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Alles hat Konsequenzen – Kinoreview The Equalizer 2

McCall sorgt erneut für Gerechtigkeit, auf seine ganz eigene, brutale Art & Weise. Inmitten eines Hurricanes kommt es zur finalen Abrechnung. Lohnt sich dafür der Kinobesuch?
| Daniel Rublack |

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Wir alle müssen für unsere Sünden bezahlen.

Wenn ein Film ein Gemälde sein könnte, würde es vermutlich The Equalizer (2014) sein. Unvergessliche Slow-Motion-Aufnahmen, faszinierend brutale Gewaltakte und eine einfach einmalige Inszenierung kreieren einen Streifen, dessen Szenen würdig in einem Rahmen an der Wand thronen würden. Daneben ließen sich etliche Zitate und Dialoge des Films hängen, die mir für immer im Kopf geblieben sind.

Dementsprechend hoch war die Erwartungshaltung vor der Sichtung des Nachfolgers, welcher in der langen Karriere Denzel Washingtons tatsächlich die erste Fortsetzung darstellt. Erneut von Regisseur Antoine Fuqua inszeniert, der sich vor allem für starkes Entertainment-Kino á la Olympus Has Fallen, Die Glorreichen Sieben & insbesondere Shooter verantwortlich zeigt, verspricht der Trailer einen grimmigen Robert McCall, der seine Gegner in brutaler Manier aus dem Leben reißt. Teile dieses Versprechens erfüllt The Equalizer 2, andere Dinge versagen bei diesem Action-Thriller jedoch auf ganzer Linie.

Größtes Manko ist die Story, deren relevante Handlung sich in weniger als drei Zeilen zusammenfassen ließe. Aber keine Spoiler. Der elementare Handlungsstrang wird neben viel zu vielen Subplots, welche oftmals schlicht unnötig erscheinen und keinen Nährwert für die Geschichte haben, schlecht eingegliedert, ist stellenweise unlogisch und wird bei näherer Betrachtung auch nicht vollkommen aufgelöst. Gegen Ende des Films bleibt der Eindruck, dass in den ersten 75 Minuten eher der Alltag von McCall gezeigt wurde, in welchem er hier und dort der ein oder anderen Person hilft, mit Rat und Tat zur Seite steht oder im Einzelfall mit Gewalt zur Problemlösung verhilft. Zugegeben, der Vorgänger ist ebenfalls ein simpler Film, hat aber eine Geschichte zu erzählen. Sein Nachfolger hält den Zuschauer allerdings mit etlichen, sehr ähnlichen Aufnahmen eines nachdenklichen McCalls, übertriebenen Computerskills und Nebenfiguren hin, bis endlich etwas passiert. Jene Haupthandlung ist dann auch weit weniger spektakulär als gedacht und dient lediglich als Aufhänger für die Action. Eine konsequente Umsetzung dieses „Nur-das-Nötigste-an-Story“ hätte dem Film aber sicher kaum geschadet und den Fokus besser gelagert. Positiv hervorzuheben sind an dieser Stelle einige, gut getimte Humorinhalte. McCall haut einige trockene und manch clevere Sprüche raus, die jedoch nie gewollt oder gestellt wirken und als auflockerndes Element gut funktionieren.

Auch die Zeichnung der Figuren ist nur bedingt zufriedenstellend. Denzel Washington ist ein begnadeter Charakterdarsteller und spielte im Vorgänger einen gebrochenen Mann, der als Ex-CIA-Spezialist eigentlich sein neues, ruhiges Leben genießen wollte. Umstände zwangen ihn dazu, seine Fähigkeiten gegen die Bösen einzusetzen und seine Talente anderen Menschen als Hilfe anzubieten. Dabei ließ er seinen Feinden stets die Wahl und töte nur im Ernstfall. Die Fortsetzung versucht McCall mehr Tiefe einzuhauchen und macht die Figur trotzdem kälter. Obwohl Washington stark aufspielt, wirkt der Ex-Killer wesentlich abgeklärter und empfindet fast so etwas wie Spaß an seinen Tötungen, ganz im Gegensatz zu Teil Eins. Seine Rolle als Mentor setzt er jedoch auch in The Equalizer 2 eindrucksvoll um, wobei seine Aussagen stellenweise arg in Kontrast zu seinen brutalen Handlungen stehen. Dennoch ist Robert McCall ein sympathischer Mann, der zwar seine düstere Vergangenheit nicht ignorieren kann, aber Gutes und auch Buße tun will. Trotz Problemen des Scripts und der Figurenzeichnung des Ex-CIA-Spezialisten schafft es Denzel Washington, das Publikum durch sein authentisches Spiel in den Bann zu ziehen und ist zweifelsohne größter Pluspunkt des Films.

Die Qualität des restlichen Casts schwankt: Wo Ashton Sanders als farbiger Nachbarsjunge auf dem Weg in die Kriminalität von McCall gerettet wird und herzliche Dialoge entstehen, gelacht wird und man von einer guten Performance sprechen kann, bleibt Pedro Pascal in seiner Rolle des ehemaligen Kollegen ziemlich blass. Melissa Leo sammelt mit ihrer gewinnenden Art der Susan genügend Sympathien, um als Ausgangspunkt für McCalls Rachefeldzug zu dienen. Ansonsten gibt es kaum relevante Figuren innerhalb des Films.

Story schwach, Figuren durchwachsen, Darsteller passabel – was macht denn die ersehnte Action? Nach einem wirklich gelungenen Start, in welchem die typische Armbanduhr zum Einsatz kommt und Kenner des Vorgängers nach freudiger Erwartung die erste Gewalteruption genießen, folgt länger nichts. Numero Zwei hat noch massiver Probleme mit seinem Tempo als The Equalizer und dümpelt vor sich hin. Einzig nennenswerte Action-Szene ist die kurze Konfrontation im Hotelzimmer, welche ähnlich inszeniert ist wie der Russenmord, ohne annährend dessen Qualität zu erreichen. Spaß macht es trotzdem, wenn McCall miesen Arschgeigen die Knochen bricht!

Als dann endlich die Hauptstory in voller Gänze enthüllt wird, ändert der Film seinen Ton schlagartig. Messerscharfe Dialoge, unverhohlene Todesdrohungen und blanke Wut in den Augen Washingtons leiten packende 40 Finalminuten ein. Die Spannung drückt den Zuschauer nun voll auf die Sitzkante, gebannt geht der Blick auf die Leinwand. Wenn es zur endgültigen Abrechnung auf einer verlassenen Insel inmitten eines Hurricanes kommt, knabbert man förmlich an den Fingernägeln. Awesome! Schon vorher greift der Streifen auf bekannte Stilmittel von The Equalizer zurück, wie erwähnte Armbanduhr oder erneut die runtergeframte Analyse durch die Augen McCalls. War im Vorgänger geil, ist es hier auch! Dazu kommt eine innovative Ansicht, die volle 360° umfasst. Extrem stylisch und wirklich beeindruckend! Die Kamera fängt die Action gut ein, stellenweise ist jedoch ein wenig schnell geschnitten worden und hätte ruhig expliziter sein dürfen. Von mangelnder Härte kann man allerdings kaum sprechen: Im Vergleich zum Vorgänger wurde der Gewaltgrad zwar etwas reduziert, dennoch metzelt sich McCall blutig durch die Körper einiger Feinde, nutzt Handfeuerwaffen oder bricht Genicke mit seinen bloßen Händen. Bluteffekte und Wunden sind dabei handgemachter Natur und auch kreative Tötungsmethoden sorgen für entsprechend authentische Resultate. Das FSK 16 geht dafür vollkommen in Ordnung.

Absolut überzeugend ist der Ton von The Equalizer 2. Schon der Erstling kam mit kräftigem Druck durch die Anlage und die Fortsetzung steht dem in Nichts nach. Das bekannte Equalizer-Theme wird hier auch mal etwas ruhiger variiert, donnert jedoch ansonsten in voller Lautstärke aus den Boxen. Dazu gesellt sich eine feine Abmischung von Effekten, wenn Knochen brechen hier schönerweise mit lautem Krachen. Die Einbettung des Finales in einen Hurricane wird von heftigem Wind und rauschenden Wellen begleitet, was für eine tolle Atmosphäre sorgt. Ganze Arbeit von der Toncrew, dafür Daumen hoch!

Insgesamt stellt mich The Equalizer 2 beim Fazit ein wenig vor die Flinte. An den ersten Teil reicht der Streifen in keinster Weise heran und als Einzelfilm ist er ebenfalls nur bedingt gut. Die relevante Grundstory ist schwach, der Film dümpelt mit Subplots vor sich hin, von denen manche wirklich interessant sind und andere komplett für die Tonne. Bis der Stein ins Rollen kommt, dauert es, den ordentlichen Start ausgenommen, mehr als 75 Minuten, die wenig Action bieten. Sobald der Schalter umgelegt wird, ist der Action-Thriller extrem spannend und bietet brutale Auseinandersetzungen. Warum nicht schon viel früher so? Der eingebaute Humor lockert den Film schön auf und ist dank gutem Timing ein klarer Pluspunkt. Der Cast ist passabel, Denzel Washington holt durch seine starke Performance allerdings einige Punkte wieder auf und schafft es, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Inszenatorisch ist dem Film kaum etwas vorzuwerfen, die wenigen Actionszenen sind hart und stylisch, der neue 360°-Blick ist sehr cool und der Ton drückt satt und macht Laune.

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Die Frage richtet sich eher an das Zielpublikum: Liebhaber des Erstlings müssen klare Abstriche machen, denn dieser Action-Thriller thrillt spät und bietet auch gar nicht so viel Action wie gewünscht. Denzel Washington überzeugt dahingegen und die finalen 40 Minuten sind wirklich sehenswert. Der 0815-Kinogänger kann sich auf einen durchwachsenen Streifen einstellen, der mit einigen brutalen Inhalten aufwartet und mit seinen 122 Minuten etwas zu lang geraten ist. Unterhaltsam ist der Film in mittleren Maßen, vielleicht war meine Erwartungshaltung auch zu hoch, der Rest des Kinosaals war wesentlich gnädiger beim Resümee.

The Equalizer 2 – Kann man definitiv schauen, muss man aber nicht unbedingt.

7/10 Sturmböen.

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Daniel Rublack

… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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