Kino & Serie / Kultur und Medien

Bruce Willis als rachsüchtiger Doktor auf den Straßen Chicagos – Kinoreview Death Wish

Egal was Sie tun, machen Sie weiter so.
| Daniel Rublack |

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Alle Jahre wieder beglücken uns Filmemacher mit Streifen, welche in die Kategorie „So schlecht, dass es eigentlich schon wieder richtig gut ist“ fallen. Spontan würden mir da etwa Mechanic: Ressurection (2016) oder Batman & Robin (1997) einfallen. Spoiler: Death Wish von Eli Roth gehört definitiv auch dazu. Die Geschichte ist so dermaßen konstruiert und bietet einige der unglaubwürdigsten Zufälle aller Zeiten. Dazu spielt Bruce Willis mit der Empathie einer Straßenlaterne! Gekrönt wird das Ganze von genial-beschissenen Onelinern, welche qualitativ wirklich etliche Rahmen sprengen. Insgesamt also pures Entertainment, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Spoilerwarnung! Wobei ihr diesen Film bei genauer Kenntnis der Problemstellen fast noch mehr genießen könnt.

Beginnen wir mit der sogenannten Handlung. Die alten Filme mit Charles Bronson sind mir gänzlich unbekannt, daher kann ich dazu keine Vergleiche ziehen. Im Jahr 2017 startet die Geschichte eigentlich relativ vielversprechend. Ein Cop rast mit Blaulicht durch Chicago, um seinen angeschossenen Kollegen in die Notaufnahme zu bringen. Zwischendurch erhalten wir einige Funksprüche über die ausufernde Gewalt in der Stadt. Im Krankenhaus angekommen kann der zuständige Arzt den Polizisten leider nicht mehr retten. Schon hier wirkt Bruce Willis in der Rolle als Dr. Paul Kersey irgendwie befremdlich. Noch während er dem schockierten Partner des Verstorbenen sein Beileid ausspricht, wird er von einer Schwester zur Behandlung des Todesschützen gerufen. Bamm! „Sie wollen das Schwein doch nicht ernsthaft retten?!“ Doch, grummelt Willis und der Kernkonflikt des Films ist offen ausgesprochen.

Schon bald wird er seine Meinung ändern. Nach einigen lachhaften „Happy-Family“-Szenen, welche uns später für Willis Partei ergreifen lassen (sollen), wird dann auch zügig sein Familienleben von Einbrechern zerstört. Nicht unerwähnt bleiben soll allerdings das vorherige Fußballspiel. Mit geringem Sinn für die Handlung, Willis soll wohl lediglich als friedlicher Mensch inszeniert werden, möchte ihm ein pöbelndes Arschloch am Rande des Spielfeldes auf die Nase hauen. Doch Willis bleibt stoisch ruhig und seine Frau verhindert eine Eskalation. So unnötigen, aber extrem witzigen Schwachsinn bieten wenige Filme. Jeder Fußball hat mehr Gesichtsausdrücke drauf als Bruce Willis in dieser Szene! Nun gut, Willis Frau wird also von Einbrechern getötet und seine Tochter liegt im Koma. Wie er das Ganze aufnimmt ist dann wieder allererste Sahne. Also ohne echte (gespielte) Gefühlsregungen natürlich. Ob die Reaktion, wenn ihm sein Brötchen runterfällt, groß anders wäre?! Nach einigem Hin und Her ist Willis dann von seinem Schwiegervater beeindruckt, welcher nach der Beerdigung von Willis Frau einfach volles Mett auf die Bremse tritt, aus dem Auto springt und auf zwei Wilderer schießt. Diese Situation kommt so plötzlich, dass ich zunächst verwirrt war. Dass dies allerdings der Ausgangspunkt einer Selbstjustizkarriere ist, sorgte dann für einen gehörigen Lachanfall.

Wenn ein Mann seine Liebsten wirklich schützen will, muss er es selbst tun.

Naja, eigentlich sind deine Liebsten ja schon geschädigt Bruce, aber wir sind da nicht so pingelig. Wer dachte, diese Zufälle sind schon kriminell, hat allerdings weit gefehlt: Beim Erwerb einer Knarre fällt Willis dann auf, dass Videoüberwachung und Seriennummern irgendwie hinderlich beim Ausüben von Selbstjustiz sind. Wie praktisch, dass in der nächsten Szene, bei der Operation eines angeschossenen Gangmitgliedes, dessen Waffe vom OP-Tisch fällt. Durchsucht hat den offensichtlich keine Sau und den lauten Aufprall auf den Boden hat auch niemand gehört. So hat der Mensch denn nun auch seine Glock. Via Youtube erlernt man einige weitere Kenntnisse über Waffen und schon ballert man auf der Straße zwei Autodieben in den Schädel. Wie immer filmt eine Gafferin anstatt die Polizei zu rufen und schon gibt es das Video des „Grim Reapers“. Dessen Verhalten wird in schlechten Montagen von TV- und Radiozusammenschnitten wild diskutiert. Held oder selbst Verbrecher? Zufälligerweise ermitteln dieselben Polizisten wie im Fall „Kersey“ auch im Fall „Grim Reaper“. Immerhin hat man hier den Standard-Film-Cop Nr. 1 gecastet, Dean Norris. Bekannt als Drogenfahnder aus Breaking Bad spielt er hier wieder einmal DEN Polizisten. Wobei seine Partnerin keineswegs zu verachten wäre. Obacht! Der Verdächtige ist ein Weißer im Hoodie. Ihr genialer Spruch:

Sagen sie mir, wo wir anfangen sollen unsere weiße Nadel im Heuhaufen zu suchen.

Muss jetzt schon wieder grinsen, wenn ich daran denke. Naja, wo waren wir? Ach genau, bei Bruce. Der hat mittlerweile, nach kleinern Scharmützeln, ganz zufälligerweise einen seiner Täter gefunden. Respekt, Chicago hat immerhin 2,7 Millionen Einwohner. Zufälle gibt´s, die gibt´s nicht. Nachdem Willis als Superermittler gerade mit der Befragung beginnen will, wird er blöderweise von dem Gangster überwältigt. Macht allerdings keinen Unterschied, denn während des Gerangels fällt dem Bösewicht eine Bowlingkugel auf den Kopf. Ja, das passiert wirklich! Egal, er hat auf jeden Fall den nächsten Namen und so kommen wir zur im Trailer angeteaserten Szene mit dem Auto. Mit seinen medizinischen Kenntnissen, oder eher denen, die im Script stehen, foltert Brucey den Täter relativ mies. Hier dreht Eli Roth ordentlich an der Gewaltschraube, wobei auch die Dialoge nicht zu verachten sind. Auf die Frage, ob er DER Arzt sei, antwortet Willis:

Ich bin dieser Arzt. Jetzt bin ich dein Arzt.

Wie gesagt, etwas Blut und Geschrei und dann bereitet Bruce den ultimativen Kill vor. Bettelnd krabbelt der Täter unter dem Auto hervor und stellt wieder eine fatale Frage.

Als tötest Du mich nicht? – Ich nicht, die Schwerkraft.

Schon hat der Mann ein Auto im Gesicht. Widerlich, doch irgendwie auch köstlich komisch. Eigentlich neigt sich die Geschichte dann auch langsam dem Ende zu. Hey, Super-Cop und Super-Zitat-Copin kommen auf den Trichter, wer denn der Grim Reaper eventuell sein könnte. Willis duelliert sich währenddessen in einem Club mit Täter Nr. 3. Eine wilde Schießerei verletzt beide Männer, wobei meine größte Frage den laschen Eingangskontrollen gilt. Mit Knarre in die Disco? Unter Trump allerdings vermutlich möglich und ganz legal. Stellen wir keine weiteren Fragen. Im Krankenhaus, Madame Kersey Junior ist endlich aus dem Koma erwacht, treffen sich beide Männer wieder.

Diese Szene ist das Highlight vom ohnehin schon genialen Film. Willis und Tochter wollen nach Hause und stehen im Aufzug. Aus unerfindlich dämlichen Gründen betritt auch der Gangster das Transportmodul. Extrem creepy fängt er mit Tochter Kersey an zu reden, welche fröhlich antwortet. Weder Willis, der ja dessen Gesicht gesehen hat, noch Töchterlein, welche seine Stimme kennen sollte, erkennen den Verbrecher. Dieser macht beim Aussteigen merkwürdige Andeutungen und auf die Frage, wer dieser Kerl sei, sagt Willis nur:

Auf jeden Fall keiner von meinen Patienten.

*Lachflash* Das Finale rückt unaufhörlich näher. Brucey kauft doch endlich legal eine Knarre und McKriminell bricht mit Kollegen erneut bei Kerseys ein, diesmal um beide Zeugen zu töten. Doch Bruce Willis hat den Sixth Sense, erahnt die Gefahr und versteckt seine Tochter. Wie ein Profi verschaukelt er einen Mörder mit einer schlechten Kissenattrappe in seinem Bett und den anderen mit dem Opfer-duscht-Trick. Im Keller gibt es dann den Showdown. *Sarkasmus acitvated* Oh Nein! Der Bösewicht hat Bruce in die Ecke getrieben und dieser sitzt nun angeschossen auf der Couch. Ein Geräusch lenkt den Täter ab und ZUFÄLLIGERWEISE hat Willis den Tisch mit integrierter Waffe aus der Werbung vor sich stehen. Jetzt heißt es Sayonara und BleiBlei für den Kriminellen. *Sarkasmus deactivated*

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McCop und McKollegin schneien rein. Folgender Dialog ist zwar nicht ganz originalgetreu, aber verdammt nah dran:

„Notwehr?“ – „Notwehr“ – „Ja, alles klar. Hören Sie dann auch bitte auf mit der Selbstjustiz, ja?“ – „Ja, klar.“ „Ja, ok, dann passt das schon.“ „Ja supi.“

Die Möglichkeit einer Fortsetzung wird natürlich auch offengelassen. Positiv zu benennen sind bei Death Wish eigentlich nur die handgemachten Wunden und AC/DC. Damn yea, AC/DC! Die Geschichte ist so schlecht und unglaubwürdig konstruiert, Logiklöcher und haarsträubende Zufälle rauben dir jede Hirnzelle. Der Cast spielt mäßig, Bruce Willis hat die Aura eines Trockners im Ruhezustand. Seine Glanzzeiten sind sowas von vorbei! Inszeniert ist der Streifen insgesamt recht ordentlich und muss bei einem FSK 18 auch manche Gewaltspitze nicht verstecken.

Wer diese Art Geschichte spannend inszeniert, mit einer starken und zerfallenden Hauptfigur und überragenden One-Take-Actionszenen sehen möchte, sollte Death Sentence (2007) von James Wan mit Kevin Bacon einlegen. Wer allerdings unfassbar konstruierte Zufälle, grandios schlechte Oneliner und einen grenz-gefühllosen Bruce Willis als Doktor sehen will MUSS Death Wish schauen!

Dieser Film ist eine Katastrophe für jeden halbwegs denkenden Menschen in Bezug auf Logik und die Darstellung menschlicher Emotionen. Die Grundbotschaft der Selbstjustiz ist in diesen Zeiten noch viel schwieriger als sie es jemals war. Neutral betrachtet sind hier maximal 3 oder 4 Punkte drin, aber der Streifen ist so verdammt unterhaltsam, weil er einfach so dumm ist! Zählt die Fehler, lacht über Willis, erfreut euch an der Gewalt und ihr erlebt 107 Minuten prächtigstes Entertainment. Wer hier einen qualitativen Ansatz wählt ist selbst schuld. Erst jetzt verstehe ich die geteilten Meinungen von Kritikern (totale Vernichtung) und Publikum (pure Ekstase) wirklich. Empfehlung? Auf jeden Fall!

Er ist der neue Volksheld.

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Daniel Rublack

… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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