Kultur und Medien / Rezension

Tatsächlich gelesen: Ars amatoria (Publius Ovidius Naso)

Die Ars amatoria sind ein Gedichtzyklus, in dem Ovid jungen Männern und Frauen Ratschläge gibt, wie die Liebe eines anderen zu gewinnen sei.
| Dominik Schiffer |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Rahul Pandit | Pexels

Eigentlich wollte ich von diesem Dichter die Metamorphosen besprechen. Aber dann hat Deike, die dafür verantwortlich ist, dass diese Texte halbwegs lesbar erscheinen, mir das Werk Ars amatoria so begeistert ans Herz gelegt, dass ich nicht umhingekommen bin, neugierig zu werden. Zudem passt dieses Werk besser zum unaufhaltsam nahenden Valentinstag. Was die spannende Frage aufwirft, was Ovids (ca. 43 v. Chr. – ca. 17 n. Chr.) Liebeskunst heute noch für eine Bedeutung haben könnte.

Die Ars amatoria sind ein Gedichtzyklus, in dem Ovid jungen Männern und Frauen Ratschläge gibt, wie die Liebe eines anderen zu erringen und zu festigen sei. Die ersten zwei der drei Teile richten sich an die jungen Männer, bei denen der Dichter auch die Initiative sieht. Im letzten Teil wendet er sich an die jungen Frauen, wie sie das Kennenlernen mitgestalten können. Ovid zieht in seinen Empfehlungen immer wieder mythische Geschichten als Gleichnis heran. Er beweist aber auch eine sehr gute Beobachtungsgabe für die Eigenheiten der Geschlechter.

„Aber meidet Männer, die offen erkennen lassen, daß sie sich pflegen, auf Schönheit bedacht sind und sich das Haar kunstvoll zurechtlegen. Was sie euch sagen, das haben sie schon tausend Mädchen gesagt; ihre Liebe schweift umher und lässt sich nirgends häuslich nieder. […] Es gibt Leute, die unter Vorspiegelung von Liebe auf Raub ausgehen und auf solche Wege zu schändlichem Gewinn streben. Laßt euch weder von dem Haar täuschen, […] noch von einer besonders fein gewebten Toga und auch nicht, wenn an den Fingern Ring an Ring steckt: Vielleicht ist gerade der gepflegteste aus dieser Sippschaft ein Dieb und brennt nur in Liebe zu deinem Kleid.“

Ovid: Ars amatoria, Drittes Buch, Vers 435-450

Für einen Historiker ist so ein Text an sich schon eine wahre Schatzgrube, aber speziell dieses Werk kann und sollte eigentlich jeder gelesen haben. Es eröffnet nicht nur einen sehr vielschichtigen Blick auf die römische Gesellschaft. Dort müssen junge Menschen, um einander kennenzulernen, viele wachsame Augen austricksen. Es zeigt vor allem, dass sich viele emotionale und psychologische Komponenten der menschlichen Seele in 2000 Jahren kaum verändert haben. Wie auch Thukydides von der Verführbarkeit der Massen schreibt, so spiegelt Ovid sehr anschaulich, wie ähnlich das Selbstbild und das romantische Werben über so lange Zeit geblieben sind. Dazu ist das Werk sehr angenehm geschrieben. Der Dichter wirft sich selbst abwechselnd in die Bresche für beide Geschlechter. Bei den Männern selbstbewusst und erfahren, bei den Frauen beinahe untertänig und schüchtern, in jedem Fall aber mit einer ordentlichen Portion Humor.

Wie viele seiner Vorschläge man dabei annehmen sollte, bleibt fraglich. „Einfach mal küssen und schauen, was passiert“ dürfte dann doch nicht die geschickteste Strategie sein. Allerdings kann man von jedem Menschen in der heutigen Zeit genug Reflexion erwarten, die Diskrepanz zu damaligen Sitten und Gebräuchen zu verstehen. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird die Schuld nicht bei Ovid liegen. Ich nehme von diesem Buch vor allem mit, dass ich die Begeisterung anderer öfter zum Anlass einer Lektüre nehmen sollte.

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

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