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Bitte mal lachen! Was macht man eigentlich beim Lach-Yoga?

Lachen, ohne, dass etwas Lustiges passiert? Warum eigentlich nicht! Lotta berichtet von ihrer ersten Erfahrung mit Lach-Yoga.
| Lotta Krüger |

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Ein Mann lacht aus voller Kehlebruce mars | Pexels

Ich lache. Gerne und viel. Wieso also nicht mit einer Gruppe von Menschen zusammenkommen, denen es genauso geht, und genau das tun?

Als ich in der Zeitung vom Lach-Treff Münster lese, denke ich sofort: Das musst du ausprobieren! Jeden Freitag von 19–20 Uhr kann man für den bescheidenen Preis von einem Euro an einer Stunde Lach-Yoga teilnehmen. Ich kann mir zunächst nicht viel darunter vorstellen, obwohl ich mich sowohl mit Lachen als auch mit Yoga auskenne. Aber beides gleichzeitig?

Etwas unsicher betrete ich also am Freitag um kurz vor 7 das Gesundheitszentrum, in dessen vierten Stock der Kurs stattfindet. Der Raum ist geräumig, hell und modern, und die ersten Lachbegeisterten sind auch schon da. Den Altersdurchschnitt senke ich mit meiner Anwesenheit auf jeden Fall extrem – die meisten sind etwa zwischen 50 und 65 Jahre alt. Einen Mann schätze ich sogar auf etwa 85, dieser setzt sich sogleich neben mich und fragt, ob ich schon öfter dabei war, er selbst hätte wegen Krankheit länger aussetzen müssen. Ich erzähle ihm, dass ich heute zum ersten Mal mitmache, und er bereitet mich mit den Worten „Man muss sich auf jeden Fall erst einmal darauf einlassen und darf sich nicht blöd vorkommen“ auf die kommende Stunde vor. Damit soll er Recht behalten!
Noch bis kurz nach 7 trudeln immer weiter Leute ein, auf einen superpünktlichen Start wird keinen großen Wert gelegt – generell ist die Stimmung sehr entspannt, freundschaftlich und informell. Noch bevor wir in einem Kreis zusammenkommen wird geschnackt, gegrüßt und natürlich – gelacht.
Als Lach-Trainer Markus uns schließlich zum Start zusammenruft, ist der große Raum tatsächlich gut gefüllt. Wir sind knapp 20 Leute und Markus sagt sogar, dass wir heute eher eine kleine Gruppe seien. Mit bloß fünf Männern liegen diese deutlich in der Unterzahl, aber ob Mann oder Frau, jung (ich) oder älter (alle anderen) spielt hier ohnehin keine Rolle, schließlich sind wir zum Lachen hier, und das kann nun mal jeder.

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Von Markus angeleitet beginnen wir mit dem Lach-Yoga – was sehr wenig mit Yoga und sehr viel mit Lachen zu tun hat. An Yoga erinnert eigentlich einzig, dass wir zwischendurch die Augen schließen und uns auf den Atem fokussieren und die Stunde mit einem „Namaste“ abschließen werden. Die meiste Zeit allerdings verbringen wir mit Übungen verschiedener Art, deren Besonderheit ist, dass man dabei lachen soll. Ein komisches Gefühl: Lachen, wenn eigentlich nichts Witziges passiert. Aber da es alle machen, stimme ich mit ein und gebe mein Fake-Lachen zum Besten. Das ist wahrscheinlich eigentlich nicht sehr überzeugend, aber geht in dem lauten Gelächter der anderen zum Glück unter. Doch zwischen den erzwungenen Lauten merke ich, wie auch mir kurze echte Gluckser entweichen, einfach aufgrund der skurrilen Situation. Was tue ich hier eigentlich?
Während ich versuche, meine Befangenheit abzuschütteln und mein Lachen etwas lauter werden lasse, frage ich mich, wieso ich überhaupt befangen bin. Wieso ist es mir peinlich? Das scheint hier keinem sonst so zu gehen und es gibt ja auch keinen Grund dafür.
Ich frage mich, was die Leute antreibt, regelmäßig zum Lach-Treff zu gehen. Haben sie in ihrem Alltag vielleicht eher wenig zu lachen und wollen sich die gute Laune quasi „instant“ im Paket abholen, indem sie am Freitagabend nach einer anstrengenden Arbeitswoche eine Stunde lachen? Oder sind es ohnehin fröhliche Menschen, die Lust haben, diese Freude mit Gleichgesinnten zu teilen und vielleicht noch zu verstärken? Als ich die lachenden Menschen um mich herum betrachte, gehe ich eher von Letzterem aus. Auch, wenn ich mir reichlich eigenartig vorkomme und die ganze Situation noch ziemlich seltsam und befremdlich finde, muss ich feststellen, dass meine Mitlacher ganz normale Erwachsene zu sein scheinen. Es sind keine Leute, die man als Freaks abstempeln würde, wenn man ihnen auf der Straße begegnet. Aber hier in diesem Raum am Freitagabend ist jeder ein bisschen Freak. Inklusive mir.

Wer Körperkontakt scheut, hat beim Lach-Treff auf jeden Fall nichts zu lachen. Denn von einer gegenseitigen Massage zum Warmwerden über die Lachbegrüßung mit Händeschütteln und wiederholtem Festhalten im Kreis bis hin zur „Lach-Dusche“ werden Berührungsängste kategorisch ausgeschlossen. Was es mit der Lach-Dusche auf sich hat, erfahre ich am eigenen Leib, da nicht nur die Geburtstagskinder dieses Monats in ihren Genuss kommen, sondern auch die Neulinge – also eine andere Teilnehmerin und ich. Dabei stellen sich die „zu duschenden“ in die Mitte des Kreises, alle restlichen singen eine leicht im Text geänderte Version von „Viel Glück und viel Segen“ (Gesundheit und Lachen, sei auch mit dabei) und kommen anschließend lauthals lachend auf die „gesegneten“ in der Mitte zu, während sie mit den Händen eine prasselnde Dusche über ebendiese regnen lassen. Die Kuriosität der Situation bringt mich hier tatsächlich das erste Mal ernsthaft – oder ist dieses Wort hier unpassend? – zum Lachen.

Die Übungen gefallen mir mal so, mal so. Die Botschaft, als wir alle gemeinsam drei Mal mit einem lauten „Ha!“ die Arme heben, beim vierten Mal in lautes Lachen ausbrechen und es in Gedanken denen auf der Welt widmen, die ein Lachen gut gebrauchen könnten, finde ich gut. Natürlich braucht es ein bisschen spirituelles Vertrauen, dass das Lachen wirklich bei jemandem ankommt. Aber Lachen zu verschenken ist auf jeden Fall etwas, das mir vom Gefühl her zusagt.
Bei anderen Übungen dagegen, wie zum Beispiel einen Pinguin imitierend durch den Raum zu watscheln und dabei wie ein ebensolcher zu lachen, warte ich auf das erlösende Signal, sich wieder im Kreis zu versammeln. Ebenso wenig kann ich mit ein paar Routinen anfangen, die etwa nach einer erfolgreichen Übung durchgeführt werden. Da gäbe es zum einen das wiederholte, einstimmig gerufene „Sehr gut, sehr gut, YEAH!“, wobei zwei Mal in die Hände geklatscht und am Ende mit erhobenen Armen ein Daumen-Hoch-Zeichen gegeben wird. Das ist nicht der einzige Moment, in dem ich mir vorkomme wie in dem Fach „Soziales Lernen“, das in der sechsten Klasse eine Sozialpädagogin an meiner Schule unterrichtete. Zum anderen wird in den kleinen Pausen zwischen den Übungen durch den Raum getapert und dabei „Ho, Ho, Ha, Ha, Ha“ gerufen, begleitet von erneutem Klatschen und wilden Armbewegungen. Natürlich mache ich bei allem mit, aber ich kann mich nicht dagegen wehren, mir albern vorzukommen.

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So informell, wie nun mal der Anlass des Zusammenkommens, ist auch der Ablauf: Lach-Trainer Markus ist offen für Wunsch-Übungen, und es wird auch mal ein privates Gespräch zwischen den Übungen geführt, bei dem lautes Lachen natürlich ebenso akzeptiert ist wie in den Übungen. Nur als Markus drei Mal ansetzen muss, um eine Übung zu erklären, weil er stets von Scherzen einer Teilnehmerin unterbrochen wird, bittet er etwas energischer um Ruhe.
Etwa zehn Minuten vor Ende kommen wir in einem Stuhlkreis zusammen, zur Lach-Meditation. Nachdem wir noch einmal die Augen schließen und uns auf unseren Atem konzentrieren, sagt Markus: „Und jetzt kann jeder noch einmal das Lachen loswerden, das noch da ist. Wenn nichts mehr über ist, auch gut – dann erfreut euch an dem Lachen der anderen. Los geht’s.“ Vielleicht ist es gerade das – dass diesmal kein ausdrücklicher Aufruf zum Lachen erfolgt und damit der „Druck“ weg ist –, was mich nun wirklich zum Lachen aus vollstem Herzen bringt.
Allerdings nicht sofort. Zunächst ist es still, und ich denke noch: Wer jetzt immer noch nicht genug gelacht hat, mit dem stimmt was nicht. Doch nach und nach kommen ein paar vereinzelte Gluckser, die wiederum andere zum Lachen bringen. Eine Frau mir gegenüber und der Mann neben mir beginnen richtig laut zu lachen und es klingt zunächst gar nicht besonders echt, sondern eher aufgesetzt, aber scheinbar wollen sie es noch loswerden. Das wiederum finde ich aber witzig – so lautes, mutiges Fake-Lachen hört man schließlich nicht jeden Tag. Immer mehr stimmen mit ein und nun lachen die meisten von innen heraus. Eine Frau kann sich kaum beherrschen und hält sich den Bauch vor Lachen, was wiederum mich enorm belustigt. Denn eigentlich hat ja niemand etwas Witziges gesagt! Ich bin fasziniert. Wie in Wellen kommt es immer wieder über uns, mal ist es still, dann wieder ein vereinzelter Lacher, und schon stimmen die anderen mit ein. Auch Markus scheint riesigen Spaß zu haben, die Energie im Raum ist beeindruckend. Auch wenn ich hauptsächlich über das Lachen der anderen lachen muss, und darüber, dass wir einfach kein Ende finden nach 60 Minuten Lachen, ist es kein AUSlachen. Wir lachen miteinander oder auch übereinander, aber sozusagen im Einverständnis. Knappe zehn Minuten geht das, und ich bin mir relativ sicher, dass es noch weitere zehn anhalten würde, wenn nicht Markus das Abschluss-Namaste einleiten würde. Den Gruß, den ich vom „echten“ Yoga kenne und der so viel bedeutet wie „Ich verbeuge mich vor dir“ oder auch „Das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir“, wird hier um eine persönliche Verabschiedung durch Augenkontakt zu jedem einzelnen ergänzt.

Als ich anschließend recht rasch nach meiner Tasche greife und mich verabschiede, hält Markus mich noch kurz zurück und bittet um eine Rückmeldung. Er fragt, wie es mir gefallen hat, und ich weiß irgendwie gar nicht, was ich sagen soll. Wie hat es mir gefallen? Aus Höflichkeit antworte ich natürlich reflexartig, dass es mir Spaß gemacht hat. Ich sage auch, dass man sich erst einmal dran gewöhnen musste, dass es aber trotzdem eine spannende Erfahrung war. Markus fragt: „Also geht es dir mindestens genauso gut wie vor der Stunde?“ Ich sage spontan: „Ja, mindestens!“ Und das stimmt.
Wenn ich ehrlich zu mir bin, werde ich vermutlich trotzdem nicht noch einmal zu dem Lach-Treff gehen. Zu unwohl habe ich mich doch bei einigen Übungen gefühlt, und zu wenig hat sich mir der Sinn bei manchen von ihnen erschlossen. Aber darum geht es auch gar nicht. Lachen muss keinen Sinn ergeben, es muss einfach nur Spaß machen. Das tut es auch, mir persönlich aber noch deutlich mehr, wenn ich mich mit meinen Freunden treffe, mit denen ich den gleichen Humor teile und wo das Lachen einfach so von Herzen kommt.

Aber gerade die Lach-Meditation am Ende wird mir in guter Erinnerung bleiben, weil sie gezeigt hat, dass man manchmal sogar ohne einen Grund schallend lachen kann. Außerdem bleibe ich nachhaltig beeindruckt von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die scheinbar das Schamgefühl und die Befangenheit, die ich gespürt habe, schon lange abgelegt haben. Und warum auch schämen? Lachen ist menschlich, und es ist befreiend. Kinder lachen täglich bis zu zwanzig Mal mehr als Erwachsene. Wenn man also einen Kurs besucht, um sich der Lach-Häufigkeit von Kindern wieder anzunähern, ist das eigentlich eine ziemlich erwachsene Entscheidung.

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