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Von „Perkele“ und „Kalsarikännit“: Wie ich die finnische Sprache lieben lernte

Sie gehört zu den zehn schwierigsten Sprachen der Welt und hat gerade einmal sechs Millionen Sprecher: Warum ich die finnische Sprache dennoch lernen wollte und welche Erfahrungen ich dadurch gewonnen habe, möchte ich euch erzählen.
| Laura Klöppinger |

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Iituliitu | Pixabay

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Was vielleicht aussieht, als sei meine Katze über die Tastatur gelaufen, ist in Wahrheit das längste finnische Wort und hat ganze 61(!) Buchstaben. Seine Bedeutung ist allerdings weniger beeindruckend: Flugzeug-Jet-Turbinenmotor-Assistenz-Mechaniker, Unteroffizier, in der Ausbildung – nicht nur die Deutschen sind Meister darin lange Wörter zu bilden!

Warum Finnisch?

Das Finnische gehört nicht gerade zu den „Trendsprachen“, wie Spanisch, Französisch oder Chinesisch. Wozu sollte man auch eine Sprache lernen, die gerade einmal sechs Millionen Sprecher auf der Welt hat? Außerdem beherrschen die nordischen Länder doch perfekt Englisch – wozu die Mühe? Und überhaupt, wieso sollte man sich durch diese knochenharte Grammatik quälen? Man wird das doch sowieso niemals brauchen? So in etwa haben auch die Leute in meinem Umfeld reagiert, wenn ich erzählte, dass ich Finnisch lernen möchte.

Für mich gab es jedoch viele Gründe, diese außergewöhnliche Sprache zu erlernen – damit angefangen natürlich, dass ich zwei Semester in Finnland studieren würde. Ich habe schon immer Spaß daran gehabt mich mit dem Aufbau und Klang verschiedenster Sprachen auseinanderzusetzen. Als Studentin zweier indogermanischer Sprachen, war es für mich umso spannender, ein ganz neues Sprachsystem kennenzulernen, das absolut nichts mit diesen gemeinsam hat. Dass Finnisch zu den 10 schwierigsten Sprachen der Welt gehört, hat mich zusätzlich herausgefordert. Außerdem ist die Sprache auch immer ein Schlüssel zur Kultur und diese wollte ich in der Zeit, die ich in Finnland verbringe, unbedingt besser kennenlernen.

Welche Endung war das nochmal? – Die Sprachlichen Merkmale des Finnischen

Das Finnische gehört zu der finno-ugrischen Sprachfamilie, die auch Estnisch und Ungarisch mit einschließt. Allerdings verstehen sich Finnen und Esten und Finnen und Ungaren kaum bis gar nicht untereinander, da die Sprachen sich so unterschiedlich entwickelt haben. Wer denkt, dass die deutsche Grammatik schwierig sei, der hat sich noch nie den finnischen Satzbau angesehen. Finnisch gehört zu den sogenannten ”agglutinierenden” Sprachen. Dies bedeutet, dass Person, Zeit und Kasus durch das Anfügen von Affixen kenntlich gemacht werden. Dies sind Wortteile, die nicht eigenständig im Satz stehen können, sondern an Wörter „drangeklebt“ werden wie zum Beispiel der Wortbestandteil – haft in ”zauberhaft” oder ”tugendhaft”. Im Finnischen können diese Affixe zum Beispiel den Ort oder die Richtung bestimmen. Wenn man nun sagen will, dass man in Helsinki lebt, dann hängt man den Affix -ssa/ssä an das Wortende: „Minä asun Helsingissä” (Ich lebe in Helsinki). „Ich komme aus Helsinki” hieße hingegen: ”Minä olen kotoisin Helsingistä.” Präpositionen wie im Deutschen gibt es also nicht – dafür allerdings 15(!) Fälle. Dadurch entstehen dann diese unglaublich langen Wörter, wie das, was ihr zu Anfang gelesen habt. In Finnland wird viel Wert auf Gleichberechtigung gelegt und dies fängt schon bei der Sprache an. Es gibt nämlich kein grammatikalisches Geschlecht, denn das Pronomen Hän kann Er aber auch Sie bedeuten.

Die Sprachmelodie

Im Kontrast zu seinem Nachbarn Schweden, dessen Landessprache für mich sehr heiter und melodisch klingt – hört sich das Finnische eher tief und monoton an. Daher wird auch manchmal behauptet, dass die Finnen desinteressiert oder sogar unfreundlich klingen. Dies liegt wahrscheinlich an der harten Aussprache vieler Wörter, denn unfreundlich sind sie ganz sicher nicht. Mir selbst ist aufgefallen, wie sich meine Sprachmelodie und Intonation verändert, wenn ich Finnisch spreche. Meine Stimme geht jedes Mal ein paar Töne tiefer und ist weniger akzentuiert. Ich finde es spannend, wie sich durch das Sprechen einer anderen Sprache auch die Persönlichkeit immer leicht mit verändert. So wirken meine finnischen Freunde immer etwas anders auf mich, wenn sie vom Finnischen ins Englische wechseln.

Aller Anfang ist schwer

Als mein Semester in Finnland begann, konnte ich gerade einmal ein paar Sätze, die ich Zuhause auswendig gelernt hatte, aufsagen. Freunde wurden das Finnische und ich auch nicht sofort. Ich war am Anfang jedes Mal frustriert, wenn ich ein Wort nicht direkt verstehen konnte und mein Wissen über andere Sprachen mich überhaupt nicht weiterbrachte. Eine Ausnahme bilden natürlich Lehnwörter aus anderen Sprachen, an die die Finnen meist noch ein ‚i‘ dranhängen, wie bei „Bussi“ oder „Hotelli.“ Jedoch gibt es davon nicht gerade viele.

Mein erster Großeinkauf im Supermarkt hat mich gleich zwei Stunden gekostet, denn bis ich erst einmal wusste, wo was zu finden ist und was die Produkte enthalten, verging eine gefühlte Ewigkeit. Da die zweite Amtssprache in Finnland Schwedisch ist, kann man sich zur Not noch aus der schwedischen Beschriftung einen Reim machen. Manche Kauffehler ließen sich dennoch nicht vermeiden. So hat man dann doch schonmal eine Minzfüllung in seinem Gebäck oder versehentlich zu einem Produkt gegriffen, das Fleisch enthält, obwohl man doch Vegetarier ist. Allerdings lernte ich von Einkauf zu Einkauf immer mehr Begriffe kennen und erweiterte so ganz von selbst mein Vokabular.

Ganz auf Anfang

Um Finnisch zu lernen, musste ich also wieder ganz bei null anfangen und dies begann mit dem Üben der Aussprache des Alphabets. Als wir in der ersten Sitzung unseres Finnisch-Kurses alle zusammen dieses aufsagen sollten, mussten ich und mein Sitznachbar immer wieder schmunzeln, da man wieder in die Grundschulzeit zurückversetzt wurde. Aber so ist das eben, wenn man eine Sprache ohne jegliche Vorkenntnisse lernt: Man ist wieder Anfänger und muss sich dies auch eingestehen. Finnisch lernt man eben nicht von heute auf morgen. Eine meiner größten Schwierigkeiten ist das rollende ‚r‘. Ich habe schon endlose Male versucht dieses auszusprechen, aber es will einfach nicht gelingen. Davon lasse ich mich allerdings nicht abhalten. Ich musste mir zudem abgewöhnen, die Konsonanten und Vokale wie im Deutschen auszusprechen, wie beispielsweise das ä, das im Finnischen weniger nasal klingt oder das y, welches wie das deutsche ü ausgesprochen wird. Zudem sprechen die Finnen die Wörter fast immer so aus, wie sie geschrieben werden.

Keine Angst Fehler zu machen

Wie bei allen Sprachen ist es wichtig, nicht nur über seinem Grammatikbuch zu hängen, sondern auch aktiv zu sprechen. Die Finnen sind sich darüber im Klaren, wie schwierig ihre Sprache ist, deshalb braucht man keine Angst davor haben, Fehler zu machen. Mit meiner finnischen Sprachpartnerin treffe ich mich jede Woche um meine Kommunikationsfähigkeit und Aussprache zu verbessern. Sie ist dabei jedes Mal sehr geduldig und wiederholt mit mir Wörter und Sätze, die mir besonders schwerfallen. Das Schöne ist, dass ich bei ihr auch Dinge lerne, die im Finnisch-Kurs ausgelassen werden. Da wäre zum einen das Fluchen auf Finnisch – „Perkele“ (Verdammt) und „Saatana“ (Teufel) sind mit die beliebtesten Schimpfwörter – oder das Verwenden von witzigen Sprichwörtern. So habe ich zum Beispiel gelernt, dass „Kalsarikännit“ das Gefühl beschreibt, alleine zu Hause in Unterwäsche zu sitzen und Wein zu trinken, ohne jegliche Intention, das Haus noch zu verlassen. Jetzt noch Fragen warum man Finnisch lernen sollte? Aber auch die finnischen Bräuche und Traditionen hat mir meine Sprachpartnerin näher gebracht. Zur Weihnachtszeit haben wir finnische Weihnachtsplätzchen („Joulutorttu“) gebacken und Glögi getrunken – ein Heißgetränk, das süßer schmeckt als Glühwein und meist ohne Alkohol getrunken wird.

Was ich für mich mitnehme

Das Finnische hat mir gezeigt, wie unterschiedlich Sprachen aufgebaut sein können und dass der Versuch, mit seinem eigenen Sprachverständnis an diese heranzugehen, vergeblich sein kann. Ich selbst bin mir meines Anfängerstatus bewusst und immer wenn ich denke „Wieso kann ich XY noch nicht gut genug”, fügte ich ein noch nicht hinzu und führe mir vor Augen, dass ich erst seit vier Monaten in Finnland lebe und das Erlernen einer neuen Sprache immer Zeit braucht. Wichtig ist, dass man die Motivation beibehält und neugierig bleibt.

In einer Vorlesung haben wir gelernt, dass Lernen mehr wie ein Dimmerschalter funktioniert und nicht wie ein An-Aus Schalter. Man lernt allmählich und es braucht oft Zeit, bis man komplexe Zusammenhänge versteht. Dies versuche ich mir immer vor Augen zu führen. Als ich das erste Mal eine Rückmeldung bekam, wie gut mein Finnisch schon klingt, konnte ich die Freude darüber kaum in Worte fassen. Ich habe zudem das Gefühl, dass ich den Menschen und der Kultur dadurch schon näher gekommen bin. Finnen freuen sich unglaublich, wenn man versucht ihre Sprache zu sprechen – egal wie gut man schon ist. Es ist jedes Mal schon ein kleines Erfolgserlebnis, wenn ich überhaupt ein paar Sätze verstehe und ein wenig kommunizieren kann. Ich bin schon gespannt auf mein nächstes Semester hier in Finnland, da ich dort meine Kenntnisse weiter vertiefen werde. Einen Schwedischkurs möchte ich dann auch belegen – denn vom Sprachenlernen kann man nicht genug bekommen.

Quellen:

Lea. “Auf Der Suche Nach Dem Längsten Finnischen Wort.” DFG, https://www.dfg-ev.de/news/2352.

Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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… liebt die englische Sprache und Kultur, weshalb sie sich auch für das Anglistik (und Germanistik) Studium entschieden hat. Wenn sie nicht gerade liest oder Musik macht, diskutiert sie gerne über Doctor Who oder die neusten Indie-Rock Alben.

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1 Antworten zu “Von „Perkele“ und „Kalsarikännit“: Wie ich die finnische Sprache lieben lernte”

  1. Ich bin daran gescheitert – deshalb habe ich größten Respekt vor jedem, der Finnisch als Fremdsprache lernt.

    Dafür beherrsche ich andererseits das richtige Setzen von Kommas im Deutschen (und würde das hier keineswegs thematisieren, wenn die Autorin nicht Germanistik studiert hätte).

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