Ernährung

Marokko- Geschichten von 1001 Delikatessen

"Ich bin WIRKLICH satt"
| Melina Ritterbach |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Melina Ritterbach

Als ich die Zahl auf der Waage sehe, muss ich erst einmal schlucken. Die Gleichung ist sehr klar: 1 Jahr in Marokko = 6 Kilo mehr auf den Rippen. Aber was soll’s, wie hätte ich all den Köstlichkeiten, die meine Gastmutter tagtäglich gezaubert hat und den ganzen leckeren Snacks, die für ´nen Appel und kein Ei an Straßenständen verkauft werden, auch widerstehen sollen?

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Minztee (Foto: Melina Ritterbach)

Marokko ist ein facettenreiches und unverwechselbares Land, die landestypische Küche ist da nur das Sahnehäubchen auf dem Eisbecher der Superlative. Was insofern eine ungeeignete Metapher ist, da weder Sahne noch Eis in marokkanischen Gerichten eine großartige Rolle spielen.
Trotzdem mögen es die Marokkaner süß. Sehr süß. So süß, dass ich mich stets, egal worum es sich handelte, gezwungen sah, „ohne Zucker“ dazu zu sagen, selbst bei den eigentlich gesunden frisch gepressten Säften der Laitiers. Beim Nationalgetränk, dem süßen Minztee, stehen dem Gesundheitsapostel in mir die Haare zu Berge. Aber lecker ist er natürlich trotzdem. Wer behauptet, dass England die Tee-Kultur schlechthin hat, war bestimmt noch nicht in Marokko. Der scherzenderweise auch als „marokkanischer Whisky“ bezeichnete Tee wird zu allen Tageszeiten und Gelegenheiten in jedem Haushalt gereicht und hat das Potential, Symbol der Gastfreundschaft zu werden.

Kommen wir zur festen Nahrung. Prägend für meine Zeit in Marokko war die Tatsache, dass ich den Satz „Ich habe Hunger“ nie äußern musste. Stets hieß es, „Iss, Mädchen, iss, du bist doch zu dünn!“, sodass ich aß und aß, bis ich eben nicht mehr dünn war.
Typisch für das Land ist der Couscous, der auf einem großen Teller serviert wird, um den alle herumsitzen und aus der eigenen Sparte schaufeln. Es ist nämlich sehr wichtig, in seinem Tellerbereich zu bleiben. Traditionell wird er Freitagmittag, nach dem großen Gebet gereicht. Es handelt sich sozusagen um den maghrebinischen Sonntagsbraten, nur eben halal, also erlaubt. Unter den normalerweise sieben Gemüsesorten verbirgt sich ein Stück Rindfleisch oder Hühnchen, welches aber nicht den Status des Fleischseins hat. Somit ist „Ana makanakolsh lhem o makanakolsh ldjej“ – „ich esse kein Fleisch und kein Hühnchen“- einer der ersten Sätze, die man in Marokko als Vegetarier lernt. Der Fakt, dass ich so esse, wie ich esse, sorgte häufig für Erstaunen, denn Vegetarismus ist in Marokko nicht vorhanden und sorgt häufig für fassungsloses Kopfschütteln. Zum frischen Fisch, den man in Küstenorten in spezialisierten Lokalen frittiert oder in Form einer Tajine, einer Art „Gemüsepfanne“ (nur besser) serviert bekommt, konnte jedoch auch ich nicht Nein sagen.

Die Könner, zu denen ich nicht zähle, gehen noch eine Stufe weiter und matschen aus Couscous und Gemüse mit der Hand eine kulinarische Kugel, die dann in den Mund geschnippt wird. Das alles geschieht nur mit der rechten Hand, da die linke im Islam als unrein gilt. Andere Gerichte, wie die bereits erwähnte Tajine werden vornehmlich mit Brot aus dem Teller gefischt und so verzehrt.

Nach einer Mahlzeit fühlte ich mich in der Regel kugelrund und wohlgenährt. Brav dankte ich Gott mit einem „Hamdolilah“ und musste nicht selten überfürsorgliche marokkanische Mamas davon abhalten, mir das übrig gebliebene Essen noch weiter anzudrehen. Oftmals beteuerte ich mehrmals, dass das Essen wahnsinnig köstlich war und ich sicherlich davon träumen werde, ich aber – Hamdolilah – WIRKLICH satt sei! Früher oder später kommt diese Nachricht an und sorgt dafür, dass die Köchin sich freut und mir Gesundheit wünscht, was ich natürlich lieb und nett erwidere.

 

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Couscous in einer großen Schale (Foto: Melina Ritterbach)

 

Denke ich jetzt an meine Zeit in Marokko zurück, kann ich den Couscous und all meine anderen Leibgerichte schon fast riechen. Dann sehe ich den Instant-Couscous hier und könnte weinen, wenn ich an die Stunden denke, dir meine Gastmama jeden Freitag für die Zubereitung dieser Köstlichkeit aufwendete. Denn so viel Auswahl wir hier in Deutschland bezüglich Lebensmitteln und ausländischen Spezialitäten haben – nur Original ist legal, beziehungsweise empfehlenswert.

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