Interview

Bianca Kaminsky – Eine Grundschullehrerin auf Abwegen

„Hört auf den Bauch und traut euch, auch Zickzackwege zu gehen.“
| Amelie Haupt |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

bianca kaminskyBianca Kaminsky

Was macht man, wenn man einen ganz klaren Berufsweg vor sich hat und plötzlich zieht einem das Leben – oder besser gesagt die deutsche Bürokratie – einen Strich durch die Rechnung? Bianca Kaminsky ist genau das passiert: Ihr lag die Zukunft als Grundschullehrerin kristallklar vor Augen. Doch die Fächerkombination, die sie in Hessen studierte, wurde in Bayern nicht anerkannt. Sie hatte nun die Wahl, wieder zur Uni zu gehen oder sich eine Alternative zu suchen. Sie tat letzteres – und gründete den Verlag Lernbiene. Die inspirierende Geschichte einer „Grundschullehrerin auf Abwegen“.

Bianca verschlug es nach Bayern der Liebe wegen, um dort mit ihrem Mann zu leben. Doch lebt es sich nicht nur von Luft und Liebe. Dass sie ihren Beruf, für den sie lange Jahre studiert hatte, nun nicht ausleben konnte, bremste sie ganz schön aus.

Bianca, wie hast du dich in dem Moment gefühlt, als dir klar wurde, dass du in Bayern nicht ohne Weiteres als Grundschullehrerin arbeiten kannst?

„Zunächst war ich ziemlich enttäuscht, ja auch ein wenig verärgert. Ich hatte mein erstes und zweites Staatsexamen erfolgreich in der Tasche und besaß bereits ein paar Jahre Berufserfahrung durch das Unterrichten an hessischen Schulen. Es gab also einige schlaflose Nächte mit Grübeleien darüber, welchen Weg ich weitergehen möchte. Ich habe dann schließlich auf mein Bauchgefühl gehört und mich voll und ganz für die Lernbiene entschieden.“

Bereits während ihres Referendariats hatte Bianca ihren eigenen Kopf. Sie war unzufrieden mit den gebotenen Lehrmaterialien, an denen sie „das gewisse Extra“ vermisste: Zu fad, zu uninteressant und nicht auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten. Also verbrachte sie zusätzliche Stunden am Schreibtisch, um Arbeitsblätter zu entwickeln, mit denen sie Spaß hatte, zu unterrichten.

Woher hast du Zeit und Motivation genommen, trotz Referendariatsstress noch eigene Arbeitsblätter zu entwickeln?

„Nun ja, wenn ich für etwas wirklich „brenne“, ist für mich die Aufgabe oder Tätigkeit keine Belastung. Im Gegenteil, es hat mir unglaublich viel Freude gemacht, schönere Arbeitsmittel für „meine Kids“ in der Schule zu entwerfen. Und sie dann auch gleich ausprobieren zu können. Da war es dann egal, ob dafür komplette Wochenenden oder Abende draufgingen.“

Ihre eigens konzipierten Arbeitsmaterialien wurden auch von den Kolleg*innen wert geschätzt und dankbar übernommen. Bald machte Bianca eine interessante Entdeckung: Auch andere Lehrer*innen nahmen das Gestalten des Unterrichts in die eigene Hand – und verkauften ihre Arbeit im Internet. Dank des positiven Feedbacks entschloss sie selbstbewusst ihre eigenen Werke ebenfalls zum Verkauf anzubieten. Mit wachsendem Erfolg!

Als sie nun vor der schwierigen Lebensentscheidung stand, noch einmal zu studieren oder sich eine Alternative zu ihrem geliebten Beruf zu suchen, hatte sie schon ein kleines Business aufgebaut. Schließlich entschied sie sich, ihren Traumberuf aufzugeben und sich in die Ungewissheit der Selbstständigkeit zu wagen.

Lag dir das Unternehmertum im Blut oder hat dich der Schritt in die Selbstständigkeit viel Überwindung gekostet?

„Das Unternehmertum lag mir ganz und gar nicht im Blut! Mittlerweile hat sich das geändert – das war aber zu Beginn gar nicht so, denn ich war ja eine Lehrerin mit Leib und Seele. Die Konzeption und Erstellung von Unterrichtsmaterialien gehörte allerdings schon damals zu meinen liebsten Disziplinen. […] Ich liebe seit jeher alles, was mit Büchern, Sprache, Verlagswesen und Gestaltung zu tun hat. Zudem hatte ich tatkräftige Unterstützung durch meinen Mann, der mir bei Marketing- und Verwaltungsfragen zur Seite stand. Die Schule vermisse ich aber auch heute noch manchmal.“

Start-up Geschichten inspirieren dich? Dann lies dir hier das Interview mit Heinz Harlig durch, der bereits als Student gründete und seine jahrzehntelange Erfahrung mit uns teilte.

Entstanden ist der Verlag Lernbiene, der in den letzten Jahren gewachsen ist und mittlerweile 5 festangestellte Mitarbeiter*innen hat. Das Unternehmen wächst, das Angebot füllt eine Marktlücke und Bianca und ihr Team tun, was sie lieben.

Welche Vision habt ihr für den Verlag? Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

„Vision ist ein großes Wort. Unser gemeinsames Bestreben ist es, dass in fünf Jahren Kinder an nahezu allen Grundschulen in Deutschland die Möglichkeit haben, mit unseren Unterrichtsmaterialien zu lernen.“

In deiner Firma arbeiten viele Quereinsteiger und dein Leben hat ebenfalls eine unvorhergesehene Wendung genommen. Dabei kanntest du aber schon deinen Wunschberuf. Welchen Rat kannst du jungen Menschen geben, die noch gar nicht wissen, wohin ihr Leben sie überhaupt führen soll und (noch) keinen Wunschberuf haben?

„So wie mir, mag es anderen auch helfen, einmal richtig in sich hinein zu hören. Also nach innen zu gehen und das Bauchgefühl zu befragen – auch, wenn das vielleicht abgedroschen klingen mag. Doch zu überlegen, was einem schon immer viel Freude gemacht hat, was man vielleicht schon seit Kindesbeinen gut kann oder wofür man eine Leidenschaft hegt, kann den Weg weisen. Bei mir waren es schon immer Bücher, die mein Leben bestimmt haben und der frühe Wunsch, irgendwann einmal ein eigenes Buch zu schreiben. Schon als Kind habe ich erste kleine Geschichten geschrieben und dazu gemalt. Letzten Endes bin ich beruflich also genau an diesem Ort gelandet. Kurzum: Hört auf den Bauch und traut euch, auch Zickzackwege zu gehen.“

Dann wiederum gibt es jene, die genau wissen, was sie wollen, doch das Leben macht ihnen einen Strich durch die Rechnung: Zum Beispiel Medizinbegeisterte ohne 1,0er Schnitt oder Studierende, deren Abschluss an einem einzigen Fach scheitert.

Was möchtest du jungen Menschen mit auf dem Weg geben, denen ebenfalls Steine in den Lebensweg gelegt wurden?

„Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass auch Umwege und Zickzackkurse zum Ziel führen, auch wenn man das nicht immer sofort erkennt. Es kann sich als Glück herausstellen, nicht das zu bekommen, was man ursprünglich einmal geplant hatte. Mein Tipp: Wenn ihr an eine Selbstständigkeit denkt, plant am Anfang nicht zu groß und detailliert. Ein Konzept und eine Zielsetzung solltet ihr schon haben, doch oft ist es so, dass die Wege erst beim Gehen entstehen. Geht los, macht auch Fehler, aber fangt an. Es gibt auf dem Weg zum Gipfel immer wieder kleinere Abstiege in Zwischentäler. Das ist ganz normal, lasst euch davon auch nicht entmutigen. Wichtig ist es, mutig zu sein und loszugehen.“

Vielen Dank an Bianca Kaminsky für dieses Interview!

Du möchtest noch ein inspirierendes Interview lesen? Dann schau hier vorbei: „Mach den Ja-Sager – Im Interview mit Urs Ingolf Werner“

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