Kultur und Medien / Rezension

Tatsächlich gelesen Special: Das Gaslicht (Patrick Hamilton)

Gaslighting bezeichnet die systematische Manipulation des Vertrauens eines Menschens in seine Wahrnehmung der Realität.
| Dominik Schiffer |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Alexis Fauvet | Unsplash

Anlässlich des Tages der psychischen Gesundheit schieben wir noch ein kleines Theaterstück zwischen unsere Beiträge zu Nobelpreisträgern. Gaslighting ist in den vergangenen Jahren ein häufig gebrauchtes Wort gewesen. Es bezeichnet die systematische Manipulation des Vertrauens eines Menschens in seine Wahrnehmung der Realität. Doch auch wenn es durch die aktuelle Aufmerksamkeit, wie beispielsweise zahlreiche Artikel in der Presse und in Fachzeitschriften, sehr bekannt ist, kennt vermutlich kaum jemand seinen Ursprung. Dieser liegt nämlich im Theaterstück Gas Light von Patrick Hamilton aus dem Jahr 1938.

Das Stück spielt in London zu einer Zeit, wo die Lampen in den Häusern noch mit Gas beleuchtet werden. Im unteren Geschoss lebt das Ehepaar Manningham mit seinen Bediensteten. Die beiden sind noch nicht lange verheiratet, doch ihr Eheglück scheint bereits Risse zu bekommen. Mrs. Manningham fürchtet, dass sie langsam den Verstand verliert, wie ihre Mutter einige Jahre zuvor. Sie nimmt zwar bereits eine Medizin dagegen, doch immer noch scheint sie sich Geräusche einzubilden, ebenso wie das Flackern des Gaslichts, wenn ihr Mann nicht im Haus ist. Außerdem scheint sie vergesslich zu werden, verlegt Schlüssel oder Bilder. Überdies redet sie sich scheinbar ein, ihr Mann mache ihrem Dienstmädchen Avancen. Dieser bemüht sich augenscheinlich, seine Frau zu unterstützen, doch geht ihm langsam die Geduld aus. Nach einem heftigen Streit verlässt er das Haus und seine verstörte Frau bleibt alleine zurück. Doch dann klopft unerwartet der ehemalige Detective Rough an ihre Tür und macht ihr klar, dass sie nicht verrückt ist und dass ihr Mann ein dunkles Geheimnis hat.

Mrs Manningham: „Amiss? What’s amiss? For God’s sake don’t turn your back on me. What has happened?“

Mr Manningham: „You know perfectly well what has happened, Bella, and if you will rectify it at once I will say no more about it.“

Mrs Manningham: „I don’t know. I don’t know. You have left your tea. Tell me what it is. Tell me.“

Mr Manningham: „Are you trying to make a fool of me, Bella? What I refer to is on the wall behind you. If you will put it back, I will forget the matter.“

Mrs Manningham: „The wall behind me? What? (She turns.) Oh … Yes … The picture has been taken down. Yes … The pictures … Who has taken it down? Why has it been taken down …?“

Mr Manningham: „Yes. Why has it been taken down? Why, indeed? You alone can answer that, Bella. Why was it taken down before? Will you please take it from wherever you have hidden it, and put it back on the wall again.“

Mrs Manningham: „But I haven’t hidden it, Jack. I didn’t do it. Oh, for God’s sake look at me. I didn’t do it. I don’t know where it is. Someone else must have done it.“

Mr Manningham: „Someone else? Are you suggesting that I should play such a fantastic and wicked trick?“

Patrick Hamilton: Gas Light (1938)

Das Theaterstück ist nicht besonders lang, hat es aber in sich. Hamilton gelingt es, mit großer Kraft die Perfidie des manipulierenden Ehemannes herauszustellen. Mehrfach möchte man ob seiner Unverschämtheiten nach Luft schnappen. Mrs. Manningham hingegen ist aber nicht nur eine reine Opferrolle. Vielmehr erlebt man mit großer Genugtuung, wie sie, nachdem sie ihr Selbstbewusstsein wiedererlangt hat, den Spieß umdreht und ihrem Mann eine Falle stellt.

Ich lese eher selten Theaterstücke, schon Lysistrate war eine Ausnahme. Aber dieses habe ich nicht bereut und empfehle es ausdrücklich. Hamilton hat in ihm viel vorweggenommen, was die psychologische Forschung im Nachhinein erst bestätigt hat. Es ist schon fast zu bedauern, dass ein so gutes Stück als Namensgeber für eine derart hässliche Taktik manipulativer Menschen herhalten muss.

Wenn du selber befürchtest, dass dich jemand manipuliert, findest du hier erste Informationen. Außerdem kannst du dich an folgende Anlaufstellen wenden:

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

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