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Die Unsichtbaren

Ein Kommentar zum Aktionstag am 5. Mai 2020 Wer in diesen Tagen die Nachrichten aus dem Bildungssektor verfolgt, muss gut […]
| Moritz Flottmann |

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Foto von alexandre saraiva carniato von Pexels

Ein Kommentar zum Aktionstag am 5. Mai 2020

Wer in diesen Tagen die Nachrichten aus dem Bildungssektor verfolgt, muss gut überlegen, was nicht alles in Rekordzeit wieder „normalisiert“ werden soll. Zunächst die privilegierten Abiturjahrgänge und Abschlussklassen, natürlich mit einer Ungleichbehandlung bezüglich der Präsenzpflicht zugunsten der Abiturient:innen. Nun die nächste Volte: allgemeine Schulöffnungen für alle, Kitas sollen bald folgen. Soweit so gut, könnte man meinen. Doch abseits der sichtbaren Veränderungen verschwindet eine Gruppe augenscheinlich von jedem Radar, nur wenige „Experten“ melden sich ihr zu Wort. Die Rede ist von den Förderschulen, die weiterhin geschlossen bleiben sollen. Nun könnte man an dieser Stelle viel über die Ungerechtigkeit schreiben, wieso dies eine Mehrbelastung für die Eltern ist, da diese Kinder einen viel höheren Betreuungsbedarf haben und teilweise noch mehr auf die Gemeinschaft und Sozialisation innerhalb der Schule angewiesen sind, als „normale“ Regelschüler:innen. Man könnte über die persönlichen Schicksale und Entwicklungsrückschritte schreiben, aber darüber berichten die „Expert:innen“, sofern deren Beiträge in den Nachrichten aufkommen, oder man danach aktiv recherchiert. Doch das wäre zu kurz gedacht.

Ich habe in den vergangenen Monaten mehrere Veranstaltungen besucht, die die Themen Inklusion und Diversity in den Mittelpunkt gestellt haben. Die Begriffe entstammen der Soziologie und bezeichnen verschiedene Konzepte. Inklusion bedeutet das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft, also auch im schulischen Kontext, egal welche individuellen Merkmale im Sinne von Behinderung und Beeinträchtigung eine Person mitbringt. Diversity zielt hingegen mehr auf die Vielfalt der Menschen hinsichtlich Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft und Kultur ab. Die Veranstaltungen waren dabei sehr unterschiedlich, sei es in Form einer großen Sportveranstaltung oder eines Festes, ja auch die Schau des Hochschulsports einer großen Universität fand ein paar Worte zu Diversity und Inklusion. Was ich vor allem aus den beiden erstgenannten Veranstaltungen mitgenommen habe ist Folgendes: Eine Diversity- oder Inklusionsveranstaltung zieht offenbar nur Personen der jeweiligen Statusgruppe und intrinsisch motivierte Personen, unabhängig der Werbung für die Veranstaltung, an. An sich ist dies vollkommen in Ordnung und solange unkritisch, sofern die Veranstaltung den Zweck verfolgt für die eigene Statusgruppe veranstaltet zu sein. Sobald der Zweck jedoch darin liegt, das Thema Inklusion nach außen zu tragen, muss ich für meinen Teil feststellen, dass dies nicht ausreicht. Inklusion und Diversity müssen immer und jederzeit nach außen sichtbar gemacht werden und wir „normalen“ Menschen müssen damit konfrontiert werden. Warum nicht grundsätzlich Gebärdendolmetscher prominent auf Veranstaltungen, sichtbar für alle, platzieren. Wieso nicht mal häufiger ein Statement über „gelungene“ Inklusion abgeben, wie der Rektor einer großen deutschen Universität, nachdem ein Gebärdenchor lautlos gesungen hatte und trotz des vorigen Hinweises auf die Gebärde „Applaus“ normal applaudiert wurde?

Wenn die Gesellschaft häufiger mit Inklusion und Diversity konfrontiert würde, dann würden solche Veranstaltungen hoffentlich stärker besucht, als es in den letzten Monaten der Fall gewesen war. Dann debattieren wir in der Gesellschaft hoffentlich über eine Öffnung der Förderschulen und lassen das Thema nicht außer Acht, weil nur wenige Eltern von der Schließung betroffen sind. Vielleicht akzeptieren wir dann Vielfalt in unserer Gesellschaft. Und hoffentlich werden dann Inklusion und Diversity endlich so beachtet, wie sie sollten.

Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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Moritz Flottmann

Lebt als Student der Germanistik und Geographie in Münster. Ist meistens im AStA oder reisend irgendwo in der Welt zu finden – und wenn das nicht reicht wird auch noch gekocht.

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