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Im Wandel (Teil 2): Wie die Literatur Frauenbilder widerspiegelt
Die Rolle der Frau wird unterschiedlich wahrgenommen, dabei zeigen sich diese Frauenbilder in der Geschichte, Kultur und Literatur.
Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten
Die literarische Reise der Frauenbilder der westlichen Welt*
Die Rolle der Frau wird von jeder Person unterschiedlich wahrgenommen, ihre Frauenbilder zeigen sich in der Geschichte, Kultur und Literatur. Doch was genau macht eine Frau aus? Wenn du dich für die Geschichte der Frauenbilder interessierst, schau in den ersten Teil dieser Artikelreihe rein. In diesem zweiten Teil wird es um die Entwicklung von Frauenbildern in der Literatur gehen – von der antiken Mythologie bis heute.
Frauenbilder in der griechischen Mythologie
Die heute bisher bekanntesten und ältesten Frauenbilder kommen sowohl aus der griechischen als auch römischen Mythologie. Der Fokus in diesem Artikel liegt auf der griechischen Mythologie.
Olymp
In der griechischen Mythologie regieren sowohl männliche als auch weibliche Götter im Olymp, dem Himmelreich. Den Hauptsitz hat Zeus, sodass die Macht in männlichen Händen zentriert ist. Allerdings gibt es auch Frauen, die eine bedeutende Aufgabe im Olymp und im Hades, der Unterwelt, haben. Die wohl bekannteste Vertreterin des Olymps ist Athene als Göttin der Weisheit, der Jagd und Tochter des Zeus. Allerdings zeigt sie, wie auch die männlichen Vertreter, einige negative Aspekte wie Eifersucht und Zorn. Dafür müsste man nur auf die Geschichte des Trojanischen Krieges verweisen.
Der Trojanische Krieg kurzgefasst: Aphrodite, Hera und Athene sind sich uneinig, wer die schönste unter ihnen sei. Darum bitten sie den Prinzen Paris um seine Meinung und bieten ihm jeweils Unterschiedliches als Gegenleistung an. Er entscheidet sich für Aphrodite, die ihm die schönste Frau auf Erden anbietet – Helena, die Frau des spartanischen Königs Menelaos. Die verschmähten Göttinnen rächen sich am Ende an Paris, indem sie im Trojanischen Krieg, der nach der Entführung Helenas ausbricht, gegen ihn sind.
Moderne Adaption des Helena-Mythos
Der Mythos der Helena wurde in der Young Adult Trilogie „Göttlich“ von Josephine Angelini modern interpretiert.
Helen trifft auf Lukas, der sie sofort in seinen Bann zieht. Allerdings teilen sie ein gemeinsames Schicksal, denn sie sind Halbgötter und die Verkörperung von Helena und Paris von Troja. Beide sind verflucht, sich ineinander zu verlieben und einen erbitterten Kampf der Götter auszulösen.
Allerdings ist Helen entschlossen, für ihre Liebe und gegen den Krieg der Götter zu kämpfen, und stellt sich ihnen entgegen.
Hades
Die bekannteste Vertreterin des Hades ist Persephone, Göttin des Frühlings, der Fruchtbarkeit und Unterwelt. Hades, der Gott, entführte sie in die Unterwelt, damit sie seine Frau wurde. Nach der Entführung suchte Persephones Mutter Demeter, Göttin der Ernte, sie, fand sie jedoch nicht. Durch Demeters Traurigkeit wuchs nichts mehr auf den Feldern und die Menschen begannen zu sterben und damit nahm die Verehrung der Götter ab, weshalb Zeus versuchte, Persephone aus der Unterwelt zu befreien. Aber sie hatte sich bereits nach dem Gesetz der Unterwelt an diese gebunden. Hades und Zeus einigten sich, dass Persephone für einige Zeit innerhalb eines Jahres auf der Erde verweilen dürfte, damit sollen die Jahreszeiten entstanden sein. Das ist jedoch eine sehr vereinfachte Kurzfassung des Mythos, der auch heute noch oft in neuen Fassungen nacherzählt wird.
Moderne Adaption des Persephone-Mythos
Eine aktuelle Fassung des Persephone-Mythos ist die „Hades x Persephone“-Reihe von Scarlett St. Clair, in der Persephone eine junge Göttin auf Erden ist, die sich als menschliche Journalistin ausgibt, um die Welt kennenzulernen und um ihrer übervorsorglichen Mutter zu entgehen. Allerdings trifft sie eines Tages in einem illegalen Nachtklub den charismatischen und mysteriösen Hades und geht eine Wette mit ihm ein, die sie in die Unterwelt bringt.
Allerdings ist Persephone so willenstark, dass Hades sie nicht in der Unterwelt halten kann.
Warum genau sind diese Frauen bedeutend für die literarischen Frauenbilder? Von Persephones Entführung durch Hades, zu den Verführungen junger Frauen durch Zeus, bis hin zu Athenes Zorn und Heras Eifersucht, die zu Helenas wahrer Liebe für Paris führte, zeigen sich konkrete Frauenbilder auf. Diese Mythen verdeutlichen, dass auch schon damals Frauen vielseitig waren. Sie konnten in Machtpositionen sitzen und sich auch von ihren Gefühlen verleiten lassen. Sie waren ambivalent in ihren Gefühlen. Das trifft nicht nur auf die Frauen, sondern auch auf die Männer zu. Allerdings wurden Frauen auch benutzt, um Ziele von Männern zu erreichen und trotzdem waren sie stark auf ihre ganz individuelle Art und Weise.
Wer sich intensiver mit den griechischen Mythen auseinandersetzen möchte, findet hier eine kleine Auswahl:
Bode-Museum
Frauenbilder im Mythos-Seminar
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Frauenbilder in der Bibel
Die Bibel ist eines der am meisten gelesenen Bücher der Welt und damit bedeutend für unsere Betrachtung der Frauenbilder. Zu Anfang sind Mann und Frau gleichgestellt, sodass sie nach dem Abbild Gottes gleich erschaffen wurden.
„Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ – Genesis 1,27
Doch nur ein paar Absätze später wird die Schöpfung konkreter erzählt, sodass die Frau nun aus dem Mann geformt oder sogar „gebaut“ wurde. Das ordnet die Frau dem Mann unter.
„Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu.“ – Genesis 2,22
Mit dem Sündenfall wird die Schuld der Vertreibung aus dem Paradies der Frau zugeschrieben und ihr wird ein zusätzlicher Fluch auferlegt (Genesis 3,16).
Später im Fortlauf der Bibelgeschichten erkennt man, wie Jesus gut zu Frauen ist und sie als gleichwertig amerkennt, sie heilt, ihre Sünden erlässt und ihnen auch Aufgaben als seine Jüngerinnen gibt. Er teilt außerdem sein Wissen mit ihnen und nutzt viele ihrer Aufgaben in Gleichnissen, um ihnen Wertschätzung entgegenzubringen (Matthäus 13,33 und 24,41; Lukas 7, 36-50).
Frauenbilder in „Mein Name ist Lilith“
Als Pendant zur Bibel steht „Mein Name ist Lilith“ von Nikki Marmery. In diesem Buch setzte sich die Autorin explizit mit einer Theorie auseinander, die sich aus der Bibel ergibt und sich auch im hebräischen Mythos der Lilith widerspiegelt. Wie bereits oben erklärt, steht in Genesis 1,27, dass Frau und Mann gleich sind und gleich geschaffen wurden, demnach gleichgestellt sind. Nur um später die Frau (Eva) aus Adams Rippe zu erschaffen. Die Theorie und das Alphabet des Ben Sira (9. bis 10. Jahrhundert n. Chr.) behauptet, dass die Bibel zensiert wurde und damit Adams erste Frau Lilith herausgestrichen wurde, welche als einzige Frau jemals mit Adam gleichgestellt war. Marmery untersuchte unterschiedliche historische Quellen, die diese Theorie stützen, und daraus schrieb sie die fiktive Bibelgeschichte aus Liliths Sicht.
Im Buch wird Lilith als freiheitsliebende Person offenbart, die hart arbeitet und die Ernte im Paradies einfährt, während Adam auf der Wiese liegt und sich neue Ideen einfallen lässt.
Im Buch wird verdeutlicht, wie Frauen im Laufe der Jahrhunderte unterdrückt wurden und wie Lilith versuchte, dies (teilweise erfolglos) zu verhindern. Aber dieses Buch zeigt auch, wie wichtig Frauen für das Fortbestehen der Menschheit sind. Nicht nur in der Reproduktion, sondern auch in ihrer Liebe zu sich selbst, den Menschen und der Welt, stellen sie sicher, dass die Menscheit fortbesteht.
Ähnliches Buch wie „Mein Name ist Lilith“: „Das Buch Ana“ von Sue Monk Kidd
Die Legende der Lady Godiva
Seit dem 13. Jahrhundert gibt es die Legende der Lady Godiva, welche eine adelige und wohltätige Frau sein soll. Sie habe ihren Mann gebeten, die Steuern zu senken, und dieser stimmte zu, wenn sie nackt durch die Stadt reite. Daraufhin soll sie allein durch ihr langes offenes Haar bedeckt durch die Straßen der Stadt geritten sein und ihr Mann erließ die Steuern.
Es handelt sich hierbei um eine Legende, die nie als wahr bewiesen werden konnte. Allerdings zeigt diese Geschichte eine starke Frau, die sich für die ihr wichtigen Themen und Bedürfnisse außergewöhnlich hartnäckig engagiert zeigt. Allerdings zeigt es auch die Übersexualisierung von Frauen, die über ihren Körper alles bekommen können.
Frauenbilder in „Stolz und Vorurteil“
Jane Austen zeigt mit Stolz und Vorurteil, wie das Leben der damaligen Frau (1813) gewesen ist. Sie zeigt aus ihrer Sicht, dass willensstarke Frauen ihre Ideen zurückstellen müssen, wenn sie verheiratet werden wollen. Das ist auch ihre einzige Möglichkeit, dem Elternhaus zu entfliehen und nicht als Last dazustehen, so aus Ansicht von Lady Lucas im Buch. Elizabeth Bennet ist jedoch ein Ausbund an Temperament und hat keine Angst, ihre Ideen laut auszusprechen. Sie geht sogar so weit, dass sie in ironischer Weise zu Darcy spricht. Eine Anmaßung zu der Zeit.
Es wird dadurch gezeigt, dass das Weltbild nicht starr war, jedoch einige Merkmale stark konstatierten. Die Frau war an ihren Ehemann gebunden, auch weil es gesellschaftlich viele Rituale gab, die befolgt werden mussten. Nur um eine gesellschaftliche Gepflogenheit zu benennen: Frauen mussten einem Mann zunächst von einem anderen Mann (Ehemann, Vater, Bruder) vorgestellt werden.
Frauenbilder in „Emma“
Dieses Werk von 1815 ist wohl das mit der kontroversesten Protagonistin von Jane Austen. Emma ist eine willensstarke, reiche und verwöhnte Frau, die sich in jedermanns und -fraus Leben einmischt. Sie will Ehen um sich herum stiften, richtet jedoch (mehr) Unheil an.
Dieses Buch zeigt, wie unterschiedlich die Wahrnehmung der Frau und ihr Stand in der Gesellschaft sein können, sowie, dass Frauen bestimmten Regeln in der Gesellschaft unterstehen, um nicht gemieden zu werden.
Frauenbilder in „Die Rebellinnen von Oxford“
Im ersten Band der „Rebellinnen von Oxford“-Reihe (2019) von Evie Dunmore ist die Protagonistin Annabelle Archer 1879 kurz davor, eine der ersten Frauen zu sein, die in Oxford studieren dürfen. Für Ihr Stipendium soll sie die Frauenbewegung unterstützen, die sich für mehr Frauenrechte einsetzt. Sie ist eine entschlossene Frau, die es durch geschickte Manöver schafft, einflussreiche Personen für ihre Sache zu gewinnen und damit auch die Liebe findet. Diese Romane orientieren sich an geschichtlich wahren Gegebenheiten, haben aber überwiegend fiktive Elemente.
Diese Reihe zeigt, wie hartnäckig Frauen für ihre Rechte, unter anderem für Bildung, kämpfen mussten, damit wir heute auf einen „Normalzustand“ blicken können.
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Frauenbilder in Romance*²
Das Bild der heutigen Frau ist auf die innere und teilweise auch äußere Stärke gerichtet, dabei ist es egal, in welchem Genre man liest. Mit „Jungfrau in Nöten“ verbindet man üblicherweise nur noch Märchen und selbst diese werden heute neu geschrieben und umschrieben. Frauen stehen meist als starke und unabhängige Persönlichkeiten mit ihren eigenen Wünschen und Zielen, scheuen sich jedoch nicht, auch ihre Gefühle offen zur Schau zu tragen.
Mehr Bücher mit starken, unabhängigen und entschlossenen Protagonistinnen:
Fourth Wing – Flammengeküsst von Rebecca Yarros
Das Reich der sieben Höfe (ACOTAR) von Sarah J. Maas
Throne of Glass von Sarah J. Maas
Blood and Ash – Liebe Kennt keine Grenzen von Jennifer L. Armentrout
Obsidian – Schattendunkel von Jennifer L. Armentrout
Sparrow von L. J. Shen
My Dark Romeo von L. J. Shen & P. S. Huntington
Infinity Falling von Sarah Sprinz
Hunger Games (Die Tribute von Panem) von Suzanne Collins
Divergent – Die Bestimmung von Veronica Roth
Das Report der Magd von Margaret Atwood
Fazit
Die Frauenbilder in der Literatur zeigen Frauen durchweg als willensstarke, entschiedene und durchhaltende Persönlichkeiten, die alles schaffen können. Auch wenn ihnen Steine in den Weg gelegt werden, schaffen sie es, daraus stärker herauszukommen und damit zu leben.
* Es wurde nur ein kleiner Teil der Frauenbilder in der Literatur der westlichen Welt wiedergegeben.
Diese Wiedergabe ist nicht vollständig, da sie sonst den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.
*² Romance ist ein weiter Begriff für Liebesromane mit unterschiedlichen Sub-Genres, die von Romantasy (Liebesroman mit Fantasyelementen) zu New Adult (Liebesroman junger Erwachsener) bis hin zu Dark Romance (Liebesromane mit moralisch grauen Protagonisten) reichen.
Weitere Bücher zu Frauenbildern außerhalb der westlichen Welt:
Yellowface von R. F. Kuang
Meine Schwester, die Serienmörderin von O. Braithwaite
Anna Karenina von L. N. Tolstoi
My Dark Desire (Cinderella-Retelling) von L. J. Shen & P. S. Huntington
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Ana Soraya da Silva Lopes
Weltenbummlerin zwischen Seiten und Landschaften. Egal ob in fantastischen oder echten Welten mit Drachen und Fae, historischen Kleidern und Ereignissen oder in der alltäglichen Gegenwart zwischen Ruinen und Hochhäusern. Nie darf es an guten Geschichten mit einer Prise Romantik fehlen, ob in bereits geschriebenen oder nur in ihrem Kopf bestehenden Geschichten. Sie ist immer mit einem Buch, Notizbuch und einer Kamera in der Hand zu finden.
Im Wandel (Teil 1): Frauenbilder der westlichen Welt
Tatsächlich gelesen: Fünf Freunde oder das Phänomen der Nostalgie (Enid Blyton)
Tatsächlich gelesen: Naokos Lächeln (Haruki Murakami)
Bookstock-Festival für alle Buchliebhaberinnen und -liebhaber
Tags: bibelBücherEmmaEvie DunmoreFrauenbilderGriechische MythologieJane AustenLady GodviaLiteraturMein Name ist LilithNikki MarmeryRebellinnen von OxfordStolz und Vorurteil