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Sehnen nach Natur: Harvest Moon, Animal Crossing und die Epoche der Romantik

Dunkel erinnerst Du Dich vermutlich noch an die Epoche der Romantik aus einigen Deutsch- und Kunstunterrichtstunden, womöglich noch stilecht mit Overheadprojektor und einer Lehrkraft, für die es doch auch schon die sechste Stunde war. Doch wie hängt das mit der Frage zusammen: Warum ist gerade in einer globalen Pandemie das Spiel Animal Crossing zu einem so weitreichenden popkulturellen Phänomen geworden?
| Alex Schmiedel |

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Dunkel erinnerst Du Dich vermutlich noch an die Epoche der Romantik aus einigen Deutsch- und Kunstunterrichtstunden, womöglich noch stilecht mit Overheadprojektor und einer Lehrkraft, für die es doch auch schon die sechste Stunde war. Aber hängen beliebte Casual Games mit Tendenz zum Farmsimulatoren wie Harvest Moon, Story of Seasons, Stardew Valley, Rune Factory, My Time At Portia damit auch zusammen? Und warum ist gerade in einer globalen Pandemie das Spiel Animal Crossing zu einem so weitreichenden popkulturellen Phänomen geworden?

Die Epoche der Romantik kennzeichnet sich durch das Verhandeln eines Sehnens nach Natur und eines faszinierten und mystifizierenden Blickes auf eben jene. Sie betont die Zweiteilung von Kultur und Natur und sieht Erstere als etwas an, vor dem am liebsten die Flucht ergriffen würde, während die Natur als etwas separates, unberührtes und geheimnisvolles behandelt wird. Diese Vorstellung von “Natur” ist wortwörtlich, romantisiert. Wenn wir uns heute umschauen, lässt sich oft gar nicht mehr sagen, was denn diese abstrakte Idee von Natur überhaupt sein soll. Wiesen, Wälder, Berge oder Seen etwa? Doch dann bleibt da die Frage: Inwieweit können wir heute bei diesen Orten tatsächlich die Idee der unberührten, Natur als Gegenpart zur menschengemachten Kultur anwenden? Ist ein Wald, der durch und durch von Forstwirtschaft durchstrukturiert ist, Natur? Wie werden Berge durch Wanderwege beeinflusst? Wenn selbst die Temperatur der gesamten Welt, die Belastung durch Ozon der Luft und die Feinstaubwerte von Menschen maßgeblich beeinflusst werden, was ist dann noch Natur? Weite Meere und dicht bewachsene Regenwälder vielleicht? 269.000 Tonnen Plastik im Ozean, 1,3 Millionen Tonnen Öl und die kläglichen Reste der Regenwälder, die mit 809.371.284 Quadratmeter abgebrannter Waldfläche pro Tag rasant gerodet werden, lachen auf diese Frage hin verzweifelt. Dennoch existiert in uns eine idealisierte Idee der Natur, die meist mit Flora, Fauna und Wetterphänomenen, Klippen, Gewässern und allen Spielarten pastoraler Landschaften zusammenhängt. Pastorale Landschaften haben leider wenig mit Zahnpasta oder Nudeln zu tun, sondern sind einfach Landschaften, die idyllisch und voller Wiesen oder wogender Weizenfelder sind. Die Idee der Unberührtheit ist damit oft verbunden. Doch auch jenseits der umfassenden Klimakrise ist diese Idee von einer “wilden, freien und gebändigten” Natur häufig nicht ganz so real existent, wie wir erwarten. Aber was ist mit den exotischen, wilden Dschungelgebieten? Die Idee des Dschungels ist spannend und sehr ironisch, wenn wir die Wortwurzel betrachten. Wenn wir unsere Augen schließen und jemand Dschungel sagt, dann stellen wir uns vermutlich dicht bewachsene, feuchtwarme Mangrovenwälder vor, in denen sich riesige, dunkelgrüne Blätter auftürmen mit Bäumen, die schwindelerregende Höhe erreichen, giftigen oder gefährlichen Spezies und lauter seltenen Orchideenarten. Ursprünglich entstammt das Wort Dschungel allerdings dem altindischen “ jāṅgalaḥ” und bedeutete ‘trocken spärlich bewachsen’, also das exakte Gegenteil (oder eine ominöse Vorahnung, uff). Im 19. Jahrhundert wurde es dann dem englischen Wort “jungle” entlehnt und bedeutet so viel wie undurchdringlicher, wilder Urwald. Wir verwenden das Wort also auf eine Art, die die Undurchdringbarkeit und das Wilde betont. Hier kommt die kolonialistische Linse, die diese Beschreibung prägt, zutage, denn eben jene dicht bewachsenen Regenwälder, die als Dschungel bezeichnet werden, sind bloß aus einer weißen Kolonialperspektive undurchdringbar und müssen gezähmt werden. Indigene Volksgruppen dagegen navigieren schon Jahrhunderte durch eben jenes Terrain und erschließen sich auch, und das auf eine nachhaltige Art, eben jene Wälder als nutzbare Ressource für Nahrung, Rohmaterial, Medizin, Waffen, Kunst, Musik und mehr. Hierbei wird jedoch nicht nur der kapitalistische Betrachtungswinkel des: “Wie kann der Wald nutzbar gemacht werden?” betrachtet. Vielmehr spielt auch Respekt vor den anderen Lebensformen, die den Wald formieren und ausmachen sowie Spiritualität oder Glaube eine Rolle. In der europäischen und Teilen der nordamerikanischen medialen Verhandlung des “Dschungels” – sei es in Literatur, Kunst, Musik, Film oder anderen Arten – kommt es dagegen zu einigen wiederkehrenden Motiven, die maßgeblich durch die Kolonialzeit geprägt sind. Es wird vom “Dschungel” gesprochen, um Bilder des Fremden, des Anderen und des Exotischen, romantisiert Anziehenden, des Wilden, des Gefährlichen und des Mysteriösen zu erschaffen. Prominente Beispiele hierfür sind Malereien von Malenden wie Paul Gauguin (wird besonders in dem Buch “The Lure of The Exotic – Gauguin in New York Collections” von Colta Ives und Susan Alyson Stein ersichtlich) und Henri Rousseau

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Paul Gauguin: Contes barbares (Museum Folkwang, Essen)
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Paul Gauguin: The Royal End (J. Paul Getty Museum)
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Henri Rousseau: The Dream (Museum of Modern Art)
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Henri Rousseau: The Snake Charmer (Orsay Museum)

Eine bemerkenswerte und beeindruckende Rekontextualisierung von Gauguins und Rousseaus Bildern findet heutzutage bei den Gemälden von Kehinde Wiley über Frauen, die tahitianisch und transgender sind, statt. Ein Blick oder auch sehr viele lohnen sich.

Doch auch die Art, wie Formate wie “Das Dschungelcamp” aufgebaut sind oder wie Filme wie Jumanji, Pocahontas und Indiana Jones das “Wilde”, “Bezwingbare” und “Aneigbare” als narratives Element nutzen, zeigen noch heute diese Rückgriffe auf kolonialistische Betrachtungsweisen. Der “Dschungel” ist hierbei stets das Fremde und auch die ihn nutzenden indigenen Bevölkerungsgruppen werden klar als etwas Fremdes, welches getrennt zu betrachten ist, positioniert. Dies hängt mit der Frage zusammen, wer die Machtposition hat, etwas als “das Andere” zu definieren. Andersartigmachung hängt entsprechend eng mit Herrschaftsstrukturen und Unterdrückung zusammen. Dieser Prozess der Andersartigmachung als systemisches und institutionelles Machtinstrument wird auch als Othering beschrieben. Auf (post-)koloniale Strukturen wurde es dann beispielsweise vom Literaturtheoretiker Edward Saïd übertragen, um eben jene zuvor beschriebenen Zusammenhänge zu problematisieren. Genauso wird auch der Begriff des Exotischen mit dem Wort Exotismus problematisiert, da dieses Exotisieren eng verbunden mit Othering, Machtgefällen, Einverleibung und dem aneignenden Begehren ist. Unsere idealisierte und oftmals romantisierte oder komplementär primär als Gefahr inszenierte Vorstellung von “unberührter Natur” ist also von einigen politischen und historischen Vorannahmen, oft unbewusst, geprägt. Die Romantik als Epoche fällt mit all ihren drei Phasen von 1795 bis 1848 in die Zeit des imperialistischen Kolonialismus. Daher sollte eine kritische Reflexion der Werke dieser Epoche auch in Bezug auf Kolonialismus erfolgen.

Die Epoche der Romantik ist als Reaktion auf die Industrialisierung und die damit einhergehende Urbanisierung zu verstehen. Ein häufiges Motiv in der Romantik waren beispielsweise Fenster und das Sehnen und Entfliehen aus dem Alltag eines kleinen städtischen Zimmers voller Schmutz und Lärm sowie der umherschweifende Blick auf Wetterphänomene, wie beispielsweise in Caspar David Friedrich Gemälden.

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Caspar David Friedrich: Wanderer über dem Nebelmeer (Folkwang Museum Essen)
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Caspar David Friedrich: Frau am Fenster (Alte Nationalgalerie Berlin, The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei)
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Caspar David Friedrich: Woman before the Setting Sun (The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei)

Entsprechend wurde auch “die Natur” reizvoll und gleichzeitig rätselhaft oder mysteriös in den Augen der Kunstschaffenden. Gleichzeitig ist die Epoche der Romantik eine Gegenbewegung zur Aufklärung, die insbesondere Wissenschaftlichkeit und Rationalität ausmacht. Allerdings wurden Emotionen damals noch als etwas Unwissenschaftliches und Irreführendes verstanden, statt diese als ein Teil des wissenschaftlich Erklärbaren und auch Relevanten zu betrachten. Romantik und Aufklärung fanden also auch in Teilen gleichzeitig statt und beeinflussten sich gegenseitig. So war ein Teil der Romantik ein Interesse für Rätsel, Sagen und Mythen und ein Fokus auf das träumerisch Unerklärliche. 

Kommen wir zu Spielen wie Harvest Moon, Story of Seasons und Animal Crossing. Wieso sind gerade Farming Simulatoren und Animal Crossing während der Pandemie (wieder) so beliebt geworden? Für einige mag die Erklärung in Nostalgie liegen, besonders, wenn wir Games in Pixelartoptik wie Stardew Valley betrachten. Sowohl Natsume’s Harvest Moon als auch Nintendos Animal Crossing hatten beide erfolgreiche Vorgänger zu den aktuellen Titeln, die für viele Millenials und in Generation Z die Mediennutzung der Kindheit und Jugend mitgeprägt haben. Gleichzeitig enthalten diese Genres häufig Routinen oder sogar ritualisierte Handlungen als Elemente des Game Plays: ‘Täglich’ – gemessen in der Spielzeit – müssen Pflanzen gegossen, Tiere versorgt oder mit NPCs, also nicht spielbaren Charakteren, geredet werden, je nach Titel. Die Spiele geben also in Teilen eine starke Struktur vor. Gleichzeitig erlauben sie allerdings auch die Freiheit des Erkundens und Schweifens in digitalen pastoralen Landschaften. Dabei werden auch Anreize des Rätselhaften gesetzt. Die meisten Titel von Harvest Moon, Story of Seasons, aber auch Stardew Valley enthalten übernatürliche Elemente und manchmal aufspürbare, manchmal nie gelöste Geheimnisse. So arbeitet beispielsweise der Titel “Harvest Moon DS” mit sogenannten Erntewichteln, einer Erntegöttin, einer Hexe, einer Meerjungfrau und einer Höhle mit rätselhaften, teils aggressiven Wesen gefüllten “Monstern”, die die Schwelle zu einer klischeehaft verborgenen und exotisierten Prinzessin darstellen. Auch Stardew Valley arbeitet mit einem Motiv aggressiver Monster in rätselhaften dungeon-artigen Höhlen. „Story of Seasons“ greift dagegen erneut das Wichtel- und Hexenmotiv auf und lässt aus Felswänden den “Stein der Weisen” schlagen. All diese Elemente werden jedoch erst nach und nach eingeführt und werden zu Beginn des Spiels nur andeutungsweise erwähnt. Ein wichtiger Bestandteil der Farming Simulatoren ist zudem, dass in den meisten Fällen mit einer verwilderten Farm begonnen wird, die zunächst geebnet werden muss. Hinzu kommen Dynamiken wie das Fangen und Sammeln verschiedener, mehr oder weniger seltener Fisch- und Insektenarten. Das Bezwingen oder die Aneignung der “Natur” wird hierbei als eines der Kernelemente der Spiele verstanden. Viele dieser Titel, so zum Beispiel auch einige Teile der „Story of Seasons“-Reihe, haben zudem die Dynamik, dass es möglich ist, die in freier Wildbahn lebenden Tiere wie Waschbären, Bären, Vögel oder Kaninchen zu domestizieren, indem man sich mit ihnen “anfreundet”, füttert oder sie einmal pro Tag aufhebt. Gerade im Hinblick auf die teilweise sehr junge Zielgruppe kann dies schwierig sein: Es legt den Gedanken nahe, dass jeder Aspekt der Umwelt für einen persönlich zugänglich gemacht werden kann oder sollte. Zudem kann das Füttern von Tieren auch negative Konsequenzen haben. Enten werden beispielsweise häufig in öffentlichen Parks mit Brotresten gefüttert. Das Brot, gerade Weißmehlprodukte, kann jedoch in ihrem Magen zu einer vielfachen Größe heran quellen. Das schiere Volumen des Brotes in Magen und Darm kann mitunter tödliche Folgen für die Tiere haben. Nicht immer ist gut gemeintes Füttern also tatsächlich den frei lebenden Tieren zuträglich. Auch das Füttern domestizierter Tiere kann mitunter gefährlich werden: Pflanzen wie Oleander oder Rhododendron sind hochgiftig für Schafe und Ziegen. Dennoch kommt es regelmäßig vor, dass Eltern ihre Kinder diese Tiere einfach mal mit am Wegesrand aufgelesenen Giftpflanzen, füttern lassen. Hinzukommt, dass die Spiele oft auch sehr profitorientiert innerhalb des Game-Plays aufgebaut sind. Das bedeutet, dass also möglichst hohe Wertschöpfung innerhalb der Spiellogik vom Spiel belohnt wird. 

Etwas anders sieht es mit „Rune Factory“, der Fusion eines Farming Simulators mit dem Genre des JRPGs, aus. Die Spielreihe, dessen fünfter Titel der Hauptreihe momentan produziert wird, ist geprägt von einer dichten Narration. In diesen Titeln wird der Aspekt der Farmsimulation mit einer High-Fantasy-Welt kombiniert, in der man fantastischen Wesen aller Art begegnen kann. Es wird eine detaillierte, verschachtelte und emotional involvierende Geschichte erzählt, die wiederum viele Motive des Rätsel- und Sagenhaften bedient. Hierbei werden pastorale Landschaften und Wetterphänomene mit in die Erzählung sowie die Gestaltung eingebaut und auch die klare Trennung zwischen Kultur und Natur wird wieder aufgegriffen. Sowohl das Rätselhafte als auch das Gefährliche und das romantisiert Spannende geht von den erkundbaren Gegenden außerhalb der “sicheren” Stadt aus. Ob „Story of Seasons“ oder „Rune Factory“: Motive des Orientalismus, sei es beispielsweise bei Leon (Rune Factory 4) oder Nadi und der “Seidenland”-Händlerin (Story of Seasons) kommen in der Darstellung der Charaktere zum Tragen. 

Gerade während der Coronapandemie gab es Situationen für einige Menschen, in denen es zu einem drastischen Einbruch in Entfaltungsmöglichkeiten und persönlicher Freiheit kam. Routinen sind zerfallen, Alltagsstrukturen haben sich aufgelöst oder verändert und die Art, wie wir Zugang zu Berufen, Bildung oder sozialem Teilhabe hatten, ist komplizierter geworden. Hierbei gilt jedoch nicht zu vergessen, dass diese wahrnehmbare Veränderung oftmals bereits die alltägliche Realität für Menschen mit chronischen Erkrankungen, Immunsuppression und/oder Behinderungen war und ist. Auch Armut kann zu dieser Dynamik verringerter Chancen und Teilhabemöglichkeiten führen. Genauso wie andere marginalisierte Gruppen Hindernisse erfahren oder signifikante Sicherheitsrisiken eingehen müssen, um partizipieren zu können.  

Krankheit, Tod, Verlust von Jobs und Strukturen, das erstarrte gesellschaftliche Leben, der erschwerte Zugang zu Bildung und oft auch gesundheitlicher Versorgung: All dies lastet durch die Coronapandemie bewusster denn je auf unseren Schultern. Um all dem gedanklich für kurze Zeit entkommen zu können, greifen wir auf Medien zurück. Wir betreiben Eskapismus, also die gedankliche, imaginative Form der Flucht aus dem Alltag, die der Psychohygiene natürlich wie alles nicht in Übermaß zuträglich sein kann. 

Es erscheint bizarr, das Wort Flucht im romantischen Sinne positiv besetzt zu lesen in Zeiten, die von immensen Fluchtbewegungen aufgrund von Stellvertreterkriegen geprägt sind. Geflüchtete in Lesbos oder Moria, Kriege, getragen von deutschen Waffenexporten und nicht aufgearbeiteter Kolonialismus hängen eng miteinander zusammen und dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Eine Pandemie ist belastend; wie belastend ist diese erst in schlammigen Lagern ohne Zugang zu Hygienemaßnahmen, ohne saubere Kleidung, sicheres Trinkwasser, ohne Wärme, ohne Abstand? Eskapismus kann wichtig sein, wir sollten dennoch nicht die Realität um uns herum und das Gewicht des Wortes Flucht vergessen. 

Abschließend lässt sich über das Spielgenre sagen: Ein Spiel mit gefestigter sozialer Dynamik, routiniert auftretenden Strukturen und romantisierten Vorstellungen von Natur und Ländlichkeit kann ein Mittel für diesen Eskapismus sein. Mit ihrem Fokus auf pastorale Landschaften, der Abkehr von urbanen Alltäglichkeiten und von Wissenschaftlichkeit im Hinblick auf die gewählten Darstellungen erinnern die Spiele, insbesondere in Verbindung mit ihren mysteriösen und sagenhaften Elementen an die Epoche der Romantik. Das Flüchten in diese Spiele überrascht also nicht in einem urbanem, grauen Alltag. Gerade am Anfang des Jahres war dank der hohen Inzidenzen der Pandemie noch weniger eine Abwechslung in Aussicht. Zum Glück verschafft der Sommer etwas vorübergehendes Aufatmen, wenn auch nur lokal begrenzt und am seidenen Faden hängend. Es bleibt nur ein überlegtes Handeln und falls möglich und zugänglich natürlich die Impfung. So sehr Eskapismus also ein Mittel sein kann, eine kurze Pause einzulegen, ist es keine Perspektive mit Hoffnung auf Wandel, dies ausschließlich oder überwiegend zu tun. Beispielsweise gilt es, die kolonialistischen Strukturen, die diesen Spielen im Betrachtungswinkel teilweise zugrunde liegen, zu hinterfragen. Interessant könnte hierbei die Entwicklung des Spiels Coral Island sein, welches Akzente setzt, die Umweltschutz und Diversität betreffen, über deren genauere Details eine Veröffentlichung noch aussteht.

Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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Alex Schmiedel

Seit 2019 unterstütze ich das Team mit Illustrationen, Gestaltung, Artikeln und einer stets schwingenden intersektionaler Feminismus-Keule. Ursprünglich bin ich jedoch als Fan des Heldenpicknicks auf Seitenwaelzer gestoßen. Meinen Bachelor habe ich in Mediendesign in Münster absolviert und nun studiere ich Medienwissenschaft im Master in Bochum und arbeite im Bereich Mediendesign. Für Interactive Fiction, Podcasts, Animation und Musik schlägt mein Herz, ebenso wie für Aufklärung über diverse politische Themen, insbesondere Geschlechterdiversität und medizinische sowie antiableistische Gleichberechtigung.

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