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Warum fiktionale Literatur nicht unterschätzt werden sollte

Wieso ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich herunterspiele, wie viel ich lese, weil es ja "nur" Romane sind? Macht es wirklich einen Unterschied, ob man Fiktion oder Sachbücher liest?
| Lisanne Droste |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Lisanne Droste | seitenwaelzer.de

Schon als Kind habe ich sehr gerne Bücher gelesen und tue es auch heute noch. Während ich früher mehr Fantasy ausgewählt habe, lese ich heutzutage fast ausschließlich Belletristik oder historische Romane. Wenn ich mit anderen über mein Hobby rede, ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich herunterspiele, wie viel ich lese, weil es ja „nur“ Romane sind. Auch eine Freundin von mir verschlingt Bücher geradezu und zwingt sich deswegen, zwischendurch immer mal wieder „schlaue Bücher“ – wie sie es nennt – zu lesen. Darunter versteht sie non-fiktionale Literatur, „von der man etwas lernen kann“. Aber warum hat sie das Gefühl, regelmäßig Bücher eines anderen Genres lesen zu müssen und wieso habe ich das Bedürfnis mein Lesetempo relativieren zu müssen, indem ich mein präferiertes Genre herabsetze? Es scheint, als wäre das Lesen von Sachbüchern in der Gesellschaft höher angesehen als das Lesen fiktionaler Bücher, aber ist es wirklich relevant, was man liest oder wichtiger, dass man überhaupt (gerne) liest?

Positive Auswirkungen auf den Körper

Einige Effekte, die Lesen auf den Körper hat, sind allgemein bekannt. So zum Beispiel, dass es entspannt, die Fantasie anregt und den Wortschatz erweitert. Darüber hinaus trainiert Lesen das Gehirn. Studien haben bereits herausgefunden, dass sogar das Auftreten oder Voranschreiten von Demenz gebremst werden kann. Das Gedächtnis wird ebenfalls trainiert, indem sich verschiedene Charaktere und Handlungsstränge gemerkt werden. Die Yale University hat außerdem herausgefunden, dass die Lebenserwartung von Personen, die wöchentlich bis zu dreieinhalb Stunden lesen, 17 Prozent höher ist als bei Nichtleser*innen. Diese Effekte treten allerdings nur beim Lesen von Büchern ein und nicht bei Zeitschriften, Zeitungen oder Artikeln im Internet, da der*die Leser*in dafür tief in den Inhalt eintauchen muss, was Deep Reading genannt wird.

Vorteile spezifisch für fiktionale Bücher

Häufig wird angenommen, dass Fiktion zur Unterhaltung gelesen wird und Sachbücher, um etwas zu lernen. Dabei verbessert auch Fiktion die Allgemeinbildung, da zum Beispiel ein Krimi einen Einblick in die Forensik und polizeilichen Ermittlungen geben kann oder ein historischer Roman den*die Leser*in in die damalige Zeit eintauchen lässt. Jedoch ist es dabei wichtig, dass die Bücher auf gründlichen Recherchen basieren. Zudem können Analysefähigkeiten und Kreativität gefördert werden, indem versucht wird, zusammen mit dem*der Protagonist*in ein Geheimnis zu lüften. Gerade das Lesen von Romanen spricht die Emotionen der Leserschaft an und erweitert ihr Empathievermögen dadurch, dass sie sich in die Hauptcharaktere hineinversetzt. Das kann dann in einem nächsten Schritt dazu führen, Vorurteile abzubauen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die ZEIT hat bereits darüber berichtet, dass sich leicht Ähnlichkeiten zur eigenen Persönlichkeit finden lassen, wenn man emotional in eine Person und ihre Geschichte eingebunden ist. Der*die Leser*in erlebt dadurch die Geschichte aus dieser Perspektive mit. Weisen Protagonist*innen allerdings Eigenschaften oder Meinungen auf, die einem selbst fremd sind, wie beispielsweise eine andere Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder politische Ausrichtung, sind wir ihnen trotzdem häufig positiv gegenüber eingestellt und aufgeschlossen dafür, von ihnen zu lernen. Einige Autor*innen halten daher diese Eigenschaft bewusst länger zurück, um sicherzugehen, dass die Leserschaft in die Geschichte und ihre Charaktere involviert ist. Durch das Hineinversetzen in diese fremden Sichtweisen können auch im realen Leben Vorurteile abgebaut werden.

Fiktion wird häufig unterschätzt

Ein Beitrag von Tomas Elemans aus der bekannten Vortragsreihe der TED-Talks hat mir zudem aufgezeigt, dass die Inhalte eines Sachbuchs nur verständlich gemacht werden, wenn man sie in der Fiktion gewissermaßen selbst erlebt und daher nachvollziehen kann. Zur Veranschaulichung: Wenn dir jemand im realen Leben von einem traumatischen Erlebnis erzählt, du aber nichts Vergleichbares durchgemacht hast, kannst du dir deshalb nur ausmalen, wie es wohl gewesen sein könnte. Durch das Lesen und Hineinversetzen in den Hauptcharakter eines Romans hast du jedoch zumindest eine Ahnung, wie es sich angefühlt haben könnte. Ich weiß nun, dass ich in Zukunft meine Buchauswahl nicht mehr rechtfertigen muss und trotzdem für den Fall der Fälle die passenden Argumente parat habe. Wichtiger ist, dass man Freude am Lesen hat, die positiven Nebeneffekte kommen dann wie von allein.

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Lisanne Droste

…studiert Angewandte Sprachwissenschaften und hat generell großes Interesse an Sprache. In ihrer Freizeit findet man sie in selbst gestrickten Pullis mit einer Tasse Tee und einem Buch, durch die Natur des Sauerlands spazierend oder bei Spieleabenden mit Freund*innen.

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