Gesellschaft und Lifestyle / Kultur und Medien

Syrisches Essen trifft auf Münsteraner Kultur

Wer einmal bei elbén war, weiß, wie man dort Zeit verbringen kann. Doch es gibt mehr: Hier arbeiten syrische Geflüchtete Hand in Hand mit Studierenden. Wir haben ein Interview mit dem Gründer des Projekts geführt.
| Joshua Sans |

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Blick ins elbénelbén

Hier treffen Kulturen in toller Atmosphäre aufeinander

Wer schon einmal bei elbén war, weiß wie gut sich dort die Zeit zwischen zwei Vorlesungen verbringen lässt. Auch außerhalb der Freistunden kann man bei verschiedenen Events Kultur erleben und gleichzeitig orientalische Köstlichkeiten probieren. Hinter elbén steckt nämlich mehr als nur ein Restaurant, das leckeres Essen serviert. Dort arbeiten syrische Geflüchtete zusammen mit ehrenamtlichen Studierenden aus Münster Hand in Hand.

Auch der Name des Projekts verdeutlicht diese Zusammenarbeit, denn elbén ist syrisch-arabisch und bedeutet zwei Herzen. Nun wird der Laden in der Nähe der Aasee-Kugeln ein Jahr alt und ich habe mich mit dem Gründer von elbén getroffen, um etwas über den Gedanken hinter dem Projekt und den Werdegang zu erfahren:

Erzähle kurz was über dich…

Mein Name ist Nedal Georges, geboren in Dresden, aufgewachsen im Osten und im Münsterland, meine Eltern kommen beide aus Syrien. Ich reise viel, lerne gerne neue Sprachen und studiere Jura in Frankfurt. Dort habe ich auch schon ein Projekt gegründet, das heißt Frankfurt Free Alternative Walking Tour. Seit 2016 bin ich wieder in Münster und habe mir ein bisschen Zeit genommen für das Projekt elbén.

Wie bist du darauf gekommen elbén zu gründen?

Die Motivation, elbén zu gründen damals war intrinsisch. Ende 2015 war ich in Frankfurt am Hauptbahnhof beim Welcoming dabei. Dort habe ich gesehen, wie die Menschen angekommen sind und am Bahnhof willkommen geheißen wurden. Auf beiden Seiten gab es offene Herzen und offene Arme. Dabei ist mir als Jemandem mit syrischen Wurzeln, der in Deutschland aufgewachsen ist, aufgefallen, dass es Erwartungen auf allen Seiten gab und eine gewisse Diskrepanz zwischen diesen Erwartungen herrschte. Ich habe einfach gespürt, dass da Welten aufeinander klatschen, die sich nicht gut kennen und dass man eine Brücke bauen muss zwischen diesen Welten. Ich sehe mich als Produkt beider Welten, spreche beide Sprachen und verstehe beide Kulturen, daher wollte ich selber aktiv werden und Begegnungen schaffen. Am besten kann man sich im Dialog miteinander und natürlich bei gutem Essen kennenlernen. So kam die Idee, Manakish zu servieren.

Lies auch: Ehrenamt und Inklusion – Was ist schon „normal“?

Was ist Manakish überhaupt?

Manakish ist ein Hefeteig, der mit verschiedenen orientalischen Zutaten belegt wird. Die klassischen Varianten sind Mhamara (Sesam, Paprika und Tomaten-Paste) und Za’atar (Gewürzmischung aus Sesam, Thymian, Zwiebeln, Anis, Tomaten). Die kann man dann mit verschiedenen weiteren Zutaten, wie Fleisch, Käse und Gemüse kombinieren.

Und das schmeckt! Kannst du kurz erklären, wie aus der Idee anschließend elbén entstanden ist?

Damals, Ende 2015, haben wir mit einer Crowdfunding-Kampagne gestartet. Das Thema „Geflüchtete“ war zu dieser Zeit überall präsent und wir wollten noch vor Weihnachten starten. Alles ging dann ziemlich schnell: die Idee zu elbén hatte ich Ende November und mit dem Crowdfunding haben wir im Dezember angefangen. Ich habe ein paar Leute zusammengetrommelt und wir hatten ziemlich schnell ein großes Team aus Freunden und Familie, die Lust hatten mit anzupacken. Beim Crowdfunding konnten wir dann innerhalb von 40 Tagen 20.000 € sammeln und haben uns davon einen Foodtruck geholt. Damit konnten wir erste Erfahrungen sammeln, weil von uns keiner aus der Gastro-Szene kam. Bis auf den Chefkoch, den wir nach der Crowdfunding-Kampagne gefunden haben, hatte vorher auch keiner aus unserem syrischen Team Erfahrung in dem Bereich. Die meisten haben vorher in Syrien gearbeitet, studiert oder sind noch zur Schule gegangen. So ist dann nach und nach das Team entstanden, bis wir im August 2016 den Truck eröffnet haben. Mit dem Geld, das wir durch den Truck verdient haben, konnten wir den syrischen Jungs und Mädels ein Gehalt auszahlen und die laufenden Kosten decken.

Den Truck gibt es ja heute noch. Wie kam es denn dazu, dass Ihr einen eigenen Laden mieten konntet?

Im November 2016 hatten wir das große Glück, über den Winter in eine Eisdiele ziehen zu können. Da haben wir noch mehr Erfahrungen sammeln können. Wir wollten eine Begegnungsstätte schaffen, bei der Menschen durch Manakish, aber auch durch andere Aktivitäten, wie zum Beispiel Musik, Kunst oder Sport zusammenfinden können. Als wir den Laden im Februar 2017 wieder verlassen mussten, war eigentlich bei allen der Wunsch da, einen eigenen, größeren Laden zu eröffnen, um unsere Idee von der Begegnungsstätte noch weiter ausbauen zu können. Die Suche nach dem Laden war schwieriger als gedacht. Ende Mai haben wir auf einem Food Truck Event dann aber doch zufällig jemanden kennengelernt, der uns einen Tipp für einen Laden in der Scharnhorststraße gegeben hat und auf einmal hat alles super geklappt, sodass wir am 27.07. endlich die Eröffnung von unserem Laden feiern konnten. Es war einfach eine krasse Party, die Leute standen bis auf die Straße, um ihr Manakish zu bekommen. Da wurde uns auch klar, dass wir das Team erweitern müssen. Mittlerweile zählt unser Team schon 30 Leute, ca. 15 Geflüchtete aus Syrien und 15 ehrenamtliche Studierende aus Münster.

Würdest du sagen, das Konzept von elbén ist aufgegangen?

Es gibt da eine coole Szene, die habe ich immer Kopf, wenn ich darüber nachdenke. Als ich einmal in den Laden reingekommen bin, stand unser Chefkoch hinter der Theke und hat mit einer älteren Dame geredet. Die beiden haben sich einfach kaputtgelacht, später habe ich dann herausgefunden, dass sie sich gar nicht perfekt verstanden haben. Trotzdem waren diese freundlichen Vibes da und da habe ich gemerkt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es ist einfach schön zu sehen, wie alle im Laden miteinander agieren. Früher kamen die Syrerinnen und Syrer immer zu mir, wenn sie irgendwelche rechtliche oder alltägliche Fragen hatten, bis ich vorgeschlagen habe, dass sie auch einfach die Gäste fragen können, wenn sie irgendwas zum alltäglichen Leben wissen möchten. An einem Tag haben sie dann jeden Gast gefragt, welcher der beste Handyanbieter ist und haben aus den Ergebnissen eine Statistik für sich erstellt. An solchen Kleinigkeiten merke ich, dass wir das Richtige tun.

Was ist für die Zukunft von elbén geplant?

Wir lernen jeden Tag dazu, merken aber, dass es noch viele Baustellen gibt. Daher möchten wir Strukturen etablieren und alles was wir so erleben aufschreiben. Schon während der Crowdfunding-Kampagne haben wir Anfragen bekommen, ob wir das Projekt nicht auch in andere Städte bringen möchten. Daher ist unser Ziel, ein Social Franchise aufzubauen und die Gewinne daraus auch in Projekte in Syrien zu stecken. Vor allem das Abbauen von Vorurteilen ist uns wichtig. Wir möchten, dass Leute unabhängig von Herkunft, Religion oder Hautfarbe aufeinander zugehen und miteinander reden können.

Und wie feiert ihr den ersten Geburtstag des Ladens?

Natürlich wollen wir wieder Begegnungen schaffen! Wir sind jetzt ein Jahr alt und ohne die Menschen, die uns besuchen, das Projekt ehrenamtlich unterstützen oder hauptberuflich bei elbén arbeiten, wären wir gar nicht so weit gekommen. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt im letzten Jahr, viele Höhen und Tiefen erlebt, nehmen aber aus Allem etwas Positives mit. Das wollen wir feiern mit ein bisschen Musik, Kunst und Essen. Es wird auch eine kleine Überraschung geben. So möchten wir uns einfach bei allen Leuten bedanken, die an die Idee von elbén glauben.

Wo und wie kann man euch finden?

Unser Laden befindet sich in der Scharnhorststraße 25, aber auch unser Food Truck ist in Münster unterwegs. Alles Infos dazu findet man auf unserer Facebook-Seite.

Alles klar, danke für das Interview!

Sehr gerne!

Ehrenamt im Studium? Das Beste, was du machen kannst! Lies unseren Artikel über die „Dinge am Wegesrand“.

Unterstützen

Wenn dir der Beitrag gefallen hat, würden wir uns über eine kleine Spende freuen.



Noch mehr Stories? Folge seitenwaelzer:

Joshua Sans

Während meines Politik- und Islamwissenschaftsstudium arbeite ich nebenbei daran, aus dem Interesse am Schreiben Kapital zu schlagen, um so die Leiden der Lohnabhängigkeit etwas erträglicher zu machen. Neben pseudointellektueller Kapitalismuskritik interessiere ich mich vor allem für Sprachen, politische Theorie und Musik in (fast) all ihren Erscheinungsformen.

Dominik Schiffer | seitenwaelzer.de

Tatsächlich gelesen: Die kleine Hexe (Otfried Preußler)

Sandra Hein | seitenwaelzer.de

Tatsächlich gelesen: Paddington Bear (Michael Bond)

Bild zeigt Luca auf der BühneDavid Hinkel

„Wenn ich’s jetzt nicht probiere, dann nie“ – Stand-Up-Comedian Luca Jonjic im Interview

Inga Nelges | seitenwaelzer.de

Vom männlichen und weiblichen Blick – Ein Gang durch die „Nudes“-Ausstellung des LWL-Museums in Münster

Tags:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir benutzen Cookies, mit der Nutzung unserer Webseite erklärst du dich damit einverstanden. Hier gibt's weitere Infos.