Robins Artikel über Geschichten ohne Erklärungen
Und wenn ihr keine Lust habt, über diese Dinge nachzudenken, werdet ihr trotzdem mit einer Serie belohnt, die einfach fantastisch aussieht und mit großartigen Darsteller:innen wie Rebecca Hall oder Jonathan Pryce besetzt ist. Von mir gibt es dafür eine uneingeschränkte Empfehlung. Tales from the Loop ist sicherlich keine Serie, die sich zum Nebenbeigucken und den nächsten Binge-Marathon eignet, sie verlangt die volle Aufmerksamkeit des Betrachters, aber darin glänzt sie wie kaum eine andere.
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Robin Thier
Gründer von seitenwaelzer, lebt in Münster und beschäftigt sich in seiner freien Zeit mit Bildbearbeitung, Webseitengestaltung, Filmdrehs oder dem Schreiben von Artikeln. Kurz: Pixelschubser.
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