Rollenspiele – Machen das nicht nur die Nerds?
Rollenspiel. Die einen verbinden es mit diversen Schlafzimmerpraktiken, die anderen mit einer Gruppe ungewaschener Geeks, welche „so ein komisches Spiel spielen“. Was sich hinter Ersterem wirklich verbirgt, kann sich jeder recht gut vorstellen, aber wie steht es um das andere? Wie viel Vorurteil steckt hinter dieser Vorstellung und wie viel Distanzierung, damit man bloß nicht auf die Idee kommt, jenes „komische Spiel“ könnte interessanter sein, als man es eigentlich zugeben möchte?
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Rollenspiel. Die einen verbinden es mit diversen Schlafzimmerpraktiken, die anderen mit einer Gruppe ungewaschener Geeks, welche „so ein komisches Spiel spielen“. Was sich hinter Ersterem wirklich verbirgt, kann sich jeder recht gut vorstellen, aber wie steht es um das andere? Wie viel Vorurteil steckt hinter dieser Vorstellung und wie viel Distanzierung, damit man bloß nicht auf die Idee kommt, jenes „komische Spiel“ könnte interessanter sein, als man es eigentlich zugeben möchte?
Die Spieler machen das Spiel
Diese Aussage trifft nicht nur für den Spielenden und sein Spielgefühl zu, sondern auch auf das Bild, das sich viele im Gespräch um und über ein Spiel machen. So geschieht es zum einen, dass sich der Ruf von Konsolen- und Computerspieler bereits unterscheidet, zum anderen sorgt es aber dafür, dass ganze Kategorien in Schubladen gesteckt werden. Oft kennt man die Spieler nicht einmal persönlich und „kann das überhaupt etwas für mich sein, wenn ‚solche Leute‘ das machen“ – ein Gedanke, der wahrscheinlich schon viele Personen vor interessanten Erfahrungen bewahrt hat.
Beim Rollenspiel, in diesem Artikel speziell in der Variante des Pen&Paper, zu Deutsch „Stift und Papier“, geht es in erster Linie um Kreativität, Vorstellungskraft und Kooperation. Das Spiel setzt sich aus Spielleiter, Spielern und einem Regelwerk zusammen (wer beim Wort „Regelwerk“ nun am liebsten aufhören möchte zu lesen, sollte sich dies besser noch ein zweites Mal überlegen). Das Regelwerk gibt in diesem Fall das „Setting“ an, also die Welt, in der man spielt. Diese Welten beinhalten neben bekannten Universen wie „Star Wars“ und „Herr der Ringe“ auch speziell für das Rollenspiel entworfene Welten (große Titel sind an dieser Stelle „Das schwarze Auge“, „Shadowrun“ und „Pathfinder“ bzw. „Dungeons & Dragons“).
Diese Welten werden vom Regelwerk in einfache Zahlen und Würfelproben umgewandelt – ob der Stormtrooper so selten trifft wie im Film wird also durch den Zufall bestimmt. Wieso der Stormtrooper überhaupt einen Grund zum Schießen hat, bestimmt wiederum der Spielleiter. Er ähnelt in vielerlei Hinsicht dem Erzähler in einem Buch – er beschreibt die Welt und ihre Reaktion auf die Aktionen der Spieler. Außerdem beschreibt und „spielt“ er das Verhalten aller fiktiven Personen und Bösewichten, mit welchen es die Spieler zu tun haben; womit wir zu eben diesen kommen. Ist der Spielleiter der Erzähler, so sind die Spieler die Protagonisten des Buches. Jeder Spieler verkörpert einen Charakter in der Welt und entscheidet über dessen Handlungen. Ob man ein alkoholisierter, axtschwingender Zwerg, ein egoistischer Intrigant oder ein Überlebender einer Zombieapokalypse ist, das bleibt einem selbst überlassen – eine selbst gewählte Vielfalt, mit welcher ein paar Dutzend Charaktere in Computerspielen wie „League of Legends“ nicht mithalten können.
Wie fängt man an?
Soviel darüber, worum es eigentlich geht, aber wie steht es um das Spielgefühl? Natürlich kann man Pen&Paper nicht mit einem normalen Computerspiel vergleichen, auch wenn sie viele Ähnlichkeiten aufweisen. Die Grafik weicht der Vorstellungskraft, der Plot den Ideen des Spielleiters, das Gameplay weicht Würfeln und Konversation. Das „Gameplay“ von Pen&Paper-Spielen lässt sich als Außenstehender, der vielleicht nur ein paar Infos aufgeschnappt hat, schwer nachvollziehen – ich kann an dieser Stelle auch nur meine eigenen Erfahrungen in den Worten eines anderen wiedergeben, denn eine oft zutreffende Beschreibung des Spielgefühls ist, „als ob man selbst sowohl Charakter eines Buches ist, als auch der Autor, der die Geschichte mitbestimmt“. Natürlich würde es sich empfehlen, es an dieser Stelle selbst auszuprobieren und sich eine eigene Meinung zu bilden – aber wo, mit wem und wie fängt man an?
Hier kommen wir wieder zur Problematik des „die Spieler machen das Spiel“. Leider kommen die „Rollenspieler-Vorurteile“ nicht von ungefähr – tatsächlich besteht ein Teil der Spieler aus jenen Geeks in ihren Kellern, welche sich aus der Realität, die vielleicht nicht immer akzeptiert wie sie sich ihr zeigen, flüchten, was wiederum ein Dolch im Rücken des Spiels ist. Ein Dolch, welcher jedoch im Vergleich zur gleichen Problematik bei Gamern an Konsole und Computer dadurch, dass die Szene an sich deutlich kleiner ist, umso tödlicher trifft. Wo soll man also anfangen, wenn man nicht mit eben diesen Leuten identifiziert werden möchte? An dieser Stelle gibt es mehrere Möglichkeiten: einerseits diejenige, sich erst einmal mit dem Sicherheitsabstand des Internets an die Szene heranzuwagen. Die deutsche Szene des Pen&Paper in der „Drachenzwinge“ ermöglicht Neulingen, sich einfach mal mit Spielern im Online-Chat per „Teamspeak“ zusammenzusetzen und zu spielen – oder erst einmal zu lauschen, wie sich das Ganze denn aus nächster Nähe anhört. Die anderen Möglichkeiten wären entweder, sich im eigenen Freundeskreis umzuhören, ob es vielleicht Leute gibt die spielen oder einmal gespielt haben, oder aber sich lokal nach Gruppen umzusehen – gerade Spiel- und Comicläden können hier im Regelfall vermitteln. Eine letzte, vielleicht etwas gewagte Herangehensweise wäre es, direkt selbst eine Gruppe zu gründen, frei nach dem Motto „learning by doing“. Wie man es letztlich macht, ist jedem selbst überlassen.
Am Ende steht die Empfehlung, es wirklich einmal auszuprobieren. Sich alle paar Tage zusammenzusetzen, um seiner Kreativität freien Lauf zu lassen, ist eine besondere Erfahrung, die eine Mehrheit als positiv verbuchen wird. Ein letztes Wort zu den Kosten! Außer der Verpflegung für einen Spielabend sind diese nämlich gering bis nicht vorhanden, womit es wohl am ehesten Überwindung kostet, welche ich jedem zu zahlen nahelege.
In unserem Podcast „Heldenpicknick“ könnt ihr einfach mal in ein Pen&Paper-Abenteuer reinhören:
Meht Infos zum Heldenpicknick gibt’s hier.
Das Titelbild wurde uns freundlicherweise von Rocket Beans TV zur Verfügung gestellt.
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Lukas Schuster
Auf dem Bild zu sehen ist Lukas, ein Seitenwaelzer der sich um Postings und redaktionelle Arbeiten kümmert und alle paar Millennien auch einen Artikel schreibt. Früher mal hatte er Raumfahrttechnik studiert, aber weil das keine Raketenwissenschaft sei beschäftigt er sich heutzutage doch lieber mit den Medienwissenschaften im wunderschönen Paderborn.
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