Kultur und Medien / Rezension

Tatsächlich gelesen: Rhetorik/τέχνη ῥητορική (Aristoteles)

Zuerst untersucht Aristoteles, welche Formen der Rede es gibt und welche Anforderungen sie an den Redner stellen.
| Dominik Schiffer |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Miguel Henriques | Unsplash

Nachdem das vorige Werk in dieser Kolumne so lockerleicht war, ist es nun Zeit, einen wahren Brocken schwerer Kost zu verdauen. Auch wenn die Reclamausgabe der Rhetorik nur gerade einmal 200 Seiten Text enthält, sind philosophische Werke aus der Zeit immer noch ein wenig schwieriger zu lesen als heutige. Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) ist da keine Ausnahme. Der Schüler von Platon ist vor allem für seine Nikomachische Ethik und die Politik bekannt, die vielleicht ein andermal besprochen werden. Darüber hinaus beschäftigte er sich aber auch mit vielen anderen Lehren und verfasste so auch einige Abhandlungen über den Sprachgebrauch. Die Rhetorik habe ich der Poetik vorgezogen, da ich irgendwie sofort den Redner vor der Volksversammlung vor mir sah und durch diese Assoziation war mein Interesse geweckt.

Das Werk ist in drei Abschnitte eingeteilt. Im Ersten untersucht Aristoteles, welche Formen der Rede es gibt und welche speziellen Anforderungen sie an den Redner stellen. Der zweite Teil beschäftigt sich dann mit den Zuhörern und mit den emotionalen Zuständen, die man in ihnen wecken kann, sowie der Frage, wie eine Überzeugung von der Notwendigkeit der Sache an sich möglich ist, unabhängig von der Person des Redners. Der letzte Teil behandelt den Stil und wie er der Absicht förderlich sein kann.

„Dass Redner selbst glaubwürdig sind, dafür gibt es drei Gründe, denn so viele Ursachen gibt es, von den Beweisen abgesehen, weswegen wir Rednern Glauben schenken: Es sind die Einsicht, Tugend und Wohlwollen. Jede Täuschung durch Worte oder Ratschläge von Rednern ist ja auf all diese Eigenschaften oder eine davon zurückzuführen. Denn entweder haben Redner aus Uneinsichtigkeit nicht die rechte Ansicht oder sie sagen trotz ihrer rechten Ansicht aus Böswilligkeit nicht das, was sie meinen, oder sie sind zwar verständlich und redlich, aber nicht wohlwollend. Daher kommt es vor, dass Leute nicht den besten Ratschlag geben, obwohl sie ihn kennen.“

Aristoteles: Rhetorik, Buch 2, S. 78f.

Man darf nicht mit der Erwartung an dieses Werk gehen, dass hier einfach Redebeispiele aufgelistet werden. Vielmehr nutzt Aristoteles, vor allem im zweiten Buch, die Gelegenheit, das menschliche Wesen zu untersuchen. Darüber hinaus gibt es sehr viele Definitionsversuche für Begriffe, die ziemlich sperrig formuliert sind. Hier kommt vermutlich die Schwierigkeit der Übersetzung aus dem Altgriechischen zum Tragen. Erst im dritten Buch wird es sprachlich etwas leichter, aber vielleicht täuscht der Eindruck auch, da ich nach ca. 150 Seiten einfach an den Stil gewöhnt war.

Ob ich alles verstanden habe, weiß ich nicht. Ich denke, ich werde das Werk noch einmal lesen müssen, vielleicht in ein paar Jahren. Was den Inhalt betrifft: Die Analysen der menschlichen Gemütszustände (wie Zorn, Liebe oder Furcht) sind tatsächlich auch für heutige Leser sehr interessant. Es zeigt sich hier, wie auch bei Ovid, dass die Menschen der Antike uns gar nicht so fremd waren. Ratschläge zum Stil hingegen werden deutlich weniger Interesse finden, da sie sich weitgehend speziell auf die altgriechische Sprache beziehen, die heute so nicht mehr gesprochen wird.

Für wen kann ich dieses Buch nun empfehlen? Ganz sicher für Philosophiestudenten und Sprachwissenschaftler, denn die Methodik von Aristoteles und seine Definitionen von argumentativen Schlüssen in der Rhetorik werden sicher interessant sein. Aber beim interessierten Laien bin ich da schon zögerlicher. Ich glaube, man sollte sich im Vorfeld zumindest eine gute Zusammenfassung durchlesen, damit man bei Aristoteles‘ weitschweifigen Äußerungen nicht den Faden verliert. Dennoch: So ganz hat mich das Buch nicht losgelassen, es ist eine intellektuelle Herausforderung und alleine dafür finde ich es lohnenswert.

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

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