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Wegwerfen war gestern

"Kann man damit nicht noch was machen?" Praktische Tipps für Küche und Co zur Ressourcennutzung, dem Vermeiden von Müll oder einfach zum Sparen.
| Alex Schmiedel |

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Illustrationen von Lebensmitteln auf einem gelben Hintergrund. Man erkennt Möhrenscheiben, ein Glas mit keimenden Zwiebeln, Knoblauchknollen, Konochen, Kräuter, OrangenschaleIsabel Schmiedel

In den letzten Jahren besannen sich viele junge Menschen wie wir auf eine Distanzierung von der Wegwerfgesellschaft. Ob wir nun die Umwelt schonen, eine Annäherung an ethischem Konsum in einem kapitalistischen System wagen oder einfach etwas sparen wollen: Immer klarer werden unserer Generation die Vorteile bewusster Ressourcennutzung.

Das Geheimnis des Vorwärtskommens besteht darin den ersten Schritt zu tun.“

— Mark Twain

Dementsprechend ist das Thema heute: Der Mensch als Schalentier. Was für Schalen und Reste von Gemüse, Obst und anderen frischen Produkten können wir nutzen, statt sie einfach wegzuschmeißen? Und bei welchen sollten wir vorsichtig sein? Ein kleiner Überblick mit Anregungen zum Kochen und Selbstmachen.

Wer ab und an mehr als nur ein Fertiggericht in die Mikrowelle schiebt, weiß: In der Küche fällt ganz schön viel Bio- und Restmüll an. Aber ist alles, was wir wegwerfen direkt auch Müll? Im Folgenden stelle ich euch ein paar Ideen gegliedert nach den Kategorien Gemüse, Obst sowie Fisch und Fleisch vor.

Gemüse

Aus Gemüseresten kann man noch viel machen: Man kann sie einpflanzen, in Wasser wachsen lassen, als Grundlage für Gemüsebrühe verwenden oder teilweise einfach im normalen Gericht mitkochen.

Aus alt mach neu: Einfach nochmal wachsen lassen

Zwiebelbäuer*innen hassen diesen Trick: Die wurzelbehafteten Enden von Lauch, Zwiebeln, Frühlingszwiebeln und Co können einfach neu eingepflanzt oder (noch einfacher) in etwas Wasser gelegt werden. Nach kurzer Zeit beginnen sie erneut auszusprießen. Infinity Allium unlocked. Viel Spaß mit vielschichtigen Zwiebelgewächsen.

Hier wird was propagiert

Ähnlich bilden einige Pflanzen Wurzelwerk aus, wenn man sie frisch anschneidet und in Wasser oder kargen Nährboden, also mineralstoffarme oder mit Sand vermengte Erde, gibt. Diesen Prozess der Pflanzenvermehrung nennt man auch Propagieren. Beispielsweise geht das mit den Enden von Salaten, Pak Choi, Kohl und Fenchel. Auch die Enden von Wurzelgemüse können wieder sprießen: Möhren, Rettich und Co packen das Problem an der Wurzel an.

Welcome to the jungle

Auch für ein kleines Fensterbrett-Kräuterbeet kann man diese Technik nutzen. Probiert es beispielsweise mit Petersilie, Basilikum, Minze, Salbei, Rosmarin, Oregano oder Thymian aus.

Tipps für den Umgang mit deutschen Kartoffeln

Nein, wir reden hier nicht über eher rechts einzuordnende Typen. Kennt ihr das, wenn ihr eine Kartoffel ganz hinten im Schrank vergessen habt und sie ganz viele Augen hat, die bereits munter sprießen? Wenn ihr keimendes Gemüse wie Kartoffeln, Knoblauch oder Ingwer habt, könnt ihr dieses auch anzüchten. Der grüne Spross bei Knoblauch ist übrigens essbar und schmeckt genauso würzig scharf wie Knoblauch selbst.

Es ist noch Suppe da

Ob ihr nun Fan des Heldenpicknicks seid oder nicht: Hier ist ein Tipp für eine richtig gute Tagessuppe. Wenn ein Gefrierfach vorhanden ist, habt ihr die Möglichkeit angefallene Gemüsereste wie Enden von Möhren, Strünke von Kohl, Reste von Paprika und Schalen von Knoblauch und Co einfach in einem Gefrierbeutel aufzubewahren und zu sammeln. Wenn ihr dann einiges zusammenhabt, lässt sich dies als Grundlage für Gemüsebrühe verkochen. Interessant auch: Zwiebelschalen sorgen dafür, dass eure Brühe diese markante, gold-gelbe Färbung von Brühen bekommt. Nachdem ihr euer Gemüsepotpourri eine Weile lang kochen lassen habt, könnt ihr die Brühe mehrfach durch ein Sieb geben und schon habt ihr eine einfache, facettenreiche Suppengrundlage mit vielen Mikronährstoffen.

Verwenden statt wegschmeißen

Manchmal schmeißen wir Teile von Gemüse weg, einfach weil wir zu wenig Informationen haben. Wusstet ihr beispielsweise, dass die geschälten Stiele von Brokkoli genauso schmecken wie der verwandte Kohlrabi und genauso zubereitet werden können? Sie sind essbar und sowohl roh als auch gedämpft oder angebraten verwendbar.

Ü50-Whatsappgruppe spekuliert: Sind wir Kaninchen? Wer futtert denn das ganze Grünzeug? Ha ha, sehr lustig, Karsten.

Ein anderes Beispiel sind die Blätter von Radiesschen. Es wirkt schon ziemlich unnütz, wenn man bei Radiesschen immer gefühlt zur Hälfte Grünzeug kauft, dass man wegschmeißen muss. Die gute Nachricht: Muss man gar nicht. Sofern die Blätter noch nicht welk sind, können sie genauso wie normale Blattsalate im Salat oder auf Broten verwendet werden. Sie sind sogar so herb und würzig wie Radiesschen selbst.

Auch oft verkannt werden die Schalen von Kürbissen. Ob Butternut oder Hokkaido: Im Herbst sind Kürbisse für ein paar Wochen während der Erntezeit günstig zu erhalten. Ob im Ofen gebacken oder köstlich als Suppe: Die Schalen der Kürbisse können mitgebacken oder mitgekocht und püriert werden. Ballaststoffreich, kosteneffizienter und weniger verschwendend. Wer besonders motiviert ist, kann sogar die Kürbiskerne kurz in etwas Öl mit Salz und Paprikapulver oder Chili anbraten. Wusstet ihr, dass Kürbiskerne „gute“ Fettsäuren und pflanzliches Protein enthalten?

Tutti Frutti

Ist zum Glück abgesetzt worden. Die Überschrift ist dennoch nicht ganz obstolet, denn jetzt geht es um Früchte: Auch die Reste diverser Obstsorten sind zur Weiterverwendung geeignet. Beispielsweise sind die Blätter der ganzen Pflanze und auch die Blätter um den Strunk herum von Erdbeeren in Salaten oder Tees verwendbar. Auch geschlürft werden können die Blätter von Brombeeren und Himbeeren.

Zum Putzen und verputzen

Mit Wasser vermischt können ungespritzte Zitronen- und Orangenschalen nicht nur für etwas Geschmack ins Wasser gepackt werden. Man kann sie ebenfalls zur Verwendung in selbstgemachtem Putzmittel nutzen. Hierfür muss man die Schalen allerdings kurz mit Wasser aufkochen und die gekochte Lösung nach dem Abkühlen in eine Sprühflasche geben.

Die Schalen von Zitrusfrüchten sind echt vielseitig. Man kann sie zudem in Tees geben oder trocknen, indem man sie auf niedriger Hitze im Backofen ein paar Stunden backt oder langsam in einem trockenen Raum mehrere Tage trocknen lässt. Dadurch werden sie haltbar gemacht und können nach und nach in Tees, Suppen oder Kuchen verwendet werden. Beispielsweise muss man dann auch keine überteuerten Markenprodukte kaufen, wenn mal wieder ein Rezept „Geriebene Zitronenschale“ oder ähnliches bei einem Kuchen verlangt und man die Augen verdrehend denkt: „Okay, dann lass ich das halt einfach weg.“

Rezeptidee: (Fake)Ente à l’Orange

Für Fans von Ente oder vegetarischer und veganer Mock-Duck, kann die Schale auch zur Zubereitung von Orangensoße, die dazu häufig verwendet wird und gut passt, genutzt werden. Mock-Duck ist übrigens ein faszinierendes Ersatzprodukt, weil es durch seine absurde Hauptzutat glänzt: Reines Gluten. Aber man muss dem ErsatzproDUCKt lassen: Gebraten in etwas Zimt, Anis, Sojasoße und Orange und nach Geschmack Chili, Ingwer und Knoblauch, kommt das Glutenprodukt echt nah an das beliebte Entengericht ran und hat dabei eine bessere Klimabilanz und weniger Tierleid induziert.

Orangenschalen als Ersatz für Tonic Water

Interessant an Orangenschale ist übrigens auch die Verwendung als Alternative zu Tonic Water. Tonic Water enthält Chinin. Ein Stoff, der viele interessante Eigenschaften hat. Beispielsweise sorgt er dafür, dass Tonic Water fluoreszierend ist. Hurra! Er sorgt allerdings auch dafür, dass Knochen brüchiger, Schwangerschaften und Föten gefährdet werden und kann bei einigen Menschen ernsthafte Herz-Kreislauf-Probleme mit sich ziehen. Weniger Hurra.

Tonic Water heißt übrigens Tonic Water, also tonisches Wasser, weil das bittere Getränk wie ein Tonikum verwendet wurde. Und wozu? Als präventives Mittel gegen Malaria! Heutzutage enthält Tonic Water allerdings nicht mehr genüg Chinin, als das es eine präventive Wirkung gegen Malaria hätte. In Anbetracht der teilweise gesundheitlich bedenklichen Wirkungsweisen von Chinin, ist also eine Substitution mit anderen bitteren Stoffen wie Orangenschale eine gute Möglichkeit, ein bisschen mehr auf der sicheren Seite zu sein und trotzdem das Vergnügen nicht zu schmälern.

Wer die bittere Pille nicht schlucken möchte: Die Schalen kann man auch kandieren und einfach so als Süßigkeit anbieten oder ähnlich wie Orangat oder Zitronat in Kuchen verwenden. Der Duft winterlicher Geschenkideen liegt in der Luft. Hierbei gilt natürlich: Das sollte nur mit ungespritzem Obst gemacht werden, ansonsten ist davon aufgrund der Pestizide von abzuraten.

Tropischer Urlaub

Die Wahl von heimischen Obst und Gemüse ist schonender für das Klima, unterstützt die lokale Wirtschaft und ist meist auch preisgünstiger als tropische Früchte. Entsprechend gilt beim Kauf und Konsum weitgereister Früchte natürlich: Wenn man sie schon ab und an mal kauft, dann schöpfen wir ihr Potenzial am besten auch voll aus.

Viele Menschen schmeißen immer noch bei einer Ananas den Strunk weg. Das ist einfach nur schade, denn kleingeschnitten ist er knusprig, köstlich, gesund und ballaststoffreich. Zudem muss man einen großen Teil der Frucht nicht wegwerfen.

Von der Ananas zur Banane: Hier erneut der Hinweis: Das gilt nur für ungespritzte Früchte. Ungespritzte Bananen können auch mit der Schale verwendet werden. Diese kann beispielsweise in Smoothies mitpüriert werden. Genauso gut schmeckt sie, wenn sie einfach bei der Erstellung von Bananenketchup mit verwendet wird. Falls ihr mal ein Experiment wagen wollt: Die Schale lässt sich auch herzhaft in einer BBQ-Marinade im Ofen backen. Dann stellen sie eine vegane Alternative zu Jerky dar.

Nicht nur für die Umwelt ist die ganzheitliche Nutzung von Vorteil: Bananenschalen enthalten auch Vitamin B12 und B6, Magnesium, Kalium und Phosphor.

Nur noch Haut und Knochen

Abschließend geht es um tierische Produkte, falls ihr diese überhaupt nutzt. Wer Knochen oder Fischkarkassen sowie Schalen von Schalentieren zuhause hat, kann aus ihnen noch den größten Nutzen ziehen, wenn ihr sie auskocht und daraus eine Bouillon macht. Hierzu lasst ihr die Reste mit Wasser und Salz vermengt über mehrere Stunden auf niedriger Flamme auskochen. Abschließend könnt ihr sie in konzentrierer Form kurz sprudelnd heiß aufkochen und in Einmachgläser füllen, um sie bei Bedarf in Suppen, Soßen und anderen Gerichten oder zum Ablöschen wieder verwenden zu können.

Ansonsten könnt ihr direkt auch eine Suppe daraus kochen, indem ihr etwas vom Fensterbankkräuterbeet, den nachgewachsenen Zwiebeln und Möhren oder eure Gemüsebrühe hinzu gebt. Natürlich wäre eine Reduktion oder ein Verzicht auf Fleisch die effizientere Methode, sofern das für euch gesundheitlich möglich ist und ihr nicht zu viele Lebensmitteleinschränkungen habt. Das holistische Nutzen von Produkten ist jedoch auch ein guter Schritt.

Natürlich kratzt dieser Artikel nur an der Oberfläche des Themas. Die Masse unter der Spitze des Eisbergsalats zu erforschen kann eine interessante Lernerfahrung sein und ermöglicht Ersparnisse auf vielen Ebenen. In diesem Sinne: Den Rest überlasse ich euch.

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Alex Schmiedel

Seit 2019 unterstütze ich das Team mit Illustrationen, Gestaltung, Artikeln und einer stets schwingenden intersektionaler Feminismus-Keule. Ursprünglich bin ich jedoch als Fan des Heldenpicknicks auf Seitenwaelzer gestoßen. Meinen Bachelor habe ich in Mediendesign in Münster absolviert und nun studiere ich Medienwissenschaft im Master in Bochum und arbeite im Bereich Mediendesign. Für Interactive Fiction, Podcasts, Animation und Musik schlägt mein Herz, ebenso wie für Aufklärung über diverse politische Themen, insbesondere Geschlechterdiversität und medizinische sowie antiableistische Gleichberechtigung.

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