Tatsächlich gelesen – The Hound of the Baskervilles (Sir Arthur Conan Doyle)
Nach fröhlicher Kinderliteratur widmet sich unser Autor Dominik der Literatur für die dunkle Jahreszeit. Der Weg führt ihn nach England.
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Zurück aus der Sommerpause geht es nun bis zum Jahresende bei „Tatsächlich gelesen“ erst einmal ohne Oberthema weiter. Das hat auch damit zu tun, dass Sandra und ich sonst zu viele Werke, die wir eigentlich gerne möglichst bald besprechen möchten, noch unnötig hinausschieben müssten. Bereits Ende letzten Jahres habe ich mich in die Kurzgeschichten um Sherlock Holmes gestürzt, weil ich studiumsbedingt nur sehr wenig Zeit hatte, große Romane zu lesen. Nun, fast ein Jahr später, werfe ich einen Blick auf die vielleicht berühmteste Geschichte des Meisterdetektivs.
Der Hund von Baskerville erschien zwischen 1901 und 1902 als Fortsetzungsroman im Strand Magazine, wie die vorangegangenen Abenteuer von Sherlock Holmes und Dr. Watson zuvor. Der Autor Sir Arthur Conan Doyle wurde zu dieser Geschichte bei einer Reise nach Norfolk inspiriert, wo er die Geschichte über einen Geisterhund hörte. Während er an dem Stoff arbeitete, bemerkte er, dass er eine Detektivfigur brauchte und entschied sich für seine Schöpfung der Figur des Sherlock Holmes. Es war der erste Auftritt von Holmes seit beinahe zehn Jahren, als er den Geschichtenzyklus zusammen mit seinem Protagonisten und dessen Erzfeind Professor Moriarty in den Reichenbachfällen in der Schweiz beerdigt hatte. Der große Erfolg von Der Hund der Baskervilles veranlasste Doyle schließlich dazu, Holmes Tod nachträglich rückgängig zu machen und mit Das leere Haus einen neuen Zyklus zu beginnen.
221B Baker Street
Wie beinahe alle Fälle beginnt auch dieser im nebligen London. Holmes und Watson sitzen in ihrem Appartement in der Baker Street beim Frühstück und sinnieren über einen vergessenen Spazierstock, als der Eigentümer sie aufsucht und in einen neuen Fall verwickelt. Es handelt sich um den Arzt Dr. Mortimer aus Dartmoor in Begleitung des Kanadiers Henry Baskerville. Letzterer ist vor kurzem Erbe des Vermögens und des Anwesens seines Verwandten Sir Charles Baskerville geworden, der unter seltsamen Umständen verstorben war. Obwohl sein Leichnam keine Verletzungen aufwies und er vermutlich an einem Herzschlag starb, hegt Dr. Mortimer seine Zweifel. Denn um den Leichnam herum fand man die Pfotenabdrücke eines großen Hundes. Der Legende zufolge lastet ein Fluch auf der Familie Baskerville, seit ein Urahn eine junge Frau mit einer Hundemeute zu Tode gehetzt hat. Nun fürchtet Dr. Mortimer um die Sicherheit des jungen Henry Baskerville, dem letzten lebenden Nachkommen dieser Linie.
Holmes, ganz der rationalen Deduktion verpflichtet, hält dies alles für Hirngespinste. Als aber Sir Henry wirklich verfolgt zu werden scheint, schickt er zunächst Dr. Watson nach Dartmoor, da er selbst wegen eines wichtigen Falls in London bleiben muss. Watson quartiert sich auf dem Landsitz der Baskervilles ein und erfährt einige Dinge, die ihn nachdenklich stimmen. Was hat es mit den schrulligen Nachbarn der Baskervilles auf sich? Da wäre einmal der Schmetterlingsjäger, der mit seiner Schwester im Moor lebt, ebenso wie ein cholerischer älterer Herr, der bei jeder Kleinigkeit Gerichtsprozesse vom Zaun bricht. Dann ist da noch das Dienerehepaar Barrymore, das sich seltsam verhält. Was hat es mit dem entflohenen Schwerkriminellen auf sich, der sich im Dartmoor verstecken soll? Und wer hat Sir Charles kurz vor dessen Tod eine Nachricht geschrieben und um ein Treffen an genau dem Ort gebeten, an dem der Leichnam gefunden wurde? Und dann ist da noch das schaurige Geheul eines Hundes, das Watson nachts über das Moor hallen hört …
Arthur Conan Doyle: The Hound of the Baskervilles, Ausgabe 2001 [https://www.gutenberg.org/files/2852/2852-h/2852-h.htm#chap01]„Interesting, though elementary,“ said he as he returned to his favourite corner of the settee. „There are certainly one or two indications upon the stick. It gives us the basis for several deductions.“
„Has anything escaped me?“ I asked with some self-importance. „I trust that there is nothing of consequence which I have overlooked?“
„I am afraid, my dear Watson, that most of your conclusions were erroneous. When I said that you stimulated me I meant, to be frank, that in noting your fallacies I was occasionally guided towards the truth. Not that you are entirely wrong in this instance. The man is certainly a country practitioner. And he walks a good deal.“
„Then I was right.“
„To that extent.“
„But that was all.“
„No, no, my dear Watson, not all—by no means all. I would suggest, for example, that a presentation to a doctor is more likely to come from a hospital than from a hunt, and that when the initials ‘C.C.’ are placed before that hospital the words ‘Charing Cross’ very naturally suggest themselves.“
„You may be right.“
„The probability lies in that direction. And if we take this as a working hypothesis we have a fresh basis from which to start our construction of this unknown visitor.“
„Well, then, supposing that ‘C.C.H.’ does stand for ‘Charing Cross Hospital,’ what further inferences may we draw?“
„Do none suggest themselves? You know my methods. Apply them!“
„I can only think of the obvious conclusion that the man has practised in town before going to the country.“
„I think that we might venture a little farther than this. Look at it in this light. On what occasion would it be most probable that such a presentation would be made? When would his friends unite to give him a pledge of their good will? Obviously at the moment when Dr. Mortimer withdrew from the service of the hospital in order to start a practice for himself. We know there has been a presentation. We believe there has been a change from a town hospital to a country practice. Is it, then, stretching our inference too far to say that the presentation was on the occasion of the change?”
„It certainly seems probable.”
Ein Klassiker im besten Sinne
Im Vergleich zu den meisten anderen Sherlock Holmes-Geschichten ist Der Hund der Baskervilles deutlich komplexer aufgebaut. Es gibt mehrere falsche Fährten, denen Watson zunächst folgt. Man merkt, dass Doyle mehr Zeit für seinen Entwurf hatte als in den Jahren, in denen er die Abenteuer von Holmes und Watson quasi am Fließband produzieren musste. Auch wenn heutige Leser sicherlich einige der Hinweise durch ein Überangebot an Kriminalgeschichten, Podcasts, Dokumentationen und Serien schnell richtig zuordnen werden, ist das Entwirren der verschiedenen Fäden doch eine Freude.
Wer einen trockenen Kriminalfall erwartet, wird angenehm überrascht sein. Denn die Aufklärung der verschiedenen Motive der Akteure zeichnet ein schönes Bild des damaligen britischen Selbstverständnisses, das sich in Teilen auch zu einer augenzwinkernden Satire mausert. Darüber hinaus atmet die ganze Geschichte eine angenehm altmodische Gemütlichkeit. Wo heutige Stoffe schnell von Entdeckung zu Entdeckung hasten, lässt Doyle sich Zeit. Die Erkundungen von Watson im Moor enthalten zwar Hinweise, aber nichts wird übereilt oder überdramatisiert. Auch die Personen in den Geschichten wirken nicht gehetzt. Da darf mal ein ganzer Tag für Vorbereitungen ins Land gehen und Zeit für ein kräftigendes Frühstück oder eine Tasse Tee bleibt auch immer.
Diese angenehme Entschleunigung macht diesen Roman, ebenso wie die anderen Sherlock Holmes-Geschichten, so lesenswert. Es ist genau die richtige Lektüre für verregnete Herbstabende, um sich in die nebligen Straßen Londons entführen zu lassen. Unbedingt lesen!
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Dominik Schiffer
Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.
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