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20 Fragen an Bewerbungscoachin Angela Dorausch – Ein Interview

Durch eine Vielzahl kleiner und großer Jobs hat Frau Dorausch Einblicke in unterschiedlichste Bereiche der Arbeitswelt gesammelt. Zu Ihrer Selbständigkeit […]
| Gina Gilsing |

Geschätzte Lesezeit: 14 Minuten

Anemone123 | Pixabay

Durch eine Vielzahl kleiner und großer Jobs hat Frau Dorausch Einblicke in unterschiedlichste Bereiche der Arbeitswelt gesammelt. Zu Ihrer Selbständigkeit haben ihr die Ausbildung zur Schriftsetzerin, das Studium zur Diplom-Kulturwirtin und intensive Recruiting-Erfahrung verholfen. Anstatt weiter Bewerbungsprofile zu sichten, zu bewerten und Bewerbungsgespräche zu führen, hat sie mit dem Bewerbungscoaching die Seiten gewechselt und kann den Jobsuchenden schon beim Impuls zur Bewerbung nützliche Tipps geben und dem ein oder anderen Frust vorbeugen. Darin liegt ihre intrinsische Motivation, also eine Quelle für Zufriedenheit mit ihrem eigenen Tun. 

Angela Dorausch

Vor dem Bewerbungsgespräch

Gibt es Floskeln in Jobbeschreibungen, die man kennen sollte? Ähnlich wie bei Arbeitszeugnissen?

In diesem Sinne „Floskeln“ gibt es so nicht in Stellenanzeigen. Aber Jobbeschreibungen öffentlicher Arbeitgeber wie z. B. der Stadt Münster haben Formulierungen bzw. Begrifflichkeiten, die nicht willkürlich gewählt sind, insbesondere, wenn es um die Anforderungen geht. Wenn also eine zwingende Voraussetzung genannt wird, hilft auch die beste Bewerbung nicht, wenn man diese obligatorische Anforderung nicht erfüllt.
Bei anderen Arbeitgebern und bei „wünschenswerten“ Erfahrungen oder Kompetenzen kann man durch gute Darlegung der Eignung auch durchaus überzeugen und den Zuschlag erhalten.

Warum ist bei Bewerbungen oft die Form wichtiger als der Inhalt?

Ich finde, beides ist wichtig, denn beide sagen etwas über den Bewerber aus. Was genau ist mit Form gemeint? Wenn zur Form die Vollständigkeit der Zeiträume, die Lesbarkeit, die leicht verständliche Sprache, fehlerfreie Rechtschreibung und erkennbare 1:1-Zuordnung zur individuellen Stelle gehören, würdigt dies ein Arbeitgeber in der Regel. Wenn ich mich als Bewerber in die Rolle eines Recruiters versetze, der mich und mein Anliegen noch gar nicht kennt, versuche ich, leicht verständlich und überzeugend die wichtigsten Pluspunkte erkenntlich zu machen und etwas Relevantes, Persönliches über mich als mögliche zukünftige Teamverstärkung preiszugeben. Ich überlege mir, welche K.O.-Kriterien der Arbeitgeber im Kopf haben könnte. Diese Bedenken versuche ich bereits im Vorfeld aus dem Weg zu räumen. Wenn ich mich z. B. für eine Stelle interessiere, für die ich eigentlich überqualifiziert bin, begründe ich gut, was den besonderen Reiz genau dieser Stelle und dieses Arbeitgebers für mich ausmacht. Der Arbeitgeber möchte eine „Geschichte“ hören, mit der er leben kann.

Was ist wichtiger: der Lebenslauf oder das Anschreiben?

Hin und wieder gibt es vermutlich Arbeitgeber, die das Anschreiben nicht ansehen, ich würde darauf allerdings nicht setzen. Ein laxes und in Großproduktion angelegtes 08/15-Anschreiben, das ich mit minimalen Änderungen an X Unternehmen sende, kann vielmehr ein Ausschlusskriterium sein. Ein Arbeitgeber möchte nur viel Mühe in einen Bewerber investieren, der sich seinerseits auch ernsthaft mit der Position auseinandergesetzt hat. Ein Anschreiben, für dessen Anfertigung der Bewerber die Unternehmenswebseite oder aktuelle Presseberichte gelesen haben muss, hebt sich da schon von vielen anderen Anschreiben ab. Ein Anschreiben bietet den Freiraum, mit der eigenen Persönlichkeit zu punkten, konkret benannte Motivation zu zeigen und Neugier zu wecken. Es liefert die für den Arbeitgeber vorgedachte und formulierte Begründung, warum man selbst die optimale Besetzung für den Job ist. Der Lebenslauf verdient nicht weniger Gewicht. Man sollte neben der Einhaltung einiger weniger strenger Standards wie der Überschrift, der stringenten Chronologie und der Richtigkeit und Vollständigkeit, der handschriftlichen Unterschrift und dem Datum auch die Freiheiten kennen. Wer für fünf Bewerbungen ein und denselben Lebenslauf verwendet, vergibt Chancen. Besser ist es, genau zu überlegen, welche bisherigen Erfahrungen für den Arbeitgeber am wichtigsten sind und auf diese weiter oben im Lebenslauf und in der passenden Detailtiefe einzugehen. Außerdem empfehle ich, die Option eines Deckblatts vor dem Lebenslauf zu nutzen, die den ersten Eindruck von mir gibt.

Dein erster Schritt ins Berufsleben? Du weist nicht genau was du machen willst? Gina hat dir hier einige wunderbar motivierende Tipps zusammengestellt!

Wie kann man sich am besten Feedback zu seiner Bewerbung einholen?

Ist die Bewerbung gerade erst verschickt, kann man sich auch bei dem Unternehmen telefonisch erkundigen, wie der Bewerbungsprozess strukturiert und innerhalb welches Zeitraums etwa eine Rückmeldung zu erwarten ist. Ist diese Frist dann verstrichen, kann man sich gerne beim Arbeitgeber freundlich nach dem Stand der Bewerbungen erkundigen. Ist man schon beim Bewerbungsgespräch, wird zum Ende hin besprochen, wie man verbleibt und wann der Arbeitgeber sich melden wird. Feedback auf eine Absage, der kein Bewerbungsgespräch vorausging, rate ich nur dann anzufragen, wenn es ein absolutes Experten-Ausnahmeprofil war. Bevor man mutig beim Unternehmen nachfragt, lohnt sich zunächst ein kritischer Blick auf die eigene Bewerbung und das Einholen von Feedback von vertrauten Personen. Eine Absage ist deprimierend, da möchte man oft wissen, woran es lag. Das Problem bei der Nachfrage ist, dass man nicht darauf vertrauen kann, dass man wirklich die wahre Antwort erfährt. Das liegt meiner Erfahrung nach u. a. daran, dass ein Arbeitgeber einen Bewerber nicht vor den Kopf stoßen möchte, oder daran, dass der Arbeitgeber keinen Anlass zur rechtlichen Klage geben möchte.

Kann eine Bewerbung „zu viel“ beinhalten? Zu viele Zeugnisse oder Zertifikate?

Wenn ein Arbeitgeber explizit die vollständigen Bewerbungsunterlagen verlangt, sollte man auch alle schicken und diese chronologisch sortiert möglichst nach Arbeitszeugnissen, Zeugnissen, Zertifikaten etc. gepackt bereitstellen. Eine Übersicht mit der Auflistung aller Anlagen kommt da sehr professionell. Wenn man sich scheut, sehr viele Anlagen zu senden, kann man auch mutig sein und bei einem jungen Unternehmen schreiben: „Anbei sende ich Ihnen eine Auswahl relevanter Anlagen und sende Ihnen auf Anfrage gerne umgehend meine vollständigen Unterlagen zu“. Aus Arbeitgebersicht ist es komfortabel, in der kurzen Zeit der ersten Sichtung direkt die relevanten Anlagen zu finden. Arbeits- und Abschlusszeugnisse sollten aber nach Möglichkeit immer dabei sein. Es ist immer darauf zu achten, bei der PDF-Dateigröße bei max. 5 MB insgesamt zu bleiben; manchmal steht das Maximum konkret in der Stellen­aus­schreibung. Inhaltlich sollte man sich auf das Wesentliche beschränken, um auch im Bewerbungsgespräch noch weitere Punkte machen zu können.

Wo existiert dieses Unternehmen, das Berufseinsteiger aufnimmt und Ihnen die gewünschten drei Jahre Berufserfahrung vermittelt, damit dann auch andere Arbeitgeber interessiert sind?

Darauf würde ein Arbeitgeber bestimmt einwenden: „Warum sollte ich einen Berufsanfänger einstellen, den ich in drei Jahren auf einen optimalen Stand bringe und der dann in ein anderes Unternehmen wechselt?“ Das ist für einen Arbeitgeber auch frustrierend, weil er anfangs viel investiert. Um dieser Lage zu begegnen, könnten Sie im Anschreiben oder dann im Gespräch auf eine mittel- und langfristige Perspektive eingehen, um für beide Seiten eine Perspektive auf langes Miteinander geben zu können. Abgesehen davon ist ein Einstieg als Berufsanfänger auch denkbar, indem man schon vorher als Werkstudent einen Teil der Einarbeitungsphase hinter sich gebracht hat. Das Risiko für den Arbeitgeber ist dabei recht gering und das Miteinander im Team abwägbar.

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Das Bewerbungsgespräch

Wie gehe ich in ein Bewerbungsgespräch, wenn ich glaube, nicht alle Anforderungen zu erfüllen, aber den Job trotzdem haben möchte? Oder formell (also ohne offizielle Bescheinigungen) die Anforderungen nicht alle erfülle, aber weiß, dass ich es eigentlich kann?

In diesem Falle habe ich mich vor dem Gespräch genau mit jeder einzelnen Anforderung auseinandergesetzt und mir einen Beleg aus meiner beruflichen oder Ausbildungspraxis überlegt, der diese Kompetenz belegt. Habe ich tatsächlich keine berufliche Vorerfahrung, kann ich immer noch die geforderte Aufgabe beschreiben und aufzeigen, wie ich die Sache angehen würde. Natürlich drücke ich meine Bereitschaft aus, mir fehlende Kompetenzen anzueignen. Dies ist vermutlich bei jeder Einarbeitung der Fall, die mit einer angestrebten Herausforderung einhergeht. Man kann auch proaktiv nach den Möglichkeiten der Einarbeitung fragen, denn letztendlich müssen neue Mitarbeiter in der Regel in das Unternehmen und die Sachgebiete eingeführt werden.

Kann man mit Ehrlichkeit in einer Bewerbung und einem Bewerbungsgespräch überhaupt eine Chance haben?

Ehrlichkeit hinsichtlich möglicher eigener Schwächen bewerte ich erstmal als positiv, es ist bei einer ansonsten überzeugenden Bewerbung ein Pluspunkt. Man sollte nur einem „Manko“ nicht zu viel Raum geben. Ich habe selbst mal in eine Bewerbung geschrieben, dass ich „pingelig“ sei, anstatt von „Gewissenhaftigkeit“ und „Sorgfalt“ zu schreiben. Für diese Stelle hat es gut gepasst und ich habe sie damals bekommen. Ich schlage vor, bei ohnehin zahlreich versendeten Bewerbungen bei jeder 5. Bewerbung einfach mal mutig zu sein und etwas zu riskieren. Das entspannt, fühlt sich toll an; Arbeitgeber macht es neugierig, wenn man nicht übertreibt und genügend gute Gründe anführt. Ich wurde in einem Bewerbungsgespräch einmal gefragt, wie ich denn auf die Idee gekommen sei, mich auf die Position zu bewerben. Meine Antwort war, dass ich mich das natürlich auch gefragt hätte. (So augenfällig war meine Eignung nicht.) Da ich mir aber habe vorstellen können, dass eine wichtige Anforderung sein müsse, in dem speziellen Umfeld eine hohe Frustrationstoleranz mitzubringen, hätte ich erkannt, dass ich aufgrund früherer, vergleichbarer Aufgaben geeignet wäre.

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Gibt es ein Anzeichen dafür, dass wenn ein Gespräch XX Minuten/Stunden geht, es gut lief?

Tendenziell ja. Manchmal macht aber auch der Arbeitgeber den Fehler, die Bewer­bungs­gespräche zu eng hintereinander zu takten oder einen Folgetermin ohne großen Puffer anzuberaumen. Da sagt dann die Dauer eines kurzen, knackigen Gesprächs nicht so viel aus. Ich rate dazu, sich bereits vor dem Gespräch so mit der Stelle auseinander­zusetzen, als sei man kurz davor zu unterschreiben. Dabei auftretende Fragen, die sich nicht durch Kenntnis der Unternehmenswebseite beantworten lassen, gehören ins Bewerbungs­gespräch und für diese Fragen des Bewerbers sollte auch immer Zeit sein. Die Chance, das Gespräch als Bewerber mitzugestalten und nicht nur hinter sich zu bringen, sollte man nutzen.

Wie ist Ihre Meinung zu Einstellungstests und Assessment-Centern?

Zunächst einmal finde ich gut, dass subjektive Kriterien weniger ins Gewicht fallen und man vergleichbare Ergebnisse hat, das hat erstmal etwas Faires. „Blender“ haben es bei Tests vielleicht auch etwas schwerer, eher scheue Kandidaten hingegen können mit guten Ergebnissen Aufmerksamkeit bekommen. Wer Angst vor Einstellungstests hat, kann sich vorher mit einschlägigen Testmustern vertraut machen – die gibt es z. B. für den öffentlichen Dienst. Ähnlich wie vor der Theorieprüfung für den Führerschein kann man sich so vorbereiten und auch besser einschätzen. Abgesehen davon rate ich dazu, sich sehr vertraut mit der Stelle, dem Unternehmen und dem Umfeld zu machen und mit vertrauten Menschen intensiv über die Position zu sprechen. Trockenübungen auf sicherem Terrain finde ich hilfreich und für viele Gelegenheiten passend. Hat man sich gründlich vorbereitet, sollte man es auch dabei belassen und sich darauf besinnen, dass man gut geeignet und vorbereitet ist. Die Jagd im Internet nach noch mehr Fragen, die evtl. gestellt werden könnten, ist irgendwann nicht mehr angemessen und lenkt dann mehr von der Motivation ab.

Gerd Altmann | Pixabay

Nach dem Gespräch

Warum bekommt man von Unternehmen keine vernünftigen Feedbacks?

Manchmal entscheidet man als Arbeitgeber nach unbewussten Kriterien. Es gibt psychologische Effekte, die Recruiter unbewusst beeinflussen können wie z. B. den Halo-Effekt (das schließen von bekannten Eigenschaften einer Person auf die unbekannten) oder die Übertragung von Eigenschaften auf den Bewerber, die man von einer als ähnlich empfundenen Person kennt, so dass man zu einem subjektiven „Nein“ kommt. Daher sind standardisierte Interviews mit mehreren Entscheidern aus meiner Sicht ein guter Versuch, zu objektiveren Bewertungen zu kommen. Diese dann den nicht berücksichtigten Bewerbern gegenüber zu kommunizieren, ist für den Arbeitgeber einerseits unangenehm, andererseits heikel, weil er rechtlich anfechtbare Ablehnungsgründe tunlichst vermeidet. Chancen auf ein wirklich aufrichtiges Feedback hat man dann, wenn man in einer fortgeschrittenen Phase des Bewerbungsprozesses kurz vor knapp an der Stelle vorbeigerauscht ist. Da überwiegt dann beim Arbeitgeber der Anstand, dem Kandidaten eine ehrliche Antwort zu schulden. Die hat dann auch mehr Hand und Fuß und ist oft besser hinzunehmen als ein Einzeiler im Absageschreiben.

Wieso formulieren „professionelle“ Personalabteilungen Ihre Absagen nur in Floskeln, ohne erkennbare Form der Wertschätzung?

Wieso senden manche Arbeitgeber keine Absage?
Meines Erachtens ist das eine Frage der Unternehmenskultur. Vielleicht haben sich interne Veränderungen ergeben, so dass die Stelle doch nicht besetzt werden soll, dann werden die eingegangenen Bewerbungen noch lauwarm warmgehalten. Bei manchen Unternehmen findet auch das Thema „Bewerbermanagement“ wenig Berücksichtigung. Im Sinne des Employer Brandings muss in vielen Unternehmen hier noch nachgebessert werden. Eine schicke Webseite sagt nicht viel über den Umgang mit Bewerbern aus.

Macht es Sinn, nach einer Absage nach dem konkreten Grund zu fragen?
Man hat nichts zu verlieren, sollte aber seine Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Wichtig ist immer eine gefasste und freundliche Form mit dem Anliegen, für zukünftige Bewerbungen Tipps zu bekommen und Schwachstellen ggf. noch nachbessern zu können.

Mit meinen Qualifikationen passe ich perfekt auf eine ausgeschriebene Stelle, wieso werde ich noch nicht mal zu einem Gespräch eingeladen? Man hat oft das Gefühl, dass alles was man bisher gelernt und getan hat einfach nicht reicht.

Es ist wirklich deprimierend, wenn man nicht eingeladen wird, obwohl man sehr gut passt. Auf der Seite des Unternehmens kann der Grund sein, dass es tatsächlich mehrere sehr gut passende Kandidaten gab und man eine Auswahl treffen musste oder es schon einen Wunschkandidaten gab, dem dann ein paar Vergleichskandidaten zur Seite geladen werden. Als Bewerber interessiert mich, was ich tun kann, um bei guter Eignung mehr Erfolg zu haben. Wenn ich mich super vorbereitet habe, dann finde ich für die in der Anzeige genannten Anforderungen möglichst treffsichere Belege meiner Eignung und fasse die Rückschlüsse, die der Arbeitgeber aus dieser hohen Übereinstimmung ziehen sollte, nüchtern für ihn zusammen. Manchmal höre ich Sätze wie diese: „Ich habe schon 80 Bewerbungen geschrieben, aber ich werde einfach fast nie eingeladen!“ In diesem Falle vermute ich eine Massenproduktion, bei der nicht auf jede einzelne Stelle individuell eingegangen werden konnte. Insgesamt würde ich weniger, dafür qualitativ bessere Bewerbungen schreiben, die den Arbeitgebern den Eindruck vermitteln, ich sei wie gemacht für genau diese eine Stelle. Zum Beispiel nenne ich den Namen des Unternehmens und der Position immer konkret, anstatt von „der ausgeschriebenen Stelle“ und „Ihrem Unternehmen“ zu sprechen, denn da kommt schnell der Verdacht, als möglicher Arbeitgeber einer von vielen im Fokus zu sein. Einen Einstieg mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ sollte man immer durch die Anrede der konkreten Adressaten ersetzen. Außerdem rate ich dazu, kurz vor der sorgfältig erstellten Bewerbung bei der Personalabteilung anzurufen und zu fragen, ob die Vakanz noch besteht, wer der Adressat ist und wie die Schreibweise der Namen ist (z. B. Schmidt/Schmitt/Mayer/Meier/…). In dem Anschreiben kann man sich dann für das freundliche Telefonat bedanken und hat so einen persönlicheren Einstieg geschaffen.

Wie nehme ich Absagen nicht allzu persönlich?

Es handelt sich ja immer um ein sehr persönliches Interesse und eine Absage trifft immer arg. Dagegen empfehle ich, immer mehrere Bewerbungen gleichzeitig ins Rennen zu schicken und alles zu geben. Wenn es mal nicht klappt, aufstehen, Krone richten und weiter.

Wird es für Frauen ab Ende 20 schwerer einen (neuen) Job anzutreten, weil Arbeitgeber (unbewusst) Angst vor dem schnellen Ausscheiden (z. B. durch eine Schwangerschaft) haben?

Vermutlich ist das manchmal so, aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Wenn man partout keine Familienplanung im Sinn hat, kann man von sich aus im Gespräch oder Anschreiben die kurz- bis mittelfristigen Pläne skizzieren. Die Bedenken hat der Arbeitgeber nicht wirklich unbewusst, sondern sehr wahrscheinlich. Er darf sie nur nicht sagen. Punkten sollte man einfach mit seiner Eignung und guter Vorbereitung auf das Bewerbungsverfahren.

Es gab mal die Situation, dass ich eine Absage erhalten habe und ein paar Wochen später mitbekommen habe, wer die Stelle bekommen hat. Ich hatte komplett andere Qualifikationen als die eingestellte Person und ich fragte mich: Wenn der Arbeitgeber doch jemanden sucht, der XY gelernt hat, wieso laden Sie mich dann überhaupt ein?

Es ist schwer zu sagen, womit der andere Bewerber gepunktet hat. Wenn man so einer Situation vorbeugen möchte und mutig ist, gibt es die Möglichkeit, beim Bewerbungsgespräch zu fragen, welche Kompetenzen dem Arbeitgeber am wichtigsten sind bzw. woran er nachher merke, dass er sich für den passenden Bewerber entschieden habe. Das Bauchgefühl hilft auch manchmal.

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Corona

Wie hat Corona den Arbeitsmarkt für Berufseinsteiger verändert?

Dazu ist eine pauschale Aussage schwierig. Es finden Bewerbungsgespräche unter anderen Bedingungen, z. B. per Zoom oder live mit Mund-Nasen-Schutz statt. Manche Arbeitgeber sehen einer wackligen Zukunft entgegen und zögern, Berufseinsteiger einzustellen bzw. generell einzustellen. Grundsätzlich ist vieles in Bewegung, es gibt bestimmt auch Bereiche, die wachsen und dringend mehr Personal als „vor Corona“ benötigen.

Ich habe das Gefühl, dass (vielleicht auch Corona-bedingt) Arbeitgeber zwar ausschreiben, aber nicht einstellen, geschweige denn zu Gesprächen einladen. Ist das Gefühl berechtigt?

Fake-Ausschreibungen gab es auch schon vor Corona, sind aber eigentlich verpönt und nicht die Regel. Wenn man dieses Gefühl hat, kann man bei einem Unternehmen anrufen und fragen, ob die Vakanz noch besteht und wenn ja, bis wann die Stelle in etwa besetzt werden soll.

Wie sollte man die „Bewerbungsflaute“ am besten nutzen?

Wenn ich zurückblicke, haben die besten Dinge und Wendungen im Leben ihren Ursprung in der Krise. Das Beste könnte sein, die eigene berufliche Motivation zu erforschen. Vielleicht ist es Zeit für eine Besinnungsphase, einen Freiraum, mal etwas ganz Anderes auf Zeit auszuprobieren. Oder – eher praktisch – seine bisherigen Bewerbungen zu überprüfen und an Stellschrauben zu drehen. Vielleicht einfach mal bei der ein oder anderen Bewerbung mutig Initiative zeigen und sich persönlich einbringen? Und nicht zuletzt: tun, was man liebt und mit Freude tun, was man tut.

Wie kann [intrins’io] Bewerbern durch diese besondere Zeit helfen?

Der Vorteil gegenüber dem Gegenlesen durch Eltern oder Freunde ist, dass man ein konstruktives Feedback bekommt, mit dem man etwas anfangen kann und die Auseinandersetzung nicht auf einer persönlichen Beziehungsebene stattfindet. Zwar ist es interessant, von jemandem eine Beurteilung des eigenen Bewerbungsentwurfs zu lesen. Konkrete Umsetzungstipps gehen jedoch einen Schritt weiter. Alle Vorschläge für Änderungen sind begründet, möglichst konkret und vom Stil her individuell zum Bewerber passend. Die Bewerber lesen die Bewerbung durch die Brille eines Arbeitgebers, der keine Risiken eingehen, den Bewerber verstehen und verstanden sein will. Durch das Bewerbungscoaching kann man sich das Coaching-Menü zusammenstellen, das einem weiterhilft und bekommt an allen „Baustellen“ Hilfe und Tipps. Natürlich kann man sich über Fachlektüre, Internetrecherche etc. auch zahlreiche Tipps zusammensuchen, aber manchmal sind diese widersprüchlich und uferlos. Bis man dann wirklich loslegt mit dem eigenen Schreiben, vertut man viel Zeit. Wenn man zügig eine Bewerbung auf einem professionellen Niveau versenden möchte, kommt man mit einem Bewerbungscoach an der Seite schneller zum Ziel und ist schlauer als vorher. Ziel ist es, halb so viele Bewerbungen zu schreiben, aber doppelt so oft eingeladen zu werden. Ich erlebe es so, dass die Bewerber stolz auf ihre Unterlagen sind und mit mehr Selbstbewusstsein in die Bewerbungsrunde gehen. Diese Unterstützung gilt generell und ist nicht „wegen Corona“.

Colin Behrens | Pixabay

Liebe Frau Dorausch! Wir danken Ihnen vielmals für dieses wunderbare und sehr aufschlussreiche Interview. Sie haben mit Ihren Antworten alle Fragen geklärt, Missverständnisse ausgeräumt und Hoffnung geschürt!

Falls ihr mehr von und über Frau Dorausch wissen möchtet oder ihre Unterstützung benötigt, hier findet ihr sie: www.intrinsio.de

Noch mehr zum Thema Arbeitsmarkt? Amelie hat mit Prof. Dr. Ernestine Schafmann, Dozentin für strategische Personalentwicklung an der International School of Management, über das Thema Employability gesprochen. Lies das Interview jetzt hier.

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