Kultur und Medien / Rezension

Tatsächlich gelesen: Die Göttliche Komödie (Dante Alighieri)

Ich will es nicht verheimlichen: Paradise Lost hat mich in meinem Verlangen, popkulturell oft zitierte Klassiker zu lesen, schon gedämpft. […]
| Dominik Schiffer |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

unbekannt

Ich will es nicht verheimlichen: Paradise Lost hat mich in meinem Verlangen, popkulturell oft zitierte Klassiker zu lesen, schon gedämpft. Darum habe ich einige Zeit meine Kreise um Die Göttliche Komödie gezogen wie Dagobert Duck um seinen Glückszehner. Noch einmal ein Gedicht, über hunderte Seiten, noch einmal Himmel und Hölle und dann noch in Übersetzung (leider beschränken sich meine Italienischkenntnisse auf das Studium von Speisekarten)? Sollte das wirklich glücken? Nun, die Antwort ist nicht so einfach.

Der Dichter Dante Alighieri (1265-1321) begann ab 1307, sein Hauptwerk Die Göttliche Komödie zu verfassen, und stellte es erst kurz vor seinem Tod fertig. Es beschreibt eine Traumreise des Dichters, der sich in einem Wald verirrt und, vom Weg abgekommen, schließlich erst vom antiken Dichter Vergil und später von seiner Jugendliebe Beatrice durch die Hölle, über den Läuterungsberg bis in das himmlische Paradies geführt wird, wo ihm ein Anblick Gottes gewährt wird. Auf seinem Weg begegnet er vielen historischen und, zu Zeiten Dantes, gegenwärtigen Personen, aber auch Fabelwesen oder mythischen Gestalten.

Das Werk entstand zur Zeit des Konflikts zwischen den kaiser- bzw. papsttreuen Parteien Italiens, darum ist der Text ohne einen sehr umfangreichen Anhang kaum zu begreifen. Dante selbst, der das Werk im Exil schrieb, gehörte zu den kaisertreuen Ghibellinen. Die einhundert Kapitel des Werks sind sehr kurz, in meiner Ausgabe selten mehr als drei Seiten lang. Über die Qualität der Übersetzung kann ich mangels Kompetenz nicht viel sagen, außer, dass sie sich recht flüssig lesen lässt, wenn auch das Blättern im Anhang etwas nervt. Es sollte hier noch erwähnt werden, dass Die Göttliche Komödie als immens wichtiges Werk gilt, da es die italienische Schriftsprache begründet hat, womit Latein als dominierende Sprache abgelöst wurde. Darauf bezieht sich auch der Titel, es handelt sich nicht um ein heiteres Werk, sondern „Komödie“ spielt auf die Sprache des gemeinen Volkes an. Ursprünglich nur Komödie betitelt, wurde der Titel nach Dantes Tod als Würdigung seiner Leistung erweitert. Die Bedeutung des Werks kann darüber hinaus kaum überschätzt werden. Nicht nur beziehen sich zahllose Kunstwerke wie Gemälde, Filme und Literatur auf Die Göttliche Komödie, auch im Bereich der Populärkultur (wie z.B. das Videospiel Dantes Inferno) ist es zu finden.

Der Text ist nicht weniger als mathematische Perfektion, was auch erklärt, warum Dante 14 Jahre bis zur Fertigstellung gebraucht hat. Wer sich jemals mit Zahlenmystik beschäftigen wollte, dem sei der Kommentar zu dieser Ausgabe sehr ans Herz gelegt. Jedes Wort in jeder Zeile ist sehr wohl abgewägt und folgt einem ganz bestimmten Muster. Dante entwirft in seinem Werk nicht nur einen Kommentar zu seiner politischen Gegenwart, auch das Verhältnis des Menschen und der weltlichen und geistlichen Institutionen sowie ihrer Vertreter zu Gott spielen eine Rolle. Dazu entwirft er eine vollständige Kosmologie samt einer Art Landkarte der drei der damaligen Vorstellung entsprechenden Jenseitsbereiche, erfindet Strafen in Hölle und Läuterungsberg, wälzt Jahrhunderte Mythologien und Geschichtsschreibung und flicht noch beinahe beiläufig in das ganze Werk eine fast rührende Huldigung seiner früh verstorbenen Jugendliebe Beatrice ein. Auch der Dichter selbst muss sich am Läuterungsberg, dessen sieben Terrassen den sogenannten Todsünden gewidmet sind, reinwaschen, um im Paradies durch den Anblick Gottes zu einem völligen Verständnis des reinen Christentums und der Liebe zu Gott geführt zu werden.

Nun aber die Frage: Was taugt das Buch für den Lesenden? Also ich habe das Buch nicht ungerne gelesen, es ist in angenehm kurze Kapitel unterteilt, von denen jedes mit einer Zusammenfassung beginnt. Aber erschlossen hat es sich mir erst, nachdem ich den Kommentar im Anschluss an die Lektüre gelesen hatte. Da ist mir tatsächlich die Kinnlade heruntergefallen, wie genau all das komponiert ist. Vieles ist an mir vorbeigegangen, sicher auch wegen der Sprachbarriere. Wenn Dantes Ziel war, die Mathematik und die Kunst zu verschmelzen, dann ist ihm das fraglos gelungen. Aber um sich dies selbst zu erschließen, braucht man gewaltige Vorkenntnisse über genau diese Epoche und ihre Zahlenmystik. Abseits davon ist das Buch aber dennoch zu empfehlen, denn vieles, was Dante ersonnen hat, ist wirklich kreativ und an einigen Stellen für heutige Leser auch amüsant, beinahe prophetisch.

Aber ich will nicht verhehlen, dass der Text Arbeit bedeutet, und nicht nebenbei gelesen werden kann. Und ich glaube, so alles in allem, dass damit die Scharte von Paradise Lost ausgewetzt wurde. So habe zumindest ich einen Grund, dem Buch dankbar zu sein.

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

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