Kultur und Medien / Rezension

Tatsächlich gelesen: Paradise Lost (John Milton)

Es gibt Werke, die schwirren durch die Popkultur. So ziemlich jeder kennt sie dem Namen nach und manche können auch […]
| Dominik Schiffer |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

unbekannt

Es gibt Werke, die schwirren durch die Popkultur. So ziemlich jeder kennt sie dem Namen nach und manche können auch ein oder sogar zwei zentrale Sätze daraus zitieren. So verhielt es sich auch bei mir lange mit Paradise Lost. „Better to reign in hell than serve in heaven“ war mir spätestens seit dem Film „Im Auftrag des Teufels“ (mit einem großartigen Al Pacino!) ein Begriff. In diesem Film wird der von Keanu Reeves verkörperte Jungjurist in die Kanzlei des renommierten Anwalts John Milton (Ha!) aufgenommen, der ihn nach und nach immer weiter in einen seelischen Abgrund (ver)führt, quasi ein persönlicher Sündenfall. Diese Verbindung zwischen Film und Werk war mir zwar bewusst, aber ich hatte sie noch nie verfolgt.

Neulich war es dann so weit: Ich wollte dieses diffuse Wissen vertiefen und dachte, ein Werk von nur wenig mehr als 100 Seiten sei keine große Aufgabe. Ich sollte mich geirrt haben…

Paradise Lost, geschrieben von John Milton (1608-1674) ist ein Gedicht. Ein einziges Gedicht. Über tausende Verse erzählt Milton die Geschichte von Luzifers Rebellion gegen Gott, dem Höllensturz, der Korrumpierung der ersten Menschen und deren Vertreibung aus dem Paradies. Milton stützt sich dabei auf wenige Zeilen aus dem Alten Testament und schmückt diese aus, verbindet sie mit vorchristlicher, insbesondere griechischer und babylonischer Mythologie und fügt all dies in poetischer Sprache zusammen.

Diese Art der Poesie ist aber extrem schwer zu lesen. Das liegt nicht nur an der altenglischen Sprache, sondern vor allem an den Blankversen (für die Besserwisser: reimloser, jambischer Fünfheber). Zudem verlangt der Text gute Kenntnisse des Alten Testaments sowie verschiedener Mythologien, insbesondere was Orte angeht. Hier könnte eine Ausgabe mit Anmerkungen hilfreich sein, was aber natürlich den Lesefluss stören würde. In der Forschung gilt als wahrscheinlich, dass Milton das Werk als Reaktion auf die gescheiterte Regierung unter Oliver Cromwell verfasste, auch wenn er noch zu Zeiten ihres Wirkens damit begann. Milton benutzt die Figur des gefallenen Engels und seiner Rebellion gegen Gott, um seine Verbitterung auszudrücken. Der durchgehend frauenfeindliche Tenor des Werkes dürfte dabei auf seine gescheiterten Beziehungen zurückzuführen sein.

Meine Einwände gegen das Werk beziehen sich aber auch auf die inhaltliche Ebene. Die Geschichte des Sündenfalls ist allgemein bekannt. Milton erzählt sie zwar in einer sehr poetischen Sprache, aber leider ist der Inhalt nicht besonders originell. Die Monologe des gefallenen Engels, sowie seine Verführung der Eva und die Versammlung der Höllenfürsten sind positiv hervorzuheben. Wer die Geschichte des Sündenfalls lesen will, der sollte tatsächlich besser zum biblischen Original greifen. Miltons Deutungen der Passagen und Figuren sind leidlich interessant, wenn auch sprachlich hochkomplex gearbeitet. Liebhaber altenglischer Lyrik mögen bei diesem Werk vielleicht auf ihre Kosten kommen, aber diese Lektüre ist harte Arbeit, dessen muss man sich bewusst sein.

Am Ende glaube ich also verstanden zu haben, warum die meisten nur den einen Satz aus Paradise Lost zitieren können.

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

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1 Antworten zu “Tatsächlich gelesen: Paradise Lost (John Milton)”

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